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Intersektionaler Aktivismus
Warum Klimaaktivismus mehr als Ökologie ist

Kimberlé Crenshaw auf einer Gala
Kimberlé Crenshaw 2018 vor einem Rampenlicht während einer Rede auf der Gala zum Jahrestag des Konzeptes der Intersektionalität von der Gunda-Werner und Heinrich-Böll Stiftung. | Foto (Detail) © Mohamed Badarne

Intersektionalität als Begriff und Konzept hat sich über die letzten Jahrzehnte politisch etabliert. Doch was genau ist Intersektionalität, und was bedeutet sie für Aktivist*innen?

Von Asuka Kähler

Was ist Intersektionalität? 

„Intersektionalität beschreibt die Überschneidung verschiedener Diskriminierungsformen – eine Schwarze Frau erfährt eine andere Diskriminierung als ein Schwarzer Mann. Anders als es rechte und konservative Narrative behaupten, geht es nicht darum, eine neue Machtstruktur aufzubauen, die darauf basiert, wer am meisten Diskriminierung erfahren hat und bei der weiße, heterosexuelle cis-Männer die unterste Kategorie bilden“ erklärt Sia, aktiv bei Fridays For Future, Ende Gelände, Amnesty International, Seebrücke und weiteren Gruppen.  

Der Begriff wurde 1989 von der US-amerikanischen Juristin Kimberlé Crenshaw in ihrem Aufsatz Demarginalizing the Intersection of Race and Sex erstmals genutzt und hat seitdem weltweit verschiedenste Bewegungen geprägt. „Man kann sich Intersektionalität wie verschiedene, sich überlappende Kreise, die für verschiedene Diskriminierungsformen stehen, vorstellen“, führt Sia weiter aus.  

Warum sind intersektionale Perspektiven wichtig?  

„Verschiedene Probleme existieren gleichzeitig und haben die gleichen Wurzeln und lassen sich somit nicht voneinander trennen. Daher müssen wir sie auch gemeinsam bekämpfen“, sagt Bene, aktiv bei Fridays For Future und antifaschistischen sowie antikapitalistischen Gruppen. Auch im Team selbst werden intersektionale Betrachtungen berücksichtigt. „Wir reproduzieren soziale Strukturen und Machtgefälle auch in unseren Umgang miteinander. Eine kritische Auseinandersetzung mit uns selbst ist wichtig für gute Zusammenarbeit“, meint Lucia, die sich bei Fridays For Future, Anti Kohle Kidz und Bündnis gegen Rechts engagiert. Ibo Mohamed, der bei Fridays For Future, Seebrücke und der  Mahnwache Bamberg aktiv ist, stellt aber auch klar heraus, dass eine separate Betrachtung von Themen ebenfalls wichtig ist. Rassismus beispielsweise, baut häufig auf (neo)kolonialen Strukturen auf, weshalb die gemeinsame Betrachtung sinnvoll sein kann – aber nicht immer sein muss.  „Gemeinsame Perspektiven sind zwar wichtig, aber jedes Thema hat einen eigenen historischen Hintergrund, der einzeln aufgearbeitet werden muss.“  
Er selbst flüchtete aus Syrien, lebt seit 2015 in Deutschland, und hat in beiden Ländern Rassismus erfahren. Doch die Erfahrungen und Hintergründe der Diskriminierung sind kontextabhängig – als Kurde in Syrien ist man in einer anderen Situation als Geflüchteter in Deutschland.  
 
Oft ist es für Menschen, die von intersektionaler Diskriminierung betroffen sind, schwierig, den spezifischen Diskriminierungsgrund zu isolieren. „Verschiedene Erfahrungen lösen verschiedene Emotionen aus, die miteinander verschmelzen und sich wie Normalität anfühlen, auch wenn sie es nicht sind und sein sollten, da man es sein Leben lang nicht anders erfahren hat.“ sagt Ibo. Auch Sia erzählt, dass es ihr ähnlich geht: „Ich kann mit meinem Aktivismus nicht bei einem Thema bleiben, da ich mein Leben lang Diskriminierung erfahren habe, und als queere, weibliche PoC mit einer Sprachstörung oft nicht genau sagen kann, welche Formen der Diskriminierung in eine Situation reinspielen“.  

Doch was hat das mit Klimaaktivismus zu tun?  

In der vergangenen Staffel bin ich auf verschiedene Perspektiven und Ziele der Klimagerechtigkeitsbewegung eingegangen. Und alle klimagerechten Perspektiven bauen auf Intersektionalität auf: Die ökologische Krise überschneidet sich mit existenten sozialen Ungerechtigkeiten. Das zu thematisieren und gemeinsam zu bekämpfen, ist der Grundgedanke jeder klimagerechten Perspektive, und ist somit intersektional.  
 
In der Klimagerechtigkeitsbewegung gibt es oftmals Defizite wenn es zur Umsetzung der Konzepte kommt. Lucia und Bene stellen heraus, dass der Begriff der Intersektionalität zwar oft genutzt wird, häufig aber ohne einen tatsächlichen Inhalt zu haben. Auch müssen Gruppen und Personen lernen, wann es sinnvoller ist sich erstmal nicht zu äußern, und Betroffene zu Wort kommen zu lassen und Erfahrungen nicht abzusprechen, sondern diesen Menschen zuzuhören und von ihnen zu lernen.  
In der deutschen Klimabewegung gibt es aber auch positive Entwicklungen: Sia lobt die Bewegung Ende Gelände für ihre intersektionale Arbeit, sowohl intern, als auch in der Außenkommunikation, und Ibo stellt auch bei Fridays For Future, einer Organisation, bei der viele der genannten Kritikpunkte zutrafen, in den vergangenen Monaten Fortschritte fest.  
 
Doch wie genau sehen solche intersektionalen, klimagerechten Perspektiven aus? Nächste Woche wird Gabriele Magro näher auf die Verbindungen von Antiklassismus und Klimaaktivismus eingehen.
 

Worum geht's in der dritten Staffel von „Blog, Engage, Act!“?

Die Klimakrise wirkt sich auf Menschen weltweit sehr ungleich aus und verstärkt Diskriminierungen. Gerade deshalb gilt es, Aspekte wie Klassismus, Rassismus, Sexismus, (Neo-)Kolonialismus und viele weitere Kämpfe sowohl innerhalb, als auch außerhalb der Klimagerechtigkeitsbewegungen im Blick zu behalten. 

In der dritten Staffel von Blog, Engage, Act! beschäftigen sich unsere Blogger*innen deswegen mit der Schwerpunktsetzung in Bewegungen. Was braucht es für Unterschiede und Gemeinsamkeiten? Wie schaffe ich ein Bewusstsein für die Ungerechtigkeiten in unserer Welt? Und vor allem: Wie können Betroffene in einer Welt, die von Ungleichheiten dominiert ist, zu Wort kommen? 

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