Film Julian Radlmaier: Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes

Radlmaier ©Grandfilm

Mo, 07.05.2018

19:00 Uhr

Cinéma Galeries

Filmabend mit anschließendem Gespräch

Prekär beschäftigte Apfelklauber träumen von einem „Kommunismus ohne Kommunisten“, ein junger, erfolgloser Filmemacher mischt sich unter sie, hält es aber mit der Solidarität nicht so genau, und ein Windhund trabt auf hohen Beinen in ein Premierenkino: „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ (D 2017, 99') ist eine versponnene, anspielungsreiche politische Komödie. Sie wird vom Goethe-Institut in Kooperation mit Ciné Club de l'INSAS und Cinema Galeries gezeigt. Im Anschluss an die belgische Premiere gibt es ein Gespräch mit dem Filmemacher Julian Radlmaier.

Zum Film
Die Hauptfigur, ein vergeblich auf Drehbuchförderung wartender Filmemacher namens Julian (Julian Radlmaier), wird von seinem Hartz-4-Sachbearbeiter auf eine Apfelplantage geschickt. Mit seinem Alter Ego geht Radlmaier alles andere als freundlich um. „You are quite an asshole for a communist filmmaker“, hält ihm die junge Amerikanerin vor, in die er sich verliebt hat und die er mit salonrevoltionären Sprüchen zu beeindrucken sucht, und Recht hat sie. Wenn die Apfelklauber einen Streik erwägen, ist Julian feige. Wenn sich die Arbeiter zu einem Kollektiv zusammenschließen und die Plantage in Eigenregie führen, schmollt er. Wenn sie den ersten Erntetag gemeinsamen feiern, zieht er seinen Rollkoffer durchs Brandenburger Gras, ohne sich auch nur zu verabschieden. In einer ironischen Volte ist er es, der den größten Mehrwert produziert, da er aus seinem Intermezzo als Apfelklauber Stoff für einen Film gewinnt. Julian, der Filmemacher, ist mindestens so sehr Symbolkapitalist wie die garstige Plantagenvorsteherin Realkapitalistin ist.
Das Schöne an „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ ist, dass der Film seiner Hauptfigur ins Wort fällt, da er an ein Wunder glaubt. Und dass er ein historisches Bewusstsein hat: Wenn die Apfelklauber im brandenburgischen Nirgendwo die Internationale anstimmen, dann sind sie sich der Tatasache bewusst, dass es Gulags gegeben hat. Julian Radlmaier wiederum ist sich des Umstands bewusst, dass er auf ein reiches Repertoire an Motiven und Fiktionen zurückgreifen kann, in denen sich die fiktiven Pendants „kleiner Leute“ durch List und Tücke zu behaupten suchen: Deadpan und die Bremer Stadtmusikanten, Slapstick und andere Effekte des frühen Kinos, Kafkas „Der Verschollene“ und Cervantes’ „Don Quijote“. Der Anspielungsreichtum von „Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes“ hat auch damit zu tun, dass der utopische Fluchtpunkt, der bei Buster Keaton oder Charlie Chaplin aufscheint, von den Zeitläuften nicht in dem Maße ramponiert wurde wie marxistische Theorie.


Julian Radlmaier ©privat Zum Regisseur Julian Radlmaier
Julian Radlmaier, geboren 1984, lebt und arbeitet in Berlin. Er studierte Regie an der dffb. 2014 drehte er „Ein proletarisches Wintermärchen“. Sein Abschlussfilm "Selbstkritik eines bürgerlichen Hundes" feierte auf der Berlinale 2017 Premiere
 

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