Von Sozialkritik und abstrakten Experimenten: Bauhaus Filmabend

Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich? © Richard Paulick

Mo, 02.12.2019

19:00 Uhr

BOZAR

Vor 100 Jahren begann mit der Gründung des Bauhauses in Weimar die Geschichte der wohl berühmtesten deutschen Kunsthochschule. Im Rahmen des Jubiläums zeigen das Goethe-Institut Brüssel und BOZAR Cinéma eine Auswahl an Filmen, die im Umfeld des Bauhaus entstanden sind. Der Abend beleuchtet so einen bislang wenig bekannten Aspekt des Schaffens am Bauhaus.

Das Bauhaus wollte die traditionelle Trennung der bildenden, angewandten und darstellenden Künste mittels interdisziplinären Arbeitens aufheben. Der Blick über die Grenzen der einzelnen Disziplinen und Einzelmedien hinaus sollte inspirieren und neue Werksformen ermöglichen. Die Künstler*innen des Bauhauses hofften auf Innovationen durch diese Überlagerung mehrerer Künste.

Die Vermittlung des Films im Rahmen der visuellen Künste, gilt beispielhaft für das am Bauhaus entwickelte Konzept. Der Bauhausprofessor László Moholy-Nagy erkannte schon früh wie sich hier eine Kunst entwickeln kann, die sämtliche Bildformen integriert. Er schrieb: „Man kann nicht mehr die Malerei, die Fotografie, den Film und das Lichtspiel eifersüchtig voneinander trennen.“ Die Aktualität dieses Denkens ist verblüffend. Die Projektion im reinen Kinosaal ist heute längst durch Vorführungen in Galerien, Theatern, Museen, Kneipen, im Internet, Installation und auf mobile Präsentationsgeräte erweitert worden.

Obwohl eine erstrebte „Versuchsstelle für Filmkunst“ nicht zustande kam, haben insbesondere die drei Bauhaus-Meister Walter Gropius, László Moholy-Nagy und Oskar Schlemmer Filme und Lichtprojektionen geschaffen. Zusammen mit den Filmen des Assistenten Richard Paulick und 13 Bauhaus-Schüler*innen entstand so ein umfangreicher Bauhaus-Filmkorpus. Die Filme können folgenden drei thematischen Schwerpunkten zugeordnet werden: Reformerische Architekturfilme, Sozialkritische dokumentarische Reportagen, abstrakte Filmexperimente.

Der Filmabend im Bozar präsentiert eine Auswahl von Filmen aus allen drei Bereichen. Der Filmkurator und Bauhausexperte Thomas Tode wird an dem Abend anwesend sein und in französischer Sprache eine Einführung in die Filme geben.
 
Programm

Wie wohnen wir gesund und wirtschaftlich? Teil 4: Neues Wohnen (Haus Gropius) (D 1926/28, 21‘, Richard Paulick), stumm
Der Film beginnt mit acht zum Teil ineinander geblendeten Einstellungen des Bauhaus-Schulgebäudes. Anschließend werden die Meisterhäuser der Bauhaus-Professoren in zwei langen, von der Straßenseite her aufgenommenen Fahrtaufnahmen gezeigt. In seinem Hauptteil stellt der Film das in der Siedlung Törten angewandte Bauverfahren vor. Im Stil eines Industriefilms zeigt er einzelne Arbeitsschritte, verdeutlicht diese in Nahaufnahmen und erklärt sie in den Zwischentiteln.

Alter Hafen in Marseille (Marseille Vieux Port) (D/F 1929/32, 9’, Laszló Moholy-Nagy), stumm
Das alte Hafenbecken als Ort des sozialen Zusammenlebens wird erkundet: Kinder dösen in der Sommerhitze, Arbeiter schleppen Säcke die Treppen hinauf, ein Rinnsal ergießt sich hinab, zäh und als greller Lichtkegel.

Berliner Stilleben(D 1931, Lászlo Moholy-Nagy, 9') stumm
Lászlo Moholy-Nagy steigt auf den Berliner Funkturm und blickt hinunter auf seltsame Muster aus Menschen und Straßenbahnschienen, fährt mit der Tram zu den proletarischen Stadtvierteln mit ihren Mietskasernen. Die Kamera registriert schonungslos die Armut und die katastrophale Hygiene, wertet aber nicht.

Fliegende Händler (D 1932, 21’, Ella Bergmann-Michel)
Ella Bergmann-Michel begleitet eine illegale Arbeitslosenselbsthilfe, die subversiv Widerstand leistet. Als ambulante Händler verkaufen sie auf der Straße Fallobst, stets auf der Flucht vor der Obrigkeit.

Gretchen hat Ausgang (D 1932/33, 6‘, Ellen Auerbach), stumm, Bertolt Brecht (D 1936, 1‘, Ellen Auerbach), stumm
Die mit dem Bauhaus verbundene Fotografin Ellen Auerbach drehte in ihrer Freizeit private Videos. Gretchen hat Ausgang begleitet ihre Freundin Grete Stern im Alltag. Die Porträtaufnahmen von Bertolt Brecht entstanden bei einem Besuch in London auf Wunsch von Brecht.

Oskar Schlemmer: Bühnenballett (D 1922/67, 3‘, Oskar Schlemmer), stumm
Aufnahme einer Szene des legendären triadischen Ballets von Oskar Schlemmer.

Komposition I/1922 (D 1922/77, 2’, Werner Graeff), stumm; 
Komposition II/1922 (D 1922/59, 3‘,Werner Graeff), stumm
Beide Filme arbeiten mit überschaubar wenigen bewegten Elementen. Diese Reduktion ist typisch für Graeffs Filmarbeiten. Aus Zeit-und Kostengründen konnte Graeff den schwarz-weißen Entwurf Komposition II/1922 erst 1958/59 mit seinen Studenten an der Essener Folkwang-Werkkunstschule an einem selbstgebastelten Tricktisch ausführen und die mit farbigen Quadraten arbeitende Komposition I/1922  erst 1977.

Lichtspiel Schwarz-Weiss-Grau (D 1930/32, 5‘, Laszló Moholy-Nagy), stumm
Es bewegen sich glitzernde, durchlochte Metallobjekte, z.T. mehrfach übereinander kopiert, in Licht und Schatten und schaffen ein Gedicht aus Licht. Über 100 Glühbirnen leuchten in einem vorher festgelegten Takt auf und projizieren Licht mithilfe einer perforierten Lochwand, Gittern, gedrechselten Stäben und Scheiben.

Gesamt: 79‘

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