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Michael Ebmeyer

Michael Ebmeyer
Foto: © Michael Ebmeyer

Michael Ebmeyer, geboren 1973, lebt in Berlin. Er ist Autor mehrerer Romane und anderer Bücher und Übersetzer aus dem Spanischen, Englischen und Katalanischen. Als Texter, Sprecher und Gitarrist war er Mitglied der Literatur-Boygroup Fön. In den letzten Jahren war Bolivien ein Schwerpunkt seiner journalistischen Arbeit. Sein Roman »Der Neuling« wurde als »Ausgerechnet Sibirien« fürs Kino verfilmt. Sein Roman »Landungen«, von Rery Maldonado unter dem Titel »Arribos« ins Spanische übersetzt, ist eine abgründige Familiengeschichte über deutsche Lateinamerika-Auswanderer.
 


Was war das ausschlaggebende Motiv für die Wahl des Themas Deines Romans „Landungen“? 

Einige Vorfahren von mir wanderten um 1860 nach Argentinien aus. Sie hatten kein Geld, aber Glück, und so konnten sie zusammen mit Partnern in der Provinz Santa Fe eine Estancia namens »Los Leones« aufbauen. Ein Teil der Estancia blieb bis wenige Jahre vor meiner Geburt im Besitz meiner Familie mütterlicherseits.
Es waren Schriftstücke und Tagebücher dieser Emigranten der ersten Generation, die mich auf die Idee zu »Landungen« brachten. Allerdings erzählt der Roman nicht ihre Geschichte, sondern eine fiktive Handlung um ausgedachte Figuren und zu Themen, die mich persönlich umtreiben. Dabei ist der Argentinien-Bezug meiner Familie nur der Ausgangspunkt, der Roman geht seine eigenen Wege. Auf drei Zeitebenen – die Generation der Auswanderer, die Generation, die 100 Jahre später die Estancia verkauft, und ein junger, verwirrter Nachfahre, der anfängt, die argentinische Geschichte seiner Familie zu erforschen – verhandelt er migratorische Identitäten, symbolische/seelische Erbteile und Konzepte des »Normalen« und des »Gestörten«.
Der Auszug, den meine Übersetzerin Rery Maldonado für diese Präsentation vorgeschlagen hat, spielt nicht in Argentinien, sondern geht dem Estancia-Verkauf voraus und erzählt eine Liebesgeschichte im Deutschland des Jahres 1969.
 
Was hat Dein Augenmerk auf Südamerika gelenkt, und was sind heute die entscheidenden Gründe für Dein Interesse an dieser Region? 
 

Mit dem Verkauf von »Los Leonoes« Anfang der 1970er-Jahre ging meiner Familie jede Bindung nach Lateinamerika verloren. So wurde aus meinem Wunsch, diesen Teil der Familiengeschichte zu erkunden, eine Art Neuanfang der Beziehung. Ich hatte viel Zeit in Spanien, vor allem in Katalonien verbracht, was in meinen ersten Büchern und anderen Veröffentlichungen seine Spuren hinterließ. Es folgte eine Zeit, in der es mich vor allem nach Russland zog. Zugleich aber wuchs meine Neugier auf Argentinien. Als ich mir dann endlich die Recherchereise für meinen Roman »Landungen« organisieren und finanzieren konnte, hat mich das Land tief berührt. Und als einige Jahre später der wieder aufgelebte Kontakt mit der wunderbaren Rery Maldonado es mir ermöglichte, nach Bolivien zu reisen, war ich nicht nur bezaubert: In Bolivien habe ich mich sogar heftig verliebt.
 
Was muss aus Deiner Sicht getan werden, um den Literaturaustausch zwischen Deutschland und Bolivien nachhaltiger zu gestalten? 
 
Am wichtigsten finde ich, die Kanäle des Austauschs zu stärken. Ein Netz der gegenseitigen Verbreitung und Inspiration zwischen bolivianischer und deutscher Literatur wird ja gerade erst aufgebaut. Entscheidend sind dafür vor allem die Übersetzer*innen: Ihre Kunst bildet die Grundlage für den Austausch, sie sollte allgemein viel mehr gewürdigt und gefördert werden.
In beiden Ländern müsste der Kreis von Schriftsteller*innen und Vermittler*innen erweitert werden, die den Dialog anregen und pflegen. Man sollte darauf achten, dass die Projekte nicht allein in den Händen der »üblichen Verdächtigen« bleiben, die vielleicht seit Jahren Kontakte zwischen Deutschland und Lateinamerika organisieren, aber nicht speziell zwischen Deutschland und Bolivien. Der Austausch wird blühen, wenn die Organisator*innen mit ihrer Begeisterung und Neugier die Begeisterung der Autor*innen und Übersetzer*innen die Neugier des Publikums wecken. 
 

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