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Filmkritik | Berlinale Blogger*innen
„Seven Veils“: Vorhang zu

Seven Veils
© Amanda Matlovich / Headless Films Inc.

„Seven Veils“ ist der jüngste Spielfilm des produktiven kanadischen Regisseurs Atom Egoyan. Das Werk wurde 2023 auf dem Toronto International Film Festival uraufgeführt, bevor es 2024 auf den 74. Internationalen Filmfestspielen in Berlin gezeigt wurde.

Von Félix Dufort und Alicia Salvucci

Der Film folgt der Geschichte der Regisseurin Jeanine (Amanda Seyfried), die die Aufgabe hat, eine Neuinterpretation der Oper Salome zu leiten, die zuvor von ihrem Theaterlehrer inszeniert wurde, einer ungesunden Vaterfigur, zu der sie eine Liebesbeziehung hatte. In diesem kreativen Prozess zieht Jeanine Inspiration aus ihrer traumatischen Beziehung zu ihrem leiblichen Vater, um ihre Arbeit zu vollenden. Inzest ist wieder wie in vielen Filmen Egoyans wie Exotica (1994) und The Sweet Hereafter (Das süße Jenseits) (1997) Thema.

Eine großartige Schauspielerin und eine ausgezeichnete Inszenierung

Die größte Stärke des Films ist definitiv sein visueller Aspekt. Die Theaterkulissen sind beeindruckend und kommen dank der Kinematografie gut zur Geltung. Das liegt daran, dass Egoyan selbst die Oper Salome acht Mal inszeniert hat, das erste Mal 1996 und das letzte Mal 2023 für die Canadian Opera Company of Toronto. Bei dieser Gelegenheit hat er übrigens auch die Theaterszenen des Films gefilmt. Ein zweiter Aspekt des Films, der sehr gut gelungen ist, ist die Leistung der Hauptdarstellerin Amanda Seyfried. Sie gibt sich viel Mühe mit ihrer Darstellung und schafft es, die Komplexität von Jeanines Gefühlen und den Handlungsbogen, den sie im Laufe der Geschichte durchläuft, zu zeigen. Man merkt auch, dass sie sich selbst völlig in die Rolle hineinversetzt hat, wahrscheinlich, weil sie mit Egoyan bereits bei Chloé (2009) zusammengearbeitet hatte, einem anderen Film, in dem es um problematische romantische Beziehungen geht.

Große Schwächen

Trotz dieser Stärken hat Seven Veils dennoch einige Schwächen, die dem Film sehr schaden. Die größte Schwäche ist die Art und Weise, wie das Thema Vergewaltigung behandelt wird. Dieses Thema ist in der Tat zentral für die Geschichte, da mehrere Charaktere, darunter auch Jeanine, davon betroffen sind. Leider wird dieses Thema trotz der Tatsache, dass es auf originelle Weise dargestellt wird, schlecht genutzt. Ein so beunruhigendes Thema muss mit Feingefühl und Vernunft behandelt werden, doch der Regisseur sagt nichts Tiefgründiges dazu, sondern reduziert es auf einen narrativen Kunstgriff wie in anderen seiner Filme. Außerdem ist ein ernsthaftes Versäumnis bei der Umsetzung des Drehbuchs festzustellen. Obwohl das Konzept ungewöhnlich und vielversprechend ist, erreicht die Geschichte nie ihr volles Potenzial und das Schreiben wirkt unsorgfältig, so dass man allzu oft den Eindruck hat, einer Videoaufzeichnung der Oper beizuwohnen. Dieser Eindruck verstärkt sich zum Ende hin, welches den Erzählbogen der Figuren, die außer Jeanine alle substanzlos sind, schlecht abschließt.

Letztendlich ist Seven Veils ein Film, der mit seinem originellen Konzept, der überzeugenden Präsenz von Amanda Seyfried und Egoyan als Regisseur viel zu bieten hatte. Aber es gab auch andere Filme, die sich mit ähnlichen Themen befassten. Der hervorragende Film Women Talking (2022) beispielsweise hätte es mehr verdient, gesehen zu werden.
 

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