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Monika Dietl
„Shut up and dance“

Monika Dietl
Monika Dietl auf Sendung mit Adamski und Seal | Verwendung mit freundlicher Genehmigung der Künstlerin

Die Radiosendung von Monika Dietl aka Moni D beim SFB war in den frühen 90er Jahren für viele ein Wegweiser in die damals noch junge Berliner Technoszene.

Unten auf dieser Seite Ausschnitte aus Monika Dietls Sendung „Big Beat“.

In den frühen 90er Jahren waren Mobiltelefone und Internet noch kein Thema. Man rief sich an, besuchte sich spontan, oder verabredete sich im Voraus. Aber wie funktionierten Veranstaltungsankündigungen, die kurzfristig erfolgten, oder sogar nicht unbedingt für die breite Öffentlichkeit gedacht waren? Der direkteste Weg waren Live-Radiosendungen, gemacht von Leuten aus der Szene für Leute in der Szene. Monika Dietl aka Moni D war eine von ihnen. Ihre Radiosendungen Big Beat und SFBeat für den Sender SFB (Sender Freies Berlin) waren für viele damals der Wegweiser in die junge Berliner Technoszene, insbesondere in Ostberlin, wo ihre Sendungen vor dem Mauerfall oft die einzige Möglichkeit waren, die neue Musik zu erleben. Bekannt wurde Monika Dietl auch durch ihren Slogan „Shut up and dance“.

Ich fand es immer blöd, zweimal dasselbe zu machen

Beschreib doch mal bitte, wie damals so eine Sendung beim SFB abgelaufen ist.

Monika Dietl Monika Dietl | privat Monika Dietl: Wir hatten beim Radio richtige, analoge Plattenspieler und die konnten eigentlich nur eins richtig gut: Schnell anlaufen, so von null auf 100 in einer Sekunde. Aber man kann damit nicht mixen. Ich bin nicht der große DJ, was damit jedoch auch gar nicht gegangen wäre. Das heißt, man musste viel tricksen. Das hat total Spaß gemacht. Am Ende hatte man 1000 kleine Schnipsel, und die mussten irgendwie zusammen gemischt werden. Du musst dir das so vorstellen: Ich sitze vor einem großen Mischpult. Ich habe außerdem mein Mikro, eine Jingle-Maschine [Abspielgerät für Tonschnipsel/Samples. Anm.d.Red.], CD- und Plattenspieler, und die muss ich alle gleichzeitig bedienen. Was auf Bändern ist, macht die Technik von draußen, das kann man im Studio nicht. Das Abfahren dieser Bänder musste ich durch die Glasscheibe zum Technikraum mit Handzeichen anweisen. Um das zu umgehen, habe ich mir dann mir ganz viele Jingle Maschinen machen lassen, mit denen ich einzelne Sounds selber einspielen konnte. Über die Technik war es einfach zu langsam.

Du hast also viel selber gemacht?

Ich habe alles selber gemacht. Alles. Da gibt es keine Hilfe. Die meisten Radioleute machen es sich leicht. Die setzen sich nur hin, moderieren kurz an und fahren dann irgendwelche Platten ab, die sie zehn Minuten vorher zusammengesucht haben. Das geht auch. Aber das ist halt nicht mein Ding. Ich fand es immer blöd, zweimal dasselbe zu machen oder dasselbe zu sagen. Es ist schon vorgekommen, dass eine Platte in zwei Sendungen gelaufen ist, wenn ich sie ganz toll fand. Aber im Prinzip war es jedes Mal ein brandneues Programm. Man muss sich eben jedes Mal etwas anderes einfallen lassen.

Man musste also auf viel Technisches achten…
 
Ja, Radiostationen haben auch diese schrecklichen Dinger namens Kompressor und Limiter. Wenn man zum Beispiel Sachen mit Sub Bass spielt, dann springt der Compressor genau dann an, wenn der Bass kommt und drückt alles weg. Das ist genau die Stelle im Song, an der außer Bass wenig passiert, damit man eben den Subwoof genießen kann.  Für die Leute an den Geräten hörte sich das wie ein Loch in der Sendung an. Die dachten, ich habe einen Fehler gemacht.

ein „Wir-Gefühl“

Hast du die Platten selber gekauft?
 
Das hat den Großteil meiner Arbeit ausgemacht. Nie hat man gekriegt was man wollte, oft nicht mal bei Hard Wax. Außerdem ist das alles später ein echtes Wettrennen geworden, weil jeder der erste mit dem neuen Shit sein wollte.

Hast du gemerkt, dass du irgendwann Sprachrohr für die Techno Bewegung warst?

Ja, von Anfang an, weil man schon gewusst hat, dass wir alle die gleichen Sachen hören. Man kannte sich von den Partys und die Moderation war voll von kleinen Anspielungen, die wahrscheinlich nur die Eingeweihten verstanden haben. Das war schon ein „Wir-Gefühl“.

Was für eine Anspielung zum Beispiel?

Zum Beispiel wie eine Party war oder wie lang es gegangen war. Oder ich habe einen Hinweis auf die letzte oder die nächste Party gegeben.

Kannst du dich an besondere Gäste erinnern?

Ich hatte viele Gäste. Aber Aphex Twin war super. Er war relativ früh in seiner Karriere bei mir in der Sendung. Eine wahnsinnige Gestalt. Er ist ja nach wie vor als Komponist unerreicht. Er hat mir erzählt, wie er seine Instrumente zusammenbaut und auf der Müllhalde nach Teilen sucht, aus denen er dann seine Instrumente bastelt oder diese modifiziert. Außerdem wird mir das Interview immer in Erinnerung bleiben, weil es sehr schwierig war. Er war damals noch wie ein kleiner Junge aus Wales, auch ein bisschen scheu, aber ein absoluter Künstler, ein Besessener. Bei Derrick May war es lustig, was in der Sendung passiert ist. Er wollte mich unbedingt davon überzeugen, dass ich Kinder kriegen muss. Irgendwie sind wir auf das Thema Sex gekommen. Und dabei ist rausgekommen, dass ich keine Kinder will. Er hat nur gesagt: „Oh no, you gotta have Kids!“ Das war sehr lustig.

einfach alle Regeln gebrochen

Hast du von anderen Leuten aus der Szene mitbekommen, dass deine Sendung ein Sprachrohr für Techno war?

Ja, natürlich. Das habe ich laufend gehört. Auch später noch. Ich war danach lange in San Francisco. Gleich nachdem Radio 4U zu Ende war, habe ich mich mit einer Kollegin um eine freie Frequenz beworben. Wir dachten, vielleicht haben wir eine Chance, eine eigene Radiostation aufzumachen. Dann haben wir uns beim Medienrat beworben. Wir mussten 13 Mappen einreichen. Das war wahnsinnig viel Arbeit. Den Zuschlag haben wir leider nicht bekommen. Eine Freundin hatte mich dann nach San Francisco eingeladen. Da bin ich praktisch hängengeblieben und war dann auch wahnsinnig froh, dass ich ein anderes Leben führen konnte, dass ich einfach ich selber sein kann. So habe ich mein altes Leben total vergessen. Als ich zehn Jahre oder später wieder in Berlin gestrandet bin, weil mein Visum in den USA ausgelaufen war, ist es mir wahnsinnig aufgefallen. Sogar wenn ich ein Taxi bestellt habe, hieß es: „Die Stimme kenne ich doch!“ Wenn ich in einen Club gegangen bin, haben die Leute gesagt: „Was, die Monika Dietl? Das bist du? “ Laufend! Ich wusste gar nicht, was los war. Sogar Leute wie Modeselektor haben mich erkannt, oder der wahnsinnige Ulrich Schnauss. Das hat mich wirklich umgehauen, weil er ein großartiger Musiker ist und ich ein großer Fan von ihm war. Er hat mir gesagt, dass er wegen mir angefangen hat, Musik zu machen.

Ihr habt ja an der Quelle gesessen, was die neuen Platten anging. Habt ihr auch Partys in deinen Sendungen mit den Gästen gemacht?

Das geht nicht beim SFB. Da kommst du nicht rein ohne Ausweis. Man braucht einen Gastausweis. Trotzdem kamen oft auch Gäste mit Begleitung. Bei der letzten Sendung haben wir einfach alle Regeln gebrochen. Das Studio war mit Freunden von mir voll, wie zum Beispiel Kid Paul und Ellen Alien. Wir haben ein bisschen über die Stränge geschlagen und randaliert. Das war klasse. Wir haben es richtig zelebriert, dass es ist die letzte Sendung ist und uns alle gefreut, dass jetzt eine neue Zeit anfängt!

Wussten die Leute aus Detroit über die Sendung Bescheid?

Ja klar, die kannten die Sendung wahrscheinlich über den Tresor und einige habe ich ja sogar interviewt. Später hat mir Derrick May auf einem Rave in Oakland gesagt, wie wichtig er die Sendung fand. Diese Berlin-Detroit Connection ist aus einem großen gegenseitigen Respekt geboren und dann organisch gewachsen. 
 

„big beat“ bei „radio 4 u“ (SFB)

Moderation: Monika Dietl

24. August 1991: Underground Resistance
 

26. Dezember 1992: Cybersex
 

28. März 1992 mit Derrick May
 

31. Oktober 1992
 

© Alle Auszüge verwendet mit freundlicher Genehmigung des SFB/RBB.

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