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Studio Berlin Berghain
Willkommen im Kunst-Club

Es sind keine guten Zeiten, weder für die Kunstszene noch für Clubs. Die Boros Foundation und das Berghain hatten sich vergangenes Jahr zusammengetan und den verwaisten Techno-Club zum Ausstellungsraum gemacht. Die Ausstellung ist längst wieder geschlossen. Aber man kann im Ausstellungskatalog schmökern.

Von Holger Moos

Studio Berlin Berghain Distanz Seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie ist es vorbei mit Feiern und Tanzen im Berghain. Dieser Leerstand führte zu etwas, das man Zwischennutzung nennt – wobei der temporäre Charakter dieses Konzepts schneller deutlich wurde, als es den Initiator*innen lieb war. Am 9. September 2020 öffnete eine große Kunstausstellung im Berghain. Mit dem zweiten Lockdown im Dezember 2020 war es dann schon wieder vorbei damit.
 
Initiiert wurde diese Ausstellung von dem Sammlerpaar Karen und Christian Boros sowie der Kuratorin Juliet Kothe. Weil das Berghain sich in einer in einem ehemaligen Fernheizwerk in der Nähe des Berliner Ostbahnhofs befindet, gab es Platz genug für ein größeres Event.

symbolisch aufgeladener Raum

Der Club war für dieses Vorhaben als symbolisch aufgeladener Raum prädestiniert, als „Ort der ganz persönlichen Freiheit, wo dann eben die ganze individuelle Freiheit gelebt werden kann. Ein Heimatort für Selbstbestimmtheit“, wie Christian Boros den Mythos des legendären Techno-Clubs in einem Beitrag von Deutschlandfunk Kultur definiert.
 
Studio Berlin heißt die Ausstellung und will eine Momentaufnahme der künstlerischen Produktion Berlins sein. 118 Künstlerinnen und Künstler nehmen an diesem Gemeinschaftsprojekt teil, darunter große Namen wie Nobert Bisky, Isa Genzken, Ólafur Elíasson, Rosemarie Trockel, Wolfgang Tillmans. Aber auch bisher eher unbekannte Kunstschaffende, die noch von keiner Galerie vertreten werden, sind mit dabei. Es sei eine „betont unkuratierte Schau“, schreibt Boris Pofalla in der Welt. Zudem gibt es  wenig Kontext. Die Künstler*innen haben zu ihren Werken – wenn überhaupt – nur kurze Erläuterungen beigesteuert, maximal ein paar Absätze, manchmal ein Gedicht, manchmal lediglich einen Satz.

Bezug zur Umgebung nur zu erahnen

Im Berghain herrscht ein striktes, fast schon sakrosantes Fotoverbot. Also gab es vor den geführten Ausstellungsbesuchen erst einmal Taschenkontrollen. Kameras waren nicht erlaubt, Handy-Kameras wurden abgeklebt. Auch die Abbildungen im gleichnamigen Ausstellungskatalog Studio Berlin beachten dieses Abbildungsverbot: Auf den Fotos sind nur die Kunstwerke scharf gestellt, der Hintergrund, also die jeweilige Umgebung im Club, ist so verschwommen, wie man das zur Genüge aus Online-Meetings kennt. Bei vielen Gemälden oder Fotos stört das wenig, bei einigen anderen Kunstwerken, insbesondere bei Installationen oder Objekten, ist es natürlich schade, dass man den Bezug zur Umgebung nur erahnen kann.
 
Es gab bereits vor dieser Ausstellung Kunst im Berghain. Die Abbildungen dieser Kunst ließen den Hintergrund nicht verschwimmen, wie etwa in dem Kunstband Berghain. Kunst im Klub (2015). Aber sei's drum, Studio Berlin bietet in jedem Fall einen breiten und diversen Einblick in die Berliner Kunstszene – mit Künstler*innen aus aller Welt. Da nimmt man den Schutz der Privatsphäre des Clubs gerne in Kauf, zumal wir uns derzeit ja auch nur in der Sphäre des exklusiv Privaten aufhalten können. Und irgendwann darf man die Kunstwerke hoffentlich wieder mitsamt ihrer Umgebung sehen.
 
Rosinenpicker © Goethe-Institut / Illustration: Tobias Schrank Studio Berlin. Berghain (Englisch/Deutsch)
Berlin: Distanz, 2020. 480 S.
ISBN: 978-3-95476-369-6

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