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Dimani Mathieu Cassendo

ist Autor*in und Illustrator*in. DM Cassendos Werk wurde im April 2019 im Musée National des Beaux-Arts de Québec im Rahmen der Ausstellung Fugitifs! und im Oktober 2019 im Rahmen des Festivals Québec en toutes lettres in der Ausstellung Ceci n'est pas une Pub gezeigt. Cassendo arbeitet eng mit dem Espace de la Diversité zusammen, einer gemeinnützigen Organisation, deren Ziel es ist, der Arbeit von Autor*innen aus vielfältigen ethnischen Gemeinschaften mehr Einfluss und Sichtbarkeit zu verleihen.

Dimani Mathieu Cassendo© Dimani Mathieu Cassendo
Dimani Mathieu Cassendo - Versöhnung© Dimani Mathieu Cassendo

"Einen Konflikt durchzustehen, ... bringt der Seele Frieden."

Kannst du uns sagen, was du mit deinem Werk vermitteln wolltest? Was waren die Inspirationen und Ideen, die bei der Schaffung des Werkes ausschlaggebend waren?
 
Dieser Comic ist von meinen eigenen Erfahrungen inspiriert. Lesbisch und schwarz zu sein, ist selbst im Westen nicht einfach. Als meine Eltern nach Kanada einwanderten, hatten sie auch Lügen über Homosexualität im Gepäck, die ich schon in sehr jungen Jahren zu hören bekam. Ohne es zu wissen, waren sie gegen die schiere Idee meiner Existenz, während sie doch zu meinem Lebensunterhalt beitrugen.
Als sie von meiner sexuellen Orientierung erfuhren, kam es zu einem Zusammenstoß. Eine Menge Missverständnisse und Traurigkeit. Mein Coming-out verlief anders als in diesem Comic. Aber ich wollte auf irgendeine Weise die Etappen des Prozesses aufzeigen, die Menschen wie meine Eltern durchlaufen: von der Unterdrückung in dem Herkunftsland, das sie verlassen haben, bis hin zur Akzeptanz ihres eigenen Kindes

Warum ist das Thema der Versöhnung für Dich wichtig?
 
Für mich bedeutet Versöhnung persönliches Wachstum. Einen Konflikt durchzustehen, damit alle Parteien miteinander auskommen können, bringt der Seele Frieden. Das Schlüsselwort ist "miteinander auskommen". Die beiden Gruppen begreifen oder teilen nicht unbedingt dieselben Ansichten.

Zu Beginn meines Lebens glaubte ich verstanden zu haben: Wenn ein Mensch meine Meinung nicht teilt, dann deshalb, weil er gegen mich ist. Der Unterschied musste sehr heftig aufgenommen und als Ungehorsam gegenüber der gesellschaftlichen Ordnung empfunden werden. Meinungsverschiedenheiten werden in diesem Zusammenhang als ein persönlicher Angriff angesehen.

Ich habe das Gefühl, dass wir uns oft auf Kosten anderer, aber auch auf Kosten unserer eigenen psychischen Gesundheit Recht geben wollen. Es ist wirklich eine Schande. Das Hinterfragen der eigenen Denkmuster kann zu Überlegungen führen wie: Warum mache ich mir Sorgen wegen X? Verursachen die Glaubenssätze, die ich perpetuiere, Verletzungen oder Fortschritte? Ich möchte in einer Welt der Akzeptanz leben, in der man sich für kritisches Denken ausspricht. Ich glaube, dass es dafür unerlässlich ist, in sich hineinhören zu können, festzustellen, welche Ideen überholt sind, und sich selbst Wachstum zuzugestehen.

Wie war der kreative Prozess bei der Schaffung dieses Kunstwerks? Planst du viel im Voraus, und entsteht erst der Text oder die Illustration oder umgekehrt? Welche Medien und Methoden hast du angewendet?
 
Wenn ich eine Botschaft in einem Comic mitteilen möchte, gehe ich an das Projekt wie an die Lösung eines Problems heran. Wie kann man ein schweres Thema zugänglich machen und der Lektüre eine gewisse Leichtigkeit sowie Raum für Ästhetik und Humor lassen? Mein Ziel ist es, die notwendigen Informationen auf einem einzigen Blatt zu bannen, ohne zu viel zu sagen. Ich finde Comics langweilig, die die Leserschaft an die Hand nehmen (ich erlaube mir, das zu sagen, weil ich das in der Vergangenheit selbst oft gemacht habe).
Zuerst habe ich eine ungefähre Idee im Kopf. Hier dachte ich an den haitianischen LGBTG+ Aktivisten Charlot Jeudy, der im November 2019 umgebracht wurde. Es war wichtig, über seinen zu frühen Tod zu sprechen, um den Kontext des Landes meiner Eltern zu umreißen. Das Ganze hatte außerdem mit der Akzeptanz der Eltern zu enden.

Ich habe mehrere verschiedene Texte geschrieben. Ich bin nämlich dahinter gekommen, dass Try and Error die beste Art zu arbeiten ist. Anfangs hatte ich lange Absätze, die dann in jeder neuen Version komprimierter wurden. Am Schluss hat es sich so ergeben, dass die endgültige Fassung ganz ohne Text am wirkungsvollsten war.

Was wäre sonst noch wichtig in Zusammenhang mit deinem Werk zu wissen?

Es ist heikel, über Homophobie zu sprechen, wenn man aus einem so genannten Dritte-Welt-Land stammt. Da kommt ganz schnell Rassismus ins Spiel: Die Idee, dass die dortige Bevölkerung im Vergleich zu Nordamerikanern und Europäern unmoralisch sei, weil ein Gutteil der Bevölkerung und der Regierung Homophobie unterstützt. Diese Idee hält sich trotz der Angriffe und Ungerechtigkeiten gegenüber weißen LGBTQ+-Brüdern und –Schwestern, die weiterhin passieren.

Diese Arbeit versteht sich nicht als ein Angriff auf ein spezifisches Land und seine Anti-Homosexuellen-Maßnhamen. Thema ist vielmehr die Art und Weise, wie sich die Beziehung zwischen migrierten Eltern und ihren homosexuellen Kindern verbessert hat.

mehr Über Dimani Mathieu Cassendo

Dimani Mathieu Cassendo ist Autor*in und Illustrator*in. Im September 2016 lädt das Festival des Films Black de Montréal Cassendo ein, seine/ihre Malereien im Rahmen der Ausstellung Black Fem’Art zu präsentieren. Zwei Monate später wird Cassendos erstes Science-Fiction-Album La Petite Suceuse veröffentlicht. Mit La BD Annuelle sur le Racisme (2017), von dem einige Auszüge in einer Broschüre der Zeitschrift Droits et Libertés veröffentlicht wurden, wendet sich Cassendo wieder dem Webcomic zu.

Cassendos Illustrationen werden in der Maison d'Haïti im März 2018 anlässlich der Anti-Rassismus-Gala ausgestellt. Ironischerweise wird eines seiner/ihrer Plakate, das eine lächelnde schwarze Person zeigt und für den Wahlkampf von Québec-Solidaire 2018 gezeichnet wurde, Gegenstand einer Kontroverse über Schwarzen-feindlichen Rassismus (hihi). Im April 2018 zeigte Cassendo seine/ihre erste Einzelausstellung Le jour où j'ai arrêté de faire semblant.

In letzterer geht es um den Strudel, in dem Negritude, Homosexualität und eine gegen das Selbst gerichtete Politik durcheinander wirbeln. Cassendos Werk wird außerdem im April 2019 im Musée National des Beaux-Arts de Québec im Rahmen der Ausstellung Fugitifs! und im Oktober 2019 im Rahmen des Festivals Québec en toutes lettres in der Ausstellung Ceci n'est pas une Pub gezeigt.

Cassendo produziert zwei Comic-Strips für die Semaine du développement international in Zusammenarbeit mit der Association québécoise des organismes de coopération internationale (AQOCI): Les Femmes de Saba (2019) und Ère Mère Terre (2020). Cassendo arbeitet eng mit dem Espace de la Diversité zusammen, einer gemeinnützigen Organisation, deren Ziel es ist, der Arbeit von Autor*innen aus vielfältigen ethnischen Gemeinschaften mehr Einfluss und Strahlkraft zu verleihen.

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