Nachwuchsförderung in Deutschland
Junge Dokumentarfotografie und Fotojournalismus

In Zeiten der Bilderflut im Internet hat es die junge Generation in der Fotografie schwer, aus der Menge herauszustechen. Ein Blick auf die Nachwuchsförderung in Deutschland zeigt die Tendenzen.

Fara Phoebe Zetzsche, „Stray Kids“, Lumix-Festival 2014 Fara Phoebe Zetzsche, „Stray Kids“, Lumix-Festival 2014 | © Fara Phoebe Zetzsche Foto-Essays, die vom Leben der Menschen erzählen, Reportagen aus Krisen- und Kriegsgebieten, Geschichten aus dem Alltagsleben, von nebenan oder von ganz weit weg: Fotojournalismus und junge Dokumentarfotografie in Deutschland und anderswo sind vielseitig und heterogen. In Deutschland haben sie eine lange Tradition. Berlin und München bildeten in den 1920er-Jahren mit ihren großen Tageszeitungen, Illustrierten und Verlagen die Basis für bildjournalistische Pioniere wie Tim Gidal, Stefan Lorant, Felix H. Man und für die ersten Fotoreporterinnen Gerda Taro, Marianne Breslauer und Gisèle Freund. Das Erzählen in Bildern begeisterte die Leserschaft. Es entstand der Fotojournalismus und mit ihm die moderne Illustrierte.

Wenig Raum für Fotografen als Zeitzeugen

Nicht nur neue Technologien und die digitale Fotografie veränderten in den vergangenen Jahren das Genre. Vor allem die Tendenz zu schnellen, kurzen Bildfolgen, Schnappschüssen, dramatischen und pathetisch aufgeladenen Bildern verdrängte – in Zeiten, in denen die Aufmerksamkeit als knappes Gut betrachtet wird – politisch und sozial ambitionierte Fotoreportagen, leisere Geschichten, die berühren. Unbekannte Fotografinnen und Fotografen haben selten die Möglichkeit, größere Bildstrecken zu veröffentlichen. Umso wichtiger sind gerade für diese junge Generation von Fotojournalisten und Dokumentarfotografen Förderpreise, Ausstellungsmöglichkeiten in Museen sowie die Kontakte und Netzwerke, die sich auf internationalen Fotofestivals bieten.
 
  • Birte Kaufmann, „The Travellers“, Lumix-Festival 2014 © Birte Kaufmann
    Birte Kaufmann, „The Travellers“, Lumix-Festival 2014
  • Christian von Steffelin, „Großer Saal Auditorium“, 2006. Palast der Republik © Christian von Steffelin
    Christian von Steffelin, „Großer Saal Auditorium“, 2006. Palast der Republik
  • Wolfgang Müller, „Wohnheim einer Textilfabrik“, Nanjing, 2011. Aus dem Buch „Mingong: Die Suche nach dem Glück“ © Wolfgang Müller“
    Wolfgang Müller, „Wohnheim einer Textilfabrik“, Nanjing, 2011. Aus dem Buch „Mingong: Die Suche nach dem Glück“
  • Tobias Zielony, „Sail 2“ aus der Videoarbeit: „Vele“, 2010 © Tobias Zielony
    Tobias Zielony, „Sail 2“ aus der Videoarbeit: „Vele“, 2010
  • Alejandro Chaskielberg, „La Creciente“, Lumix-Festival 2014 © Alejandro Chaskielberg
    Alejandro Chaskielberg, „La Creciente“, Lumix-Festival 2014
  • Andrea Gjestvang: „One Day in History“, Lumix-Festival 2014 © Andrea Gjestvang
    Andrea Gjestvang: „One Day in History“, Lumix-Festival 2014
  • Mustafah Abdulaziz, „Water“, Lumix-Festival 2014 © Mustafah Abdulaziz
    Mustafah Abdulaziz, „Water“, Lumix-Festival 2014
  • Casper Hedberg, „Buzkashi“, Lumix-Festival 2014 © Casper Hedberg
    Casper Hedberg, „Buzkashi“, Lumix-Festival 2014
  • Philipp Jeske, „Russlands neue Verteidiger“, Lumix-Festival 2014 © Philipp Jeske
    Philipp Jeske, „Russlands neue Verteidiger“, Lumix-Festival 2014
  • Iveta Vaivode, „Somewhere on a disappearing path“, Lumix-Festival 2014 © Iveta Vaivode
    Iveta Vaivode, „Somewhere on a disappearing path“, Lumix-Festival 2014

Junge Talente fördern

Die Wüstenrot-Stiftung fördert seit 1994 in zweijährigem Turnus Absolventen deutscher Hochschulen im Bereich Dokumentarfotografie. Der Förderpreis wird fachlich durch die Fotografische Sammlung im Museum Folkwang in Essen und ihren Leiter Florian Ebner betreut. Als Preisgeld werden vier mal 10.000 Euro für Projekte vergeben. Im Frühjahr 2014 zeigte die Ausstellung Was war und was ist – Dokumentarfotografie Förderpreise der Wüstenrot-Stiftung im Nebeneinander der Arbeiten der Preisträger das große Spektrum an unterschiedlichen Herangehensweisen, Perspektiven und Bildsprachen innerhalb der zeitgenössischen Fotografie.Eine wichtige Institution für die aktuelle Dokumentarfotografie ist das jährlich im Oktober stattfindende Münchener FotoDoks-Festival, das im Maximiliansforum und im Münchener Stadtmuseum Raum für Präsentation, Austausch, Diskussionen, Gesprächsrunden und Werkgespräche bietet. Im Rahmen des Festivals wird der mit 5.000 Euro dotierte Fotopreis des Zeit-Magazins vergeben, der es den Gewinnern ermöglicht, gemeinsam mit der Zeit-Redaktion eine Fotoreportage zu realisieren.

Lumix, das internationale Festival

Dass sich durch diese Förderung Nachwuchspotenziale entwickeln, lässt sich auf der Lumix, dem Festival für jungen Fotojournalismus in Hannover weiterverfolgen. Rund 35.000 Besucher waren im Juni 2014 dort. Rolf Nobel, Initiator der Lumix und Professor für Fotografie an der Hochschule Hannover, bringt seit 2008 alle zwei Jahre die besten Nachwuchsfotografen aus aller Welt zusammen. Knapp 1.200 Bewerbungen aus 71 Ländern kamen 2014 in die Juryauswahl. Die Jury wählte 60 Reportagen und Fotoessays aus. Inmitten der ausgewählten internationalen Nachwuchsfotografen trifft man auch Wüstenrot-Stipendiaten wie Birte Kaufmann und Till Müllenmeister wieder.

Die finnische Fotografin Meeri Koutaniemi wurde beim Lumix-Festival 2014 für ihre Reportage Taken mit dem mit 10.000 Euro dotierten Freelens-Preis ausgezeichnet. Den Lumix-Multimedia-Award 2014 teilen sich der US-Amerikaner Christopher Capozziello mit seiner Multimedia-Reportage A State of Mind und Patrick Slesiona, Student der Hochschule Hannover, mit seiner mit Marcel Wogram und Christian Werner realisierten Produktion Zwei Seiten – Leben mit der unverzeihlichen Tat. Der mit 5.000 Euro dotierte Lammerhuber-Preis für die am eindrucksvollsten geschilderte Alltagsgeschichte ging 2014 an Fara Phoebe Zetzsche. Die in Gera geborene Absolventin der Hochschule Hannover hatte für ihre Arbeit Stray Kids Straßenkinder in Berlin begleitet und porträtiert. Den Publikumspreis erhielt die Norwegerin Andrea Gjestvang für ihre Arbeit One Day in History.

Auf dem Lumix-Festival ist Platz für Alltags- und Sozialreportagen, Geschichten, Hintergründe und Themen mit gesellschaftlicher und politischer Relevanz: Zeitgeschehen in Krisengebieten, Umweltkatastrophen und Menschenrechtsvergehen, der alltägliche Wahnsinn aus der unmittelbaren Umgebung. Aber auch Landschaftsbilder und einfühlsam erzählte Geschichten erhalten auf dem internationalen Festival für Fotojournalismus ihren Raum.