Friedrich von der Hagen
KI ist (wie) der Hammer

Ethics x AI
Bild: Michael Diedrichs

Sind künstliche Intelligenz und Ethik miteinander vereinbar? Wie können wir ethische Fragen dort integrieren, wo häufig Algorithmen den Ton angeben? Das Expert*innen-Seminar Ethics x AI klärte auf.

Die Ethik der KI wird heute meist in separaten Expertenrunden diskutiert. Programmierer und Unternehmen sprechen unter sich, ebenso wie Moralphilosophen und Regulatoren. Unsere Idee: Die Deutsch-Finnische Handelskammer (AHK Finnland) wollte – zusammen mit der Deutschen Gemeinde in Finnland und dem Goethe-Institut Finnland – Wirtschaft, Wissenschaft und Kirche zusammenbringen, um die wichtige Wertediskussion über unsere technisierte Welt in die Öffentlichkeit zu tragen. Heraus kam „Ethics x AI“, Ethik triff künstliche Intelligenz. Am 2. Oktober 2019 konnten die Teilnehmer des kostenlosen Ganztagsseminars in der „Think Corner“ Expertenstandpunkte kennenlernen, mitdiskutieren und in Workshops Fragen tiefergehend betrachten.

KI: Ein Abbild unserer Welt

In der Öffentlichkeit ist der Tenor derzeit: KI ist der neue Motor der Weltwirtschaft. Und: KI ist die größte Bedrohung der Menschheit. Wer heute nicht in diese Technologie investiert, hinkt morgen hinterher. Daten sind das Öl dieser Wirtschaftsweise und mit der Datenverarbeitung kommt KI ins Spiel.

Wir alle schaffen täglich Daten durch die Interaktion mit Computern, Smartphones oder Sensoren. Die Welt von heute spiegele sich in unseren Daten wider, auch ihre Ungerechtigkeiten, so die Philosophin Maija-Riitta Ollila, die die erste Grundsatzrede des Tages hielt.

Wir übergeben Maschinen Entscheidungsbefugnisse. Aber übergeben wir ihnen auch die Verantwortung? Programme verursachen Handlungen, wenn man sie lässt. Aber verfolgen sie selbst eine bestimmte Absicht? Vielleicht irgendwann, aber noch sind wir Menschen in der Verantwortung und wir sollten Einfluss darauf behalten, so Ollila weiter. Wegen der großen Möglichkeiten der Kontrolle von menschlichem Verhalten habe KI einerseits das Potential, die Demokratie zu gefährden. Andererseits vielleicht das Potential zur Rettung der Erde. Es liege in unseren Händen.

KI ist Software, aber sehr komplex

Nutzer neigen dazu, Computern menschliches Denken und Handeln zu unterstellen. Aber dies führt in der öffentlichen Diskussion zu falschen Schlüssen. Johan Himberg, Daten-Spezialist beim IT-Entwickler Reaktor, stellte klar: KI ist kein Lebewesen, hat kein Bewusstsein. Er erklärte die Ursprünge dessen, was wir heute künstliche Intelligenz nennen: „KI ist Software, aber sehr komplex“. Sie sei ein zunehmend transparentes Werkzeug, das in Zusammenarbeit entwickelt werde. Laut Himberg sollten ethische Fragen in den Entwickler-Teams diskutiert werden. Dort träfen Programmierer Hunderte von Entscheidungen jeden Tag, die beeinflussten, wie eine KI-Software später reagiere.

Der dritte Keynote-Redner war Mario Brandenburg, Abgeordneter des deutschen Bundestags und Mitglied der Datenethikkommission. Algorithmen seien keine verantwortlichen Entscheidungsträger, so auch seine Meinung. Gründe für negative Effekte von KI seien derzeit vor allem unbewusste Vorurteile von Programmierern und Datensätzen. Wenn KI ungerechte Entscheidungen treffe, stünden immer Menschen dahinter. Brandenburg fasste es bildreich zusammen: Ein Hammer ist ein Werkzeug, mit dem man ein Haus bauen oder jemanden töten kann. Auch KI sei ein solches Werkzeug – wenn auch ungleich komplexer.

AHK Finnland hilft, den Umgang mit dem Werkzeug zu erlernen

Zur Diskussionsrunde kam Meeri Haataja von der Steuerungsgruppe AI Finland des finnischen Wirtschaftsministeriums hinzu. Menschen sollten befähigt werden, KI-Prozesse besser zu verstehen. Nur so könne KI in Zukunft ein produktives Werkzeug sein. Bildung sei besonders wichtig für IT-Nutzer, heute und morgen.

Johan Himberg wies auf Reaktors Online-Kurs „Elements of AI“ hin, das diesen Ansatz verfolge. Ein Prozent der Bevölkerung sollte KI und dessen Anwendungspotentiale besser kennen lernen. Der Kurs wurde in Finnland ein Riesenerfolg. Für Deutschland hat die AHK Finnland in Zusammenarbeit mit dem DIHK das Roll out des Online-Kurses ermöglicht. Im Dezember wird das Vorhaben in Berlin der Öffentlichkeit vorgestellt.

Zwei weitere Keynotes – von Religionsphilosoph Aku Visala und dem Professor für evangelische Theologie Frank Mathwig – leiteten den zweiten Seminarteil ein. Zu den Keynote-Rednern traten noch Saara Hyvönen, Mitbegründerin von DAIN Studios, Hertta Vuorenmaa, Direktorin des Forschungsprogramms „Future of Work“ an der Aalto-Universität, und Michael Laakasuo, Dozent der Kognitionswissenschaft an der Universität Helsinki, hinzu. Sie und die Redner arbeiteten gemeinsam mit den Teilnehmern an Fragen der praktischen Umsetzung von KI. Denn: Nutzer müssen lernen, mit dem „Hammer“ richtig umzugehen, um KI für Unternehmen und Gesellschaft zum Erfolg zu bringen.
 

LINKS zu den Seminarbeiträgen

Maija-Riitta Ollila
Johan Himberg
Mario Brandenburg
Podiumsdiskussion 
Aku Visala
Frank Mathwig
Fireside Chat

 

Ethics x AI

Ethics x AI ist in Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut Finnland, der Deutschen Gemeinde in Finnland, und der AHK Finnland entstanden und wurde von Reaktor und der Aue-Stiftung unterstützt. Beim Seminar in Helsinki diskutierten verschiedene Diskursgruppen, Programmierer*innen und Unternehmen, Moralphilosoph*innen und Theolog*innen, sowie staatliche Institutionen aus Deutschland und Finnland vor und mit rund 100 Teilnehmer*innen. Über 50 Personen verfolgten das Seminar per Live-Stream.

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