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Band des Monats
Nura

Nura vor rotem Hintergrund
© Chris Schwarz

Nura gilt als eine der wichtigsten Stimmen im deutschen Hip-Hop. Gemeinsam mit Juju gründete sie 2014 das gefeierte Rapduo SXTN, das vor allem durch provokative Texte auf sich aufmerksam machte. Seit 2018 gehen die beiden Musikerinnen getrennte Wege. Seitdem polarisiert Nura mit ihrer Musik aber nicht weniger: In ihren Songs thematisiert die Rapperin offen Sexismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit in der deutschen Rapszene und der Gesellschaft. Da sie als Schwarze, muslimisch erzogene und bisexuelle Frau selbst von intersektionaler Diskriminierung betroffen ist, verarbeitet Nura in ihren Texten ebenso wie in ihrer 2020 erschienen Autogiografie Weißt du, was ich meine? ihre ganz persönlichen Erfahrungen als „Ausländerin“ in Deutschland. Mit ihrer Geschichte möchte sie vor allem Mut machen. Und nimmt sich dabei selbst nie zu ernst.

Von Philippa Bock

„Vom Asylheim in die Charts“

- so beschreibt die Berliner Rapperin ihr bewegtes Leben. 1988 wird Nura Habib Omer in Kuwait geboren, drei Jahre später muss die Familie aufgrund des Golfkriegs fliehen. Gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern kommt die Sängerin nach Deutschland und dort zunächst in verschiedenen Geflüchtetenunterkünften unter, bis sie schließlich in Wuppertal eine eigene Wohnung beziehen können. In ihrem Buch Weißt du, was ich meine? beschreibt Nura diese Zeit, die geprägt ist von Konflikten mit der eritreischen Mutter, ihrer Rebellion gegen die muslimische Erziehung, die ihr vieles verwehrte, was ihren Brüdern erlaubt war, sowie ihrer Zeit in einer Wohngruppe für Jugendliche, in die sie mit dreizehn Jahren schließlich zog. Ihr Freiheitsdrang und das Gefühl, in Wuppertal immer die Außenseiterin zu sein, führte sie schließlich nach Berlin, wo sie sich der Punkband The Toten Crackhuren im Kofferraum als Tänzerin sowie dem Berliner Kneipenchor anschloss. 2014 gründete sie schließlich mit ihrer Freundin JuJu (Judith Wessendorf) das Duo SXTN, mit dem sie erste Charterfolge feierte.

Von SXTN zu Nura

Mit Songs wie Hass Frau oder Fotzen im Club inszenieren sich die beiden Rapperinnen als dominante, starke Frauen, eignen sich selbst sexistische Stilmittel an und steigern sie ins Extreme, um der sehr cis-männlich dominierten Szene des Deutschrap den Spiegel vorzuhalten. Während Kritiker*innen ihnen vorwerfen, die frauen*verachtenden Aspekte der Hip-Hop-Kultur lediglich zu reproduzieren – das Duo hat einer Analyse des Spiegels zufolge mit mehr als sieben sexistischen Begriffen pro Song die höchste Dichte aller untersuchten Künstler*innen – feiern vor allem weibliche Fans sie als empowernde Vorbilder, die den male gaze umkehren und mit dem Stereotyp der hübschen, lieben und passiven Frau aufräumen. Da sich die Künstlerinnen privat und musikalisch mit der Zeit mehr und mehr auseinanderentwickeln, geben die beiden 2018 schließlich die Trennung von SXTN bekannt. Heute ist klar: Dass es im Deutschrap mittlerweile zahlreiche erfolgreiche Frauen gibt, ist auch ihr Verdienst!
 

Als Solokünstlerin erzielt Nura ihre erste Chartplatzierung mit dem Song babebabe, den sie 2018 gemeinsam mit dem Hip-Hop-Duo SAM aufgenommen hatte. Es folgen weitere Kollaborationen mit verschiedenen Künstler*innen wie AchtVier, Bausa und Trettmann, mit dem sie ebenfalls im Jahr 2018 die Single Chaya veröffentlicht. Im Frühjahr 2019 erscheint schließlich ihr erstes Soloalbum Habibi. Darauf wird nicht nur gerappt, sondern auch vermehrt gesungen und es finden sich neben den Singleveröffentlichungen Songs wie Was ich meine, an den die Sängerin später den Titel ihrer Autobiographie anlehnt, und babe, mit dem sie ihrem im Alter von 28 Jahren plötzlich verstorbenen Kollegen Sam Wieland gedenkt, mit dem sie eine enge Freundschaft verband. Titel und Inhalt des Songs sind Anspielungen auf die gemeinsame Single babebabe. Zudem verwendet Nura hier Samples aus dem Song Dashiki von SAM.
 

Hier läuft sehr viel schief

Insbesondere seit ihrer Teilnahme am #wirsindmehr Konzert im September 2018, das die Band Kraftklub spontan als Antwort gegen die wenige Tage zurückliegenden rechtsradikalen Ausschreitungen in Chemnitz organisiert hatte und an dem sich neben Nura auch Trettmann, Feine Sahne Fischfilet, K.I.Z., Marteria, Casper und Die Toten Hosen beteiligten, will die Rapperin ihre Reichweite vermehrt für ihr politisches Engagement nutzen und prangert insbesondere auf ihrem zweiten Soloalbum Auf der Suche die Probleme unserer Gesellschaft sowie der Deutschrapszene im Speziellen an.

So thematisieren die Songs Fair oder Niemals Stress mit Bullen die rassistischen Erfahrungen der Sängerin. In Fair singt Nura beispielsweise Warum stört dich das Kopftuch meiner Mama? / Warum verurteilst du mich, weil ich wenig anhab‘? / Warum ist es der Flüchtling, der dir Angst macht / Und nicht der Nazi im Landtag?. In Niemals Stress mit Bullen geht es dagegen mehr um die gesellschaftspolitische Ebene des Rassismus in Deutschland, wie den bis heute nicht aufgeklärten Mord an Oury Jalloh durch Polizist*innen in Sachsen-Anhalt oder die frühzeitige Internalisierung rassistischer Verhaltensweisen durch Kinderspiele („Wer hat Angst vor’m Schwarzen Mann?“). Die eingestreuten „typisch deutschen“ Parolen im Refrain verdeutlichen dabei eindringlich, wie tief der Rassismus im Alltag der Deutschen verwurzelt ist.
 

Ihr politisches Engagement versteht Nura dabei nicht als im Konflikt stehend mit der Tatsache, dass sie als Rapperin Teil einer Szene ist, die sich selbst nicht unbedingt durch political correctness auszeichnet. Trotz allen Problemen empfindet die Musikerin Deutschrap eigentlich als ein Genre, das sich besonders gut eignet, um auf Missstände hinzuweisen – auch auf die in den eigenen Reihen. So engagiert sich Nura bereits zu SXTN-Zeiten für mehr Gleichberechtigung und Toleranz im Deutschrap, insbesondere für FLINTA+, BIPOC und queere Personen. Ihre Single On Fleek soll beispielsweise Empowerment und Selbstbewusstsein vermitteln – im Video sind neben zahlreichen Fans u.a. auch queere Beauty-Influencer*innen sowie die Dragqueen Bambi Mercury zu sehen. In ihrer zuletzt erschienenen Single Sidebitch feiert Nura ihre Freiheit und bricht mit dem heteronormativen Klischee der Frau auf der Suche nach einer festen Partnerschaft, Haus und Kindern.
 


Als Person des öffentlichen Lebens trage sie eine besondere Verantwortung, findet Nura, und wünscht sich deutlich mehr Engagement auch von ihren Kolleg*innen aus der Musikbranche. Immer wieder seien es nur dieselben Personen, die sich offen gegen Rassismus, Sexismus und Queerfeindlichkeit aussprechen und ihre Reichweite nutzen, um den von Diskriminierung betroffenen Communities eine Stimme zu geben. Musik für die breite Masse zu machen ist Nura daher nicht wichtig, lieber schreibt sie Songs für die Menschen, die hinter ihr und ihren Überzeugungen stehen. Trotz der Ernsthaftigkeit ihrer Themen schafft es die Rapperin stets, sich selbst nicht zu ernst zu nehmen und ihre Message – egal ob auf ihren Alben oder im Privatleben - mit viel Humor und Selbstironie zu vermitteln.

 

Diskografie:

Alben
2021: Auf der Suche
2019: Habibi


SXTN:

Album
2017: Leben am Limit

EP
2016: Asozialisierungsprogramm

Band des Monats auf Spotify

Hände und Gitarre © Colourbox.com, ldutko Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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