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Resonance in Lyon
„Stell dir vor, es wäre…

.Lisa Magnan und Daniel Bucurescu bei der Aufführung ihres Programms (h)ours
© Natasha Veyre

… nicht halb acht, sondern letztes Jahr“: Daniel Bucurescu und Lisa Magnan, eines der acht RESONANCE-Tandems, gaben jetzt bei einer bewegten Performance im Goethe-Institut Lyon einen lebendigen Einblick in ihre laufende Zusammenarbeit beim Projekt (h)ours.

Von Harriet Wolff

Lisa spielt und tanzt sich warm. Sie schleudert den linken Arm in einer präzisen Geste nach oben, sie folgt ihm mit ihren wachen Augen, sie schließt sie. Lisa hört auf den einsetzenden Beat. Dann lässt sie den Arm sinken, ganz versunken steht die Choreografin und Tänzerin in der Mitte des Raums. Alle zuschauenden Augen folgen ihr gebannt, hier im ebenerdigen Loft des Goethe Instituts Lyon. Sekunden später wandern die Augen der Gäste zu Daniel, der via Klavier und digitalem Mischpult klassische und elektronische Musik zusammenführt. Der junge Hamburger Pianist und interdisziplinär ausgerichtete Kunst-und Musikvermittler setzt die facettenreichen Töne lebhaft in Beziehung zu Lisas Tanz. Umgekehrt macht die es genauso.

Präzise und mitreißend spielt Daniel bei der Premieren-Performance des gemeinsamen Projekts (h)ours aus dem Zyklus Miroirs des französischen Komponisten Maurice Ravel. Und mischt oder unterbricht den Zyklus häufig mit digitalen „Kontextualisierungen“, wie er sie nennt. Die „Miroirs“ sind „Spiegelbilder“ für ein Solo-Klavier. Sie passen in ihrer Vielfältigkeit und phantasievollen Miniaturenhaftigkeit famos zum RESONANCE-Thema der beiden: es ist die künstlerische und interdisziplinäre Auseinandersetzung mit unseren alltäglichen, überlieferten Vorstellungen von Raum und Zeit. Auch Daniel bewegt sich immer wieder zu seinen Kompositionen, fliegt förmlich durch den Raum.

„Was hast du gemacht und wo warst du  – vor einer Minute, vor zehn Jahren, letzten Samstag oder vor einer Stunde?“, fragt Lisa das gebannt folgende Publikum – und gibt sprechend und tanzend für sich selbst Antworten im Rahmen ihrer beider Performance. „Vor zehn Jahren war ich in Wien per Rad unterwegs. In einem bestimmten gefährlichen Moment brachte jeweils eine gelungene Vollbremsung von einem Tramschaffner und von mir uns auf engstem Raum zusammen.“ Lisa blickt hochkonzentriert in das warme Scheinwerferlicht.

Musikalität, Körperspannung und Inszenierung verbinden sich bei ihr wie bei Daniel zu einem kongenialen Etwas, einem Etwas, das Lust auf mehr Sehen und Hören davon macht. Fast jeder Ton, jeder Schritt, jede Haltung sitzt bereits – und das schon „bei dieser ersten Etappe des RESONANCE-Teams“, wie sie die Leiterin der Goethe-Institute in Lyon und Marseille, Hannah Kabel, zusammen mit Julia Klein, die die Kulturprogramme in Lyon betreut, zu Performance-Anfang kurz beschreibt. Es ist ein Ausloten, ein professionelles, ein oft auch humorvolles, spielerisches Herantasten an das, was im Laufe des kommenden Jahres, bis zur großen Abschlussveranstaltung aller acht RESONANCE-Teams im Sommer 2024 in Nancy, bei diesem Tandem entstehen wird.

  • Lisa Magnan und Daniel Bucurescu bei der Aufführung ihres Programms (h)ours © Natasha Veyre
  • Lisa Magnan und Daniel Bucurescu bei der Aufführung ihres Programms (h)ours © Natasha Veyre
  • Lisa Magnan und Daniel Bucurescu bei der Aufführung ihres Programms (h)ours © Natasha Veyre
  • Lisa Magnan und Daniel Bucurescu bei der Aufführung ihres Programms (h)ours © Natasha Veyre
„Wie übersetzt sich Musik in Sprache und Bewegung und vice versa?“, fragen sich Lisa und Daniel. Wie gehen wir um mit dem grundlegenden Unterschied im Begreifen und Beschreiben von Raum und Zeit –  dergestalt, dass in unserer menschlichen Vorstellung der Raum in jede (bis dato bekannte) Richtung erforschbar und begehbar ist, während Zeit, physikalisch betrachtet, keine körperliche Umkehr ermöglicht? Denn unser Erleben von ablaufender Zeit kennt schlicht nur ein Vorwärts.

Ihr Projekt (h)ours wird Lisa und Daniel mit diesen Fragen und (un-)möglichen Antworten noch bis mindestens Sommer 2024 umtreiben – geplant sind erneut Performances und gemeinsame Arbeitswochen in Lyon und Hamburg, vielleicht auch eine Vorstellung in Berlin. Und als Meisterstück werden die beiden an einem Musikfilm arbeiten.

Darin setzen sie sich weiter mit dem vielschichtigen Thema „Zeit“ interdisziplinär auseinander – zusammen mit jüngeren und älteren Laienakteurinnen und Akteuren, also Non-Professionals aus Frankeich und Deutschland. In Hamburg unterstützt Daniel dann ein künstlerisches Kollektiv von Schülern, das mit ihm zusammen eine musikalische Komposition oder eine Performance entstehen lässt. Und in Lyon plant Lisa mit Menschen ab zirka 50 Jahren aufwärts die Choreografie eines Videodrehs über das Zeitempfinden.

„Eins steht fest“, sagt Daniel und lächelt befreit auf, als sich nach der halbstündigen Performance das deutsch-französische Tandem den aufmerksamen Fragen der Zuschauenden stellt: „kill your darlings – wir werden nach unserer teils auch improvisierten Performance Elemente rausnehmen und durch andere künstlerische Interventionen ersetzen.“ Lisa ergänzt: „Davon lebt unser Projekt, der Moment ist uns wichtig. Wir wollen mit (h)ours Menschen vernetzen, sie ihre Räume finden lassen.“

 

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