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Nachhaltigkeit mit Santa
Mobilitäts-Challenge: Mein Fazit

Fahrräder prägen immer stärker das Pariser Stadtbild.
Fahrräder prägen immer stärker das Pariser Stadtbild. | Foto (Ausschnitt): Skitterphoto (CC0)

Na, ihr Lieben! Wie geht es Euch? Nach gefühlt unzähligen Telkos freue ich mich gerade wahnsinnig unsere spannende Mobilitäts-Challenge revu passieren zu lassen. Erst einmal: Wie lief es bei Euch? Was habt ihr geändert, dazu gelernt, mit neuen Augen gesehen?

Von Santa Meyer-Nandi

Für uns Pariser waren die letzten Monate eine sehr interessante und ja, herausfordernde Zeit. Erst einmal monatelanger Streik des öffentlichen Personennahverkehrs und dann suchte uns auch noch die Corona-Krise heim. Unserer Challenge haben beide Aspekte wahrscheinlich irgendwie, irgendwo geholfen. Ich bin selten SO viel gelaufen und geradelt, wie während des RATP-Streiks. Und manchmal war ich auch richtig aus der Puste. Ich habe gelernt, Verabredungen mit viel mehr Bedacht einzugehen. Aus dem 5. Arrondissement den Berg ins 20. hochzuradeln erfordert schon Einiges an sportlicher Fitness, und fitter bin ich definitiv geworden. Aber auch achtsamer, denn Wege mit eigener Körperkraft zu zurückzulegen, gab mir ein unmittelbares Verständnis von Grenzen.

Praktische Neuerkenntnisse

Ok, ich gebe zu, ich hatte meine Hausaufgaben zumindest „befriedigend“ auch schon vor der Challenge gemacht. Ich lief und radelte mit einem geliehenen Velib durch die Gegend, nahm die Metro, und ab und an ein Taxi – mal über einen ökologischen Service wie Marcel oder ich rief es mir von der Straße. Hype, die Hydrogen-Taxi-Flotte ohne CO2-Emission, kenne ich jetzt auch besser. Pfeifen kann ich immer noch nicht – ich bin aber dran, I promise!

Technische Möglichkeiten und Hindernisse identifizieren

Ich hatte das Glück den ChangeNOW-Gipfel in Paris zu besuchen. Dort traf ich auf einen Erfinder, der bestehende Autos auf hydrogen umstellt und sogar die Option „Benzin-Diesel“ im Falle des Falles beibehält. Und genau solche Optionen interessieren mich, bzw. Möglichkeiten, um Bestehendes nachhaltiger zu gestalten, denn einfach alle Autos durch neue Elektro- oder Hydrogen-Modelle zu ersetzen macht zwar unsere Luft sauberer, beinhaltet aber einen ressourcenintensiven Produktionsweg. Karosserie, Batterie und viele andere Teile (sorry, bisher kann ich leider auch kein Auto zusammen bauen) brauchen auch Rohstoffe und Energie, warum also nicht das, was wir haben, nachhaltig aufmotzen? Dazu traf ich auf der ChangeNOW auch einen weiteren Herrn, der in Asien gerade bestehende Autos elekrifizieren will. Hier in Europa steht uns die Gesetzgebung noch im Wege. Für Politiker und einflussreiche Personen in der Gesetzgebung, die zufällig gerade unseren Blog lesen:  vielleicht findet ihr ja Weisen, Nachhaltigkeit tiefer in unserem System zu verankern. Und überhaupt, werden wir kreativer und futuristischer. Vieles ist möglich, und ich sehe, viele schlaue Geister sind schon dabei an Lösungen für Herausforderungen zu arbeiten, die viele von uns noch gar nicht als Herausforderungen identifiziert haben.

Träumen, sich austauschen und viel viel fragen

Und wenn wir schon dabei sind. Waren die Interviews, die ich innerhalb unserer Challenge machen durfte, nicht wahre Meisterstücke bzw. Master-Minds höchster Güte? Ein bisschen verliebt bin ich ja sowohl in Michael Adler, Laura Foglia wie auch in Kelly Saunders.
Santa im Interview mit Michael Adler von tippingpoints zu nachhaltiger Mobilität. #mobility #GoetheFSEcoChallenge Santa im Interview mit Michael Adler von tippingpoints zu nachhaltiger Mobilität. #mobility #GoetheFSEcoChallenge | Foto: Santa Meyer-Nandi

Hier meine kleinen Best-Offs. Michael schreibt davon, dass er sich Städte wünscht, die sich wie ein Dorf anfühlen. Ja, wo wir laufen können, unsere Kinder laufen lassen können. Wo gute Luft ganz normal ist, genauso wie Vogelgezwitscher, das nicht von Motorengeräuschen übertönt wird. Das alles sind Bilder, die ich mir zuvor gar nicht habe vorstellen können. Aber es ist möglich – bei uns in Paris zum Beispiel an der Seine. Warum also nicht mehr, radikaler? Wir brauchen Utopien und Idealvorstellungen, um uns fortzubewegen. Und Storytelling, wie Monsieur Adler besonders schön heraus stellt. Und er bringt mich ins Träumen, und ihr wisst ja, ich halte neuerdings Träume für ganz wichtig für eine bessere Zukunft. Aber lest selbst. Michael schreibt:

Das Mobilitäts-Feen-Menü sieht so aus:

Michael Adler

Man nehme Radfahren wie in den Niederlanden, Bahn- und Busfahren wie in der Schweiz, nur noch 10 Prozent der Autos von heute, die elektrisch und autonom sicher die Lücken schließen, die Rad- und ÖV-Netze lassen. Der öffentliche Raum wird grüner, kühler, leiser, menschengerechter. Man trifft sich wieder auf dem Dorfplatz, der eben kein Parkplatz mehr ist. Das funktioniert auf dem Dorf genauso wie in der Metropole. Reisen funktioniert in Europa super mit einem vernetzten internationalen Eurail Bahnsystem, mit schnellen Tagverbindungen und komfortablen Nachtzügen, die Paris mit Berlin, Kopenhagen mit Mailand, Amsterdam mit Wien und Köln mit Barcelona verbinden. Ein bisschen Feenstaub brauchen wir noch für: E-Mobilität mit 100 Prozent erneuerbarem Strom. Batterien, die kaum knappe Rohstoffe brauchen. Solar oder mit Wind erzeugter Wasserstoff und Brennstoffzellen oder ebenso erzeugte synthetische Kraftstoffe betreiben Züge, LKW, Busse und Flugzeuge.”
Laura Foglia (links) im Gespräch mit Santa Meyer-Nandi (rechts) Laura Foglia (links) im Gespräch mit Santa Meyer-Nandi (rechts) | Foto (Ausschnitt): Santa Meyer-Nandi
Und Lauras Traum finde ich auch so schön:
 

Mein Wunsch in Sachen Mobilität ist vor allem ein gesellschaftliches Leben, in dem es mehr Nähe, menschlichen Austausch, lokale Produkte und einfach eine stärkere Verbindung zur Natur und den Jahreszeiten gibt.

Laura Foglia

„Ich bin richtig schockiert von Werbung, die an unserem (absolut legitimen) Wunsch nach Freiheit und Neuem appelliert, um uns Flugtickets für ein Wochenende in einer anderen Stadt oder eine Woche am anderen Ende der Welt zu verkaufen – oder gleich einen SUV (Sport Utility Vehicle, Anm. d. Red.)… Welche Freiheit? Die Freiheit, Stunden in diversen Verkehrsmitteln zu verbringen und den Planeten zu verschmutzen, obwohl man doch dort, wo man wohnt, so viel entdecken kann? Vielleicht träume ich von einer Gesellschaft, die mit der Werbung allgemein kritischer umgeht… Aber jetzt entferne ich mich ein wenig von unserem Thema.“

Nein, Laura dear, Du entfernst Dich gar nicht vom Thema, sondern triffst einen ganz wichtigen Punkt! Michael und Laura (und ich) sind uns einig: Wir brauchen kritischere Werbung. Wir brauchen  Werbung für eine positive, nachhaltige Lebensweise. Gute oder effektive Werbung sollte auch mal mehr von den Good Guys, wenn wir schon bei Disney-Terminologie wären, repräsentieren – super wichtig.
Ein anderer wichtiger Punkt, den Laura anbringt, ist, dass wir achtsamer sein müssen, um wirklich zu verstehen, was ein nachhaltig-intendiertes Produkt ersetzt. Elektro-Roller haben zum Beispiel, unabhängig von wahrscheinlich guten Absichten, Fußgänger zu Rollerfahrern gemacht – und das ist natürlich nicht besser für unsere Umwelt und auch nicht für unsere Gesundheit.
Kelly Saunders Kelly Saunders | Foto (Zuschnitt) : Santa Meyer-Nandi
Einen komplementären Blickwinkel brachte Kelly Saunders mit in die Diskussion, und zwar zu einem Mangel an Geschlechtergerechtigkeit in unserem Mobilitäts-Angebot – etwas , wovon ich bisher wirklich keinen blassen Schimmer hatte. Sie schreibt:

Zunächst sollten wir diese Büchse der Pandora wirklich öffnen.

Kelly Saunders

„Wir sind dabei, ein Schlaglicht auf die sicherheitsgefährdenden Erfahrungen von Frauen in öffentlichen Räumen zu werfen, aber das hat im Rahmen der Verkehrsprioritäten trotzdem nur untergeordnete Bedeutung, etwas, das zwar unerwünscht, aber leider unvermeidlich ist. Führungskräfte aller Art im Bereich Mobilität müssen diese Trägheit konfrontieren. Sie müssen sich der unangenehmen Wahrheit über das Ausmaß und die Quelle von Gewalt gegen Frauen in und um öffentliche Verkehrsmittel stellen.“

Und auch ihren Traum möchte ich Euch, verehrteste Leser*innen, nicht vorenthalten:

„Was meine Traumzukunft betrifft … eine grüne Zukunft, die für Frauen und Kinder sicher ist. Aber wie? Zunächst, indem wir das volle Ausmaß an technischen Innovationen nutzen, um Täter zu identifizieren und strafrechtlich zu verfolgen, ohne Einschränkungen bei Datenzugriff oder Ressourcen, wenn es um die Sicherheit einer Frau geht. Nulltoleranz. Strenge Strafen, die das wahre Ausmaß des Schadens widerspiegeln. Zweitens würden wir durch massive Reflexion auf allen Stufen der Gesellschaft unsere Kinder und Angestellten über schädliche Stereotypen, unfaire Systeme und die wahren Auswirkungen von Gewalt gegen Frauen und Kinder aufklären. Drittens träume ich von einer massiven Verschiebung hin zum Fahrradfahren. Stell Dir Städte und Regionen mit hochmoderner Fahrrad-Infrastruktur vor, mit glatten, ununterbrochenen Wegen, die vom Verkehr vollständig getrennt sind, mit einem ganz neuen wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Leben, das sich um diese Wege schart. Ich denke an bis spät nachts geöffnete Cafés, Gemeinschaftsgärten, Lebensmittelläden, Kindertagesstätten, Schwimmbäder. Ich sehe Kinder, die früh dazu sozialisiert werden, mit der richtigen Ausrüstung bei jedem Wetter das Fahrrad zu nehmen. Ich sehe Männer und Frauen, die in der Lage sind, Fahrräder beladen mit Lebensmitteln, Babys und Computern für flexible Heimarbeits Home-Office zu fahren transportieren - und sich das auch zutrauen. Zu guter Letzt sehe ich Mobilität als etwas, das Menschen mit Intention und Zurückhaltung tun. Wir alle werden weniger fliegen, weniger fahren und weniger online einkaufen. Eine genügsame Zukunft, in der wir weniger nehmen und mehr gestalten. Ich denke, diese Zeit des weltweiten Lockdowns Massenausgangssperren ist unser Training für diese andere Welt.“

Von Träumern und Machern – wir alle als Superhelden!

Meine Lieben, haben wir Euch zum Träumen gebracht? Merkt ihr wieviel möglich ist? Wisst ihr, es gab Zeiten, da konnten Frauen nur davon träumen zu wählen. Oder ein Besuch am anderen Ende der Welt war undenkbar für die meisten Leute. Oder mehr als zwei Hosen zu besitzen. Träumen wir, seien wir Visionäre – und gleichzeitig machen wir diese bessere Welt auch möglich. Für mich ist diese Corona-Zeit eine ganz wichtige, die so einiges, gut und nicht so gut, in uns selbst, in unserer Gesellschaft und auf unserer Erde zu Tage bringt. Auch dazu schrieb ich einen Beitrag, den mein geliebtes Goethe-Team veröffentlicht hat, obwohl das Thema Mobilität nur periphär vorkam. Alle Links findet ihr weiter unten.
Also noch einmal: Träumen wir und machen wir diese Träume durch Mini-Schritte wahr, sei es, indem wir ein nachhaltiges Taxi wählen, das Auto mal stehen lassen oder radeln. Seien wir unsere eigenen Superhelden, im Rahmen unserer Möglichkeiten. Und wenn möglich, sprechen wir über unsere Träume, fragen, lernen, seien wir neugierig! Wenn sich ein paar Träumer zusammen finden, dann passieren immer mal wieder wundervolle Dinge. Ich spreche hier aus Erfahrung... und freue mich darauf, Eure Erfahrungen zu lesen. Wer traut sich, mir zu schreiben?
 

Eure Santa

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