Fact Checking in Krisenzeiten
Fakt oder Fake?

Fact checking
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Haben Sie beim Lesen der Nachrichten schon mal das Gefühl gehabt, dass sie gerade getäuscht werden? Nicht selten werden uns manipulierte Informationen untergeschoben, weshalb man sich immer öfter die Frage stellen sollte, wem man noch vertrauen kann.
 

Von Linda Kolodjuk

„Gerüchte sind so alt wie die Kommunikation selbst“ – so heißt es in Karl-Broder Keils Buch „Fake News machen Geschichte“. Menschen sind soziale Wesen, die interagieren, Beziehungen eingehen und Kontakte knüpfen müssen und damit in einen Austausch mit ihrer Umwelt treten. Dieses generelle Mitteilungsbedürfnis kann auch negative Folgen haben, vor allem zu Krisenzeiten in denen Umweltkatastrophen, Kriege und Pandemien die Berichterstattung dominieren und Propagandainformationen als Nachrichten weitergegeben werden können. Fake News und Informationstäuschungen sind zwar nicht mit den neuen digitalen Medien entstanden, doch erreicht ihre Verbreitung dank des digitalen Zeitalters globale Ausmaße.

Obwohl Fake News und Fake Facts kein neuartiges Phänomen sind, ist das sogenannte Fact Checking, also das Überprüfen von faktischen Statements (etwas, das entweder wahr oder falsch sein kann), eine Praxis, die erst kürzlich aufgegriffen wurde. Besonders im investigativen Journalismus ist eine auf Tatsachen basierende Berichterstattung durch das großräumige Auftreten von manipulierten Informationen erschwert. Sowohl in Deutschland als auch in Ungarn gibt es Fact-Checking-Teams, die es sich zur Mission gemacht haben, Falschinformationen aufzudecken und in das richtige Licht zu rücken. Gemeinsam mit dem Center for Independent Journalism hat das Goethe-Institut Budapest eine Diskussion zum Thema „Fact Checking in Krisenzeiten“ am 12. Oktober organisiert, um auf die Aktualität medial verbreiteter Lügen im Alltag eines jeden einzelnen aufmerksam zu machen und den Grundstein für eine kritische Auseinandersetzung mit dem eigenen Konsumverhalten von Nachrichten zu legen. An der Diskussion teilgenommen haben der Faktenchecker und Recherchetrainer Jan Ludwig von der Deutschen Presseagentur (dpa), Szilvia Német von der Eötvös Loránd Universität sowie Blanka Zöldi vom ungarischen Fact-Checking-Team von lakmusz.hu. Moderiert wurde von Éva Bognár vom Demokratischen Institut der Central European University.

Im Allgemeinen haben Fake News die Absicht zu täuschen. Eine Fälschung entsteht immer gezielt und kann demnach nicht dem Zufall überlassen werden. Dabei kann es sich bei den Fake News um gefälschte Fotos oder Videos, deren Kontext verändert wurde, absichtliche Falschaussagen, eine manipulierte Statistik oder ein gefälschtes Dokument handeln. Sie zielen darauf ab, sich direkt auf die Emotionen der Bürger auszuwirken, was zu Misstrauen, Frustration und sogar Panik führen kann. Wichtig ist zu wissen, dass die Täuschung absichtlich entsteht, die Verbreitung jedoch auch unabsichtlich passieren kann.  Diese Manipulation von Informationen in den Netzwerken kann im schlimmsten Fall zu einer Beeinträchtigung der demokratischen Ordnung führen, da die Übersättigung an Falschmeldungen in politischer Online-Kommunikation zur massiven Fehlinformation der Bevölkerung führen kann. Das heißt, all diese Massenaktionen an falscher Informationsverbreitung können zum Vertrauensverlust in die eigene Regierung führen, um somit politische Entscheidungen zu beeinflussen. Um dem entgegenzuwirken und zukünftige Kontrollmaßnahmen zu etablieren, ist der Einsatz von Expertenteams und Faktenprüfern unerlässlich.

Wichtig ist zu wissen, dass die Täuschung absichtlich entsteht, die Verbreitung jedoch auch unabsichtlich passieren kann.


Blanka Zöldi von lakmusz.hu beschreibt, dass ein maßgeblicher Unterschied in der Arbeit der ungarischen Faktenchecker zu ihren deutschen Kollegen sei, dass überwiegend Informationen von oberster Ebene – der Regierungsebene – überprüft werden müssen. Denn Journalismus in Ungarn, aber auch in vielen anderen Teilen der Welt, könne kaum noch apolitisch sein: er werde regelrecht politisiert, bestätigt Szilvia Német. Nach Mertens Theorie des Gerüchts wirkt der Besitz aktueller Informationen oftmals statuserhöhend und Wissen ist bekanntermaßen Macht. Davon machen Regierungen Gebrauch und nutzen die Möglichkeiten einer öffentlichen Kontrolle, indem sie Medien zensieren, Journalisten den Zugang zu Informationen erschweren oder verwehren und selbst Quellen zu ihrem Vorteil manipulieren. Das hat großen Einfluss auf das Vertrauen in die jeweiligen politischen Führungskräfte und das demokratische System als Ganzes. Falschinformationen, die sich auf die Emotionen und das Vertrauen der Menschen auswirken, werden somit zur Beeinflussung und Manipulation genutzt. Német führt fort: „Menschen hassen Fakten“. Menschen wollen Emotionen; sie wollen etwas lesen, das sie packt und berührt, sagt sie. Berichte basierend auf Fakten und Zahlen fallen dabei nicht unter die Kategorie der unterhaltsamen, leicht verdaulichen Informationsquellen. Davon nähre sich Populismus, fügt Német hinzu. Zöldi wirft ein, dass Berichte, die nicht auf Fakten aufbauen, Meinungen als Basis haben. Meinungen wiederum tragen symbolische Werte, diese beruhen auf Glauben und Glaube sei keine Grundlage für einen konstruktiven Diskurs, sagt sie. Ein Grund, warum Propaganda ein besonders effektives Mittel der Kontrolle und Manipulation ist, sei, dass jede Propaganda etwas Wahres, eine Halbwahrheit und etwas Falsches beinhalte, erklärt Jan Ludwig. Der eigentlich wahre Anteil werde durch eine falsche Interpretation oder Framing zum Vorteil des Manipulierenden verfremdet, erklärt er. Zusammenfassend sagt Ludwig, dass es daher die Aufgabe von Fact-Checkern sei das Framing aufzulösen.
Éva Bognár, Jan Ludwig, Blanka Zöldi und Szilvia Német bei der Fact-Checkig-Diskussion im Goethe-Institut Budapest
Éva Bognár, Jan Ludwig, Blanka Zöldi und Szilvia Német bei der Fact-Checkig-Diskussion im Goethe-Institut Budapest | © Goethe-Institut Budapest
Fakten zu überprüfen beanspruche viel Zeit - mehr Zeit, als für ihre Verbreitung notwendig sei, erklärt Német. Die Verbreitung von Fake News vermehrte sich mit der Integration und Nutzung sozialer Netzwerke, wie Twitter oder Facebook, denn diese haben einen großen Wandel in der Art und Weise bewirkt, wie die breite Öffentlichkeit auf Nachrichten zugreift und diese teilt. Besonders die Produktion von Nachrichten, ob gefälscht oder nicht, ist viel effektiver, da sie direkt von mobilen Geräten aus geschieht. Durch die Globalisierung der Medien würden kaum noch Erfahrungen aus erster Hand gemacht – zumindest wenn man in das Verhältnis setze, wie viele Eindrücke tagtäglich den Nachrichtenkonsumierende erreichen und von diesem verarbeitet werden müssen, stellt Német fest. Ludwig fügt hinzu, dass es deshalb umso wichtiger sei, selbst aktiv zu werden und Empfänger in digitaler Resilienz zu schulen. Und was für das Erkennen von Falschinformationen unabdingbar sei, ist ein Verständnis für die Art und Weise wie Menschen kommunizieren, ergänzt Német: Wie und warum kommunizieren sie und was wollen sie erreichen?

Am Ende müsse man Journalisten und Fake-Checkern gar nicht glauben, erinnert Szilvia Német. Sollte man auch nicht. Jeder einzelne Leser, Hörer und Zuschauer müsse den Quellen glauben, die er oder sie selbst konsumiert und sich kritisch mit ihnen auseinandersetzen können, erklärt sie. Denn das beste Werkzeug zum Überprüfen von Fakten ist immer noch in unserem Kopf. Man muss es nur trainieren. Ein Leben lang.

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