Covid-19
Alle haben sich eingeigelt

Das Coronavirus hat in Szentlászló kein Todesopfer gefordert, aber das öffentliche Leben komplett zum Erliegen gebracht. Die öffentliche Bildung hingegen hat von der Situation in mancher Hinsicht sogar profitiert.

Auch Szentlászló ist der Pandemie nicht entgangen, und es gab auch einige, die zeitweilig im Krankenhaus waren. Doch die hier lebenden Menschen haben eher darunter gelitten, dass das Coronavirus die Gesundheitsversorgung so stark in Beschlag genommen hat, dass dadurch die Behandlung aller anderen Krankheiten in den Hintergrund gedrängt wurde. Dabei ging es nicht nur um die Kapazitäten des Gesundheitswesens; auch die Betroffenen selbst zögerten zuweilen, sich in die ambulante Versorgung zu begeben.

Alle haben sich eingeigelt und das Haus kaum verlassen

Laut Bürgermeister Zoltán Pasztorek könnte das Niveau etwa dem Landesdurchschnitt entsprechen, was das in die Impfung gesetzte Vertrauen der Dorfbewohner*innen betrifft: Nach seinem Eindruck gibt es in Szentlászló nicht mehr Impfgegner*innen als anderswo. Er meint aber auch, dass sich die Menschen typischerweise meist untereinander informieren und eher ihren Bekannten als den Medien vertrauen.
Covid-Pause
Covid-Pause | Foto: Gréta Kovács
Bezirksärztin Piroska Kapronczay verriet keine Details über die Durchimpfungsrate; wir konnten nur erfahren, dass man lediglich für die Pfizer-Impfung zum Impfzentrum nach Szigetvár fahren musste und alle sonstigen zugelassenen Impfstoffe vor Ort verabreicht wurden.

Man kann es überleben

Die Mehrheit hielt die Covid-Maßnahmen für übertrieben. Auch auf massive Impfgegnerschaft sind wir – unter Menschen im Erwerbs- und Rentenalter gleichermaßen – gestoßen. Manche sagten, dass man nicht wissen könne, was uns noch zusammen mit dem Stoff injiziert würde. „Man kann es überleben“, reagierten einige, die sich von der Krankheit erholt hatten. Wieder andere haben die Situation als einen harten Kampf erlebt und sich mit als Erste impfen lassen, sobald dies möglich war.

Ein als Maurer arbeitender Mann erzählte, er habe sich nur impfen lassen, weil er sonst seinen Job verloren hätte. Die Hauptmotivation im Kreis der Jugendlichen war, ohne Einschränkungen ausgehen zu können. Wir begegneten aber auch einem Herrn im Alter von rund fünfzig bis sechzig Jahren, der sich nur deshalb nicht habe impfen lassen, weil ihm entgangen sei, dass er das auch in der örtlichen Arztpraxis hätte tun können. Unabhängig davon lehnte er die Impfung nicht ab, nur habe ihn die Geschichte eher kalt gelassen, obwohl er mit seinen betagten Eltern in einem Haushalt lebt und nach eigenen Angaben an einer Lebererkrankung leidet.

Gerade zum Zeitpunkt unseres Besuchs dort begann übrigens in der Schule die Impfung der über Zwölfjährigen. Fünf Schüler*innen aus der 80-köpfigen, achtzügigen Grundschule von Szentlászló wurden in das nahegelegene Almamellék gefahren, um dort das Vakzin zu bekommen. Drei von ihnen sind Einheimische, die anderen pendeln aus zwei anderen Dörfern hierher zur Schule.

Von der Schulbank in die Messenger-Gruppe

Die Schließungen im Zuge der Corona-Maßnahmen machten auch in Szentlászló zuallermeist den Familien mit Kindern das Leben schwer. Die Umstellung vom Präsenz- auf Fernunterricht war eine ernsthafte logistische Herausforderung. Aber die Schule hat sich dabei gut geschlagen: Zehn der achtzig Schüler*innen bekamen Hilfe bei der Einrichtung des Internetanschlusses und den bedürftigen Familien wurden die in der Schule nicht mehr benötigten Computer als Spende überlassen, berichtete uns die Schulleiterin Ibolya Jászainé Löffler.

Ibolya Jászainé Löffler bei der Eröffnung des Schuljahres
Ibolya Jászainé Löffler bei der Eröffnung des Schuljahres | Foto: Gréta Kovács
Dank Covid hat die Siedlung einen riesengroßen Fortschritt in Sachen Computer-Nutzung gemacht. Als Kréta, das Online-System für öffentliche Schulbildung, komplett abstürzte, musste die Schule improvisieren: Man kommunizierte in Messenger-Gruppen und hielt die Unterrichtsstunden per Videoanruf ab. Viele Eltern sind nur mit Smartphones sozialisiert, so musste der Umgang mit einem Desktop-Computer bzw. Laptop mit den Kindern und ihren Eltern gemeinsam eingeübt werden – ebenso die Methoden, wie man zu Hause selbstständig lernen kann.

„Es gibt nichts.“

Das größte Problem ist nach Meinung vieler, dass die zuvor aktiven Mikrogemeinschaften aufgrund der Covid-Situation auseinanderfielen, und auch die üblichen Dorffeiern und Veranstaltungen ausblieben – und an diesem Lähmungszustand hat sich auch nach der dritten Welle nichts geändert.

Das zweite Jahr in Folge fanden weder der Dorftag noch der Adventsmarkt statt, und auch der „Mais-Tag“ fiel im Oktober wieder aus – eine Veranstaltung in Verbindung mit dem ersten „Maislieschen-Museum“ des Landes, das auf Initiative der Heimatforscherin und Lokalpatriotin Györgyné Budai und ihrer Tochter Kinga in Szentlászló gegründet wurde. Die kreativ-handwerkliche Tätigkeit mit Lieschen, den Hüllblättern des Maiskolbens, hatten jene Ungar*innen mitgebracht, die im Zuge des tschechoslowakischen Bevölkerungsaustausches aus dem ehemals in Oberungarn, heute in der Slowakei gelegenen Naszvad (heute Nesvady) nach Szentlászló umgesiedelt worden waren. Bis vor einigen Jahren wurden unter der Leitung der seitdem verstorbenen Józsefné Holenda (auch „Tante Matild“ genannt) auch Lieschen-Kurse angeboten.

Auch das Maislieschen-Museum blieb geschlossen
Auch das Maislieschen-Museum blieb geschlossen | Foto: Gréta Kovács
Im Dorf gibt es neben der Lieschen-Verarbeitung viele lebendige Handwerkstraditionen, beispielsweise die Herstellung von Holzspielzeug – aber auch diese Kurse sind ausgefallen, wie auch der Seniorenclub in der Bibliothek vorläufig geschlossen wurde. Vor der Pandemie hatte es im Dorf Yoga-Stunden gegeben, und es existiert auch ein gut ausgestattetes Fitnessstudio. Die Besucherzahl in Letzterem ist rückläufig, und es gibt auch keine Yoga-Stunden mehr.

Während das Gemeinschaftsleben in den umliegenden Dörfern einen Aufschwung erlebt hat, ist das nächste Großereignis in Szentlászló erst für das Jahr 2022 geplant: Dann soll nämlich das nächste Treffen der im Karpatenbecken gelegenen Dörfer, die den Namen „Szentlászló“ tragen, hier stattfinden; es gibt 16 solche Siedlungen, die zu einem Bündnis zusammengeschlossen sind. Auch die Idee stammt von hier, und jede Siedlung, die bisher das Treffen ausgerichtet hatte, erhielt eine Kopie der Büste des Heiligen Ladislaus (Szent László), die im Schulpark von Szentlászló im Komitat Baranya aufgestellt ist. Mit dieser großangelegten Veranstaltung würde das Dorf zur Normalität zurückfinden.

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