Future Perfect
ALTES NETZ IM NEUEN GEWAND

Ben Kneppers (links) und Kevin Ahearn zeigen, wieviel Netz sie für ein Skateboard brauchen.
Ben Kneppers (links) und Kevin Ahearn zeigen, wieviel Netz sie für ein Skateboard brauchen. | Foto (CC BY-SA): Kevin Ahearn

Gegen die Verschmutzung der Meere und zur Unterstützung chilenischer Fischer fertigt das US-Start-up Bureo Skateboards aus alten Fangnetzen.

Als Ben Kneppers über ein Musikfestival in Santiago de Chile schlenderte, hielt er plötzlich inne. Vor sich erblickte er einen Stand, an dem die Jugend der Stadt kaputte Skateboards reparieren und wieder funktionsfähig machen konnte, anstatt sie wegzuwerfen. Kneppers, Nachhaltigkeitsberater aus Massachusetts, war beeindruckt von der Idee. Und da er selbst gern auf Brettern steht, sah er bewundernd den Jugendlichen zu, wie sie mit ihren aufgemöbelten Skateboards über den Gehsteig glitten und Kunststückchen vollführten.

Dann hatte er einen Einfall.

Zusammen mit zwei Freunden hatte er seit Monaten darüber nachgedacht, etwas gegen die Verschmutzung der Ozeane zu tun und ein Upcycling-Unternehmen für maritimen Plastikmüll zu gründen. „Toll, dachte ich, vielleicht könnten wir Skateboards daraus machen“, erzählt er. „Das würde sich auch gut eignen, um die Jugend für das Thema zu sensibilisieren.“

18 Monate später haben Kneppers und seine Geschäftspartner Dave Stover und Kevin Ahearn die Skateboard-Firma Bureo auf die Beine gestellt. Das Wort bedeutet „die Wellen“ in Mapudungun, einer Sprache, die von dem indigenen Volk der Mapuche in Chile gesprochen wird. Vor kurzem wurde die erste Ladung Skateboards des Typs Minnow Cruiser an ausgewählte Läden in Kalifornien, Chicago und New York geliefert.

Ein Produkt als nachhaltiges System

Im Gegensatz zu dutzenden Skateboards ist der Minnow Cruiser aus Abfallprodukten gebaut. Das Brett ist 65 cm lang; besteht aus recycelten Kunststoffnetzen. Und im Gegensatz zu den meisten Firmen liegt Bureo der Umweltschutz ebenso am Herzen wie der Verkaufserfolg. Kneppers, Stover und Ahearn wuchsen an der US-amerikanischen Küste auf und wollten mit der Unternehmungsgründung den wachsenden Plastikmüllbergen in den Weltmeeren etwas Konstruktives entgegensetzen.

„Als Surfer, die ihr Leben am Wasser zubringen, fühlen wir uns dem Meer tief verbunden“, sagt Stover. „Wir brauchten ein Produkt, das unserer Vorstellung von einem nachhaltigen Sammel- und Recyclingsystem entspricht. Das Skateboard spiegelt unser Anliegen wider, uns diesem Problem auf positive Art zu widmen.“

Die Drei beschlossen, sich auf die Wiederverwertung von Fangnetzen zu konzentrieren, denn zehn Prozent des Plastikmülls in den Ozeanen stammt aus Fischfanggeräten. Zudem stellen die Netze eine Bedrohung für die Meeresbewohner dar: Delfine, Meeresschildkröten und Robben können sich in ihnen verheddern und bezahlen dafür häufig mit dem Leben. Die chilenischen Fischer werfen ihre alten Netze für gewöhnlich ins Meer, weil es teuer ist, sie zu entsorgen. Die Deponien des Landes sind in privater Hand, und wenn man seinen Müll dort lagern will, muss man für den Abtransport bezahlen. Kneppers fügt jedoch rasch hinzu, dass die Verschmutzung der Meere mit Fischernetzen kein rein chilenisches Problem sei. „Bei unseren Recherchen“, führt er aus, „befragten wir Fischer in Kalifornien und an der Ostküste, und alle räumten ein, zuweilen aus Bequemlichkeit auf diese Weise Netze zu entsorgen.“

Er und seine Geschäftspartner initiierten das erste Sammel- und Recyclingsystem für Fangnetze in Chile und nannten es Net Positiva. Sie verteilten Sammelsäcke in drei Dörfern und boten an, die lokalen Fischerverbände pro Kilogramm recycelter Netze zu belohnen. Die Verbände können dann den Erlös unter ihren Mitgliedern verteilen. „In den ersten sechs Monaten kamen über drei Tonnen zusammen“, berichtet Kneppers. „Wir hoffen, bald in drei weiteren Orten Sammelstationen einrichten zu können, denn unser Geschäftsmodell ist auf Skalierbarkeit angelegt.“

  • Ben Kneppers (links) und Kevin Ahearn zeigen, wieviel Netz sie für ein Skateboard brauchen. Foto (CC): Kevin Ahearn

    Ben Kneppers (links) und Kevin Ahearn zeigen, wieviel Netz sie für ein Skateboard brauchen.

  • Typische chilenische Fischkutter. Foto (CC): Kevin Ahearn

    Typische chilenische Fischkutter.

  • Ausrangierte Fischernetze an der chilenischen Küste. Foto (CC): Kevin Ahearn

    Ausrangierte Fischernetze an der chilenischen Küste.

  • Kevin Ahearn und David Stover auf ihren Minnows. Foto (CC): Matt Smith

    Kevin Ahearn und David Stover auf ihren Minnows.

Von nächtlichen Träumereien zum verwirklichten Traum Die Idee für das Recyclingprogramm entstand schon vor Kneppers Erleuchtungsmoment auf dem Musikfestival in Santiago de Chile. Er und Stover teilten sich ein Zimmer, als sie 2011 in Australien arbeiteten. Beide sind leidenschaftliche Surfer und unterhielten sich oft bis spät in die Nacht, wie man das Müllproblem im Meer bekämpfen könne, dem sie jedes Mal beim Surfen begegneten. Ahearn ist ebenfalls Surfer und schloss sich den beiden später an, als sich die Notwendigkeit für einen Designer ergab.

Als das Produkt feststand, begann die eigentliche Arbeit: Wie sollten sie ihren Traum verwirklichen? Sie wandten sich an die Northeastern University, an der Kneppers studiert hatte und die ein Programm für Unternehmensgründer unterhält. Die Universität stellte ihnen einen Berater und Startkapital zur Verfügung, mit dem sie testen konnten, ob Fischernetze haltbar genug für den Skateboard-Bau sind. Danach bewarben sich die Jungunternehmer erfolgreich für das Förderprogramm der chilenischen Regierung Start-up Chile, um das Netzrecycling-Vorhaben in die Tat umzusetzen. Schließlich initiierten sie im April 2014 auf der Internet-Plattform Kickstarter eine Crowdfunding-Kampagne, bei der schnell 64.000 Dollar, also mehr als doppelt so viel wie die ursprünglich erhofften 25.000 Dollar zusammenkamen. Damit konnten sie die Produktion in großem Umfang aufnehmen.

Die Altnetze werden eingeschmolzen und dann in eine Form gegossen, aus der das Brett entsteht. Es hat ein Schuppenmuster auf der Oberfläche für besseren Halt. Doch damit endet die Umweltfreundlichkeit der Skateboards nicht. Das Innere der Räder besteht zu 100% aus recyceltem Kunststoff, die Außenschicht aus 30% Pflanzenöl. Das Unternehmen verwendet ausschließlich Recyclingpapier und -karton für die Verpackung und transportiert die Netze aus den Dörfern in die Fabrik in Santiago de Chile mithilfe von LKWs, die die Dörfer mit Waren beliefern und anderenfalls leer in die Hauptstadt zurückfahren würden.

Gemeinsam das Müllproblem lösen

Der Hersteller für Outdoor-Kleidung und -Ausrüstung Patagonia bekannte vor kurzem, am Unternehmen beteiligt zu sein. „Bureo ist kein typisches Start-up. Sie haben ein unglaubliches Recyclingprogramm auf den Weg gebracht, indem sie die chilenischen Fischerverbände für die Herstellung eines hervorragenden Produkts aus maritimem Plastikmüll gewinnen konnten“, gibt Patagonia-Geschäftsführerin Rose Marcario in einer Presseerklärung zu Protokoll. „Wir investieren in die Vision Bureos, ihre Geschäftsidee weltweit auszubauen und greifbare Erfolge bei der Beseitigung der Plastikmüllberge in den Weltmeeren zu erzielen.“

Kneppers’, Stovers und Ahearns Engagement für Nachhaltigkeit reicht jedoch weit über das Upcycling von Skateboards hinaus. Die jungen Männer verbrachten den letzten Sommer bei Aufräumaktionen am kalifornischen Strand im Rahmen eines Projekts der Organisation 5 Gyres (5 Driftströme), die den Plastikmüll in den Ozeanen reduzieren will. Dabei verlosten sie bei jedem ihrer Einsätze ein Minnow-Skateboard an die freiwilligen Helfer. Sie schlossen sich den Nichtregierungsorganisationen Save the Waves Coalition und Surfrider Foundation an, die weltweit für die Sauberhaltung und den Schutz von Küsten und Gewässern eintreten. Zudem planen sie die Herstellung einer T-Shirt-Kollektion aus Biobaumwolle. Mit deren Verkauf wollen sie die chilenische gemeinnützige Organisation Unidos Por Aguas Limpias (Vereint für saubere Gewässer) fördern, die sich dem Umweltschutz von Surfgebieten verschrieben hat und jährlich im März Säuberungsaktionen am Strand durchführt.

„Für uns sind die Skateboards nur der Anfang“, verkündet Ahearn. „Wir arbeiten an weiteren Lösungen für das Plastikmüllproblem in den Weltmeeren.“

Kneppers erzählt, dass die ortsansässigen Fischer den drei Geschäftspartnern anfangs mit Skepsis begegneten, als sie ihr Projekt vorstellten. Doch als sie das fertige Produkt vorweisen konnten, schlug die Stimmung um. „Die Fischer waren stolz“, sagt Kneppers. „Begeistert untersuchten sie die Skateboards von allen Seiten.“ Dann, fährt er fort, hätten sie die Bretter ihren Kindern gegeben – und die wussten etwas damit anzufangen.

Top