Anna Hetzer: Gedichte

Hetzer © Black Monty Studio

PORTRÄT DER KÜNSTLERIN ALS MONSTER

nicht schuppen hab ich und auch keine flammenhaut kein stinkendes gebiss und keine fließenden abszesse  ich hab kein haar aus schlangen, keine kralle
die sich in die ohren einer talkshow runde bohrt
mich sah noch niemand 
mit verbranntem rücken und auch nicht mit hula hoop kein gift hängt mir am hüftgurt, keine hundebeine  wenn ich nachts zum spätkauf geh
wüsst ich alle wünsche schon im voraus
wär ich mutter, so wie alle, algorithmus
meine dna gewächshaus. werf ich steine ins getreibe nähern sich blaue sirenen, nicht, um licht zu heulen oder autoraser anzulocken. sie nehmen mich mit
an den baggersee und bringen mir ihren gesang bei: finde uns, auch in unterirdischen schächten
ich brauche keine schlangenhaut und auch keine zangen keinen fischschwanz oder schwarze klauen
mir reicht ein wort von dir, ein augenschlag
wenn du mich anblickst und ein monster siehst
erstarre
 

UNBEKANNTERWEISE FÜR RISK HAZEKAMP

james dean mit james’ lederjacke und jeans  der wind der prärie und der ölfelder texas’ föhnt die 50er haare. alle wollten so sein 
dean, was sie auch taten, um so zu sein wie du mit deinen coolen stiefeln bestiegen sie ihre autos um schneller zu sein als der himmel in hollywood james dean revisited mit james’ jeans und blick  aus dem screen. risk hazekamp als gigant*in  in einer us-landschaft oder photo-montage steht im museum vor knapp 30-jährigen lezzies  die sich an ihre teens erinnern und die fantasie  mit cowboy-hut und james’ jeans auf einer harley in die rocky mountains zu ziehn. mit ihrem ersten crush  wie zwei desert hearts zu posiern 
genau mit dieser coolness von risk hazekamp
 

ANATOMIE

du meine perlenfingernde nonne
oh djuna, du meintest doch keinen rosenkranz, oder?  eine wooly rose vielleicht wie anne sexton?  eine wollene rose, die beim öffnen ihre falten zeigt ein pelziges tierchen, das - anders als eine auster - nicht im kalkgehäuse liegt, eine perle bebrütet  oder von einer stumpfen klinge gebrochen wird um sie dann mit zitrone zu schlürfen 
auch keine schnecke - obwohl schon eher hermaphrodit etwas süßes - auch keine reife pflaume
keine halb gespaltene kastanienhaut, stachlig oder als glatter huf. nein - ich meine - all das nicht
 

LESBISCHE GEDICHTE

wie lesbisch sind deine gedichte, fragte jemand weiß ich nicht, dachte ich, was sie so tun wenn ich nicht hinseh 
es hilft nicht, sie zu beobachten 
denn gedichte sind sehr scheu 
eigentlich genau wie kobolde
nur räumen sie nicht auf
denn gedichte sind total chaotisch 
und geschenke hinterlassen sie auch nicht im schuh denn wovon sollten sie die kaufen 
vielleicht lieben meine gedichte wörter mit o sehen dabei oktopusse wie durch unterwasserfenster  oder brüste in push-up-bhs, mit geplätteten nippeln würden meine gedichte sich selbst schreiben  schrieben sie bestimmt am liebsten onomatopoesie  liebten totoro und wären oft in tokyo 
hörten yoko ono endlos 
glotzten dokus über bonobos 
zitierten lorca und golob in sportstudios 
tauchten ihre fäuste in den orinoco flow 
und sängen an den ufern vom bosporus
küssten sich ganz pomo auf die nackten 
pomodoro roten popos 
bis auch noch der letzte homo sapiens
den glauben an die unschuld der poesie 
verloren hätte
 

ASSOZIATION

würde ich ein bild von ginsberg umdeuten  schreiben: ich griff nach ihrer marmorvulva müsste ich lachen, könnte nicht anders  als an diana denken beim bogenschießen die einbeinig auf zehenspitzen steht und zielt  ihren nackten po vorstreckt als göttliche  vorreiterin von gyms und schwitzigen turnmatten vielleicht ist marmor stoff für steife glieder ein steinwerk reicht nicht für diana, denke ich und sehe den vom see geleckten sand  in den ich meine finger senke
 

DRASTISCHE MAßNAHMEN

in die einsamkeit gehen, so into the wild und alle vier wochen blut aus dem muskelleib, hohlorgan voll schleim leben als eremitin mit eigener höhle könnte ich  mich in die stille gottes versenken. moos 
zwischen den beinen und hirschläuse im haar 
würde in der wüste heuschrecken streifen
in klaren flüssen die lachse, während sie laichen  bin drei wochen lang höchstens agnostisch wie thomas und beim ersten tropfen aus der form der fünften wunde  sicher, dies ist die regelmäßigste theodizee
 

KONVERSATION

ohne ein wort begegnen wir unsren zungen  beschäftigt mit turnübungen
im mund der andern buckeln, sich strecken deklinieren ihre spitzen zwischen den zähnen  ziehen ihre spur von einer metapher zur nächsten über nasenflügel, ohrmuscheln, brustwarzen beide im sprint am nabel vorbei und weiter  zur körpermitte, um dann 
je eine kleine zunge zu finden, die nicht sprechen kann aber zu verstehen gibt, dass sie bereit ist für mehr  als nur small talk
 

HYMNE

singe in lingua franca. french kiss, offen und ehrlich  ein loblied auf die matrjoschkas, aus denen  säuglinge über säuglinge kopfüber in die welt  springen. singe auf die schraubenmutter
die ihre sprache umkreist, damit sie ihr im hals  stecken bleibt. oh, ödipussi. du hast eine lockere lingua zwischen den fingern, die sich zum v  wie beine beim yoga in die luft strecken und  einen umgedrehten triumphbogen andeuten
da stockt die hymne, überschlägt sich 
und als sie wieder aufsteht, ihre buchstaben  aufzusammeln, wird sie zum hymen. das platzt vor lachen  über die alten gäuler der standbilder

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