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Jenseits von Markt und Meer

Benjamin Brix
Benjamin Brix | Image: Poorna Swami © Goethe-Institut / Max Mueller Bhavan

Bis spät in den Abend sitzt Ben vor einem großen Fernseher. Er schaut sich seinen eigenen Film auf dem Bildschirm an, Bilder von Fischhändlern und Verkehr und Blumenverkäuferinnen. Außerhalb dieser Szenen stehen Satellitentürme, Kokosnussbäume und Gebäudeterrassen, die wie Lego-Blöcke angeordnet sind – der Film und seine Stadt überlagern sich. Der White Cube des Galerieraumes und sein Formalismus sind längst vergessen.


Als Benjamin Brix an seinem Projekt für seine bangaloREsidency zu arbeiten begann, ging er davon aus, er würde den Weg der Blumen auf dem K R Market zu ihrem Ursprungsort nachverfolgen. Je mehr Zeit er vor Ort mit jenen Leuten verbrachte, die in verschiedenen Bereichen mit dem Markt verbunden sind, desto näher kam er ihnen und dem Ort. Seine Intentionen veränderten sich dadurch nach und nach wie von selbst. Bald schon waren aus den Fischern und Blumenhändlern in einer Weise Darsteller in Bens Film geworden, der Markt und das Boot hatten sich in sorgsam gestaltete Filmkulissen verwandelt.
 
Endlose frühe Morgenstunden und Besuche in Seidenspinnereien und Fabriken mit mechanischen Webstühlen, sogar eine Reise nach Manglore mit gnadenlosen Stunden auf einem Fischerboot lieferten Ben ein enormes Archiv von Dingen, Menschen und Orten. In Sichtungen dieser endlosen Bilderserie und jener Szenen, die er auf Film bannte, wählte er einige wenige Aufnahmen aus, die etwas von dem widergeben, was er beim Umherstreifen sah und wahrnahm – nicht in chronologischer Ordnung, sondern in einer assoziativen Folge, die verschiedene Lesarten ermöglicht. Hier beschreibt er mit eigenen Worten und Bildern die Arbeit während der Residency:
  © Benjamin Brix Ich möchte das Bildmaterial nicht als Dokumentationsmaterial, sondern als fictional footage verwenden. Für mich ist es kein Problem, Dinge widerzuspiegeln, um sie auf ungewöhnliche Art zu behandeln. Mir ist es gleich, ob ich die Wahrheit sage. Ich fühle mich nicht dazu gezwungen, etwas zu dokumentieren.
 © Benjamin Brix  © Benjamin Brix Ich hatte große Angst, dies würde zu so etwas wie einer Dokumentation werden. Ich möchte nichts erklären. Der Unterscheid zwischen dem Dokumentarischen und der Kunst liegt darin, dass man in der Kunst mehr Freiheit besitzt, viele Gedanken zu haben. Wohingegen eine gute Dokumentation alles ganz genau erklärt.
 © Benjamin Brix  © Benjamin Brix Am besten fühlte ich mich auf dem Boot. Wir hielten uns zwölf Stunden lang an einem kleinen Ort auf. Das war für alle eine Herausforderung. Wegen des Wetters und der Wellen. Wir kamen uns in gewisser Weise sehr nahe.
 © Benjamin Brix  © Benjamin Brix  © Benjamin Brix Einer der Typen aus Bangalore meinte zu mir: “Ich will nicht der weiße Typ mit der Kamera sein.“ Dieser Gedanke kommt mir nicht mehr, aber ich verstehe, wo er herstammt. Und den hinter sich zu lassen, ist schon ein ein beachtlicher Schritt… In Deutschland gibt es keine solchen Klassengegensätze wie hier. Ich komme von einem Bauernhof. So bin ich aufgewachsen. Als ich zum letzten Mal meine Eltern besuchte, half ich bei der Kartoffelernte. So bin ich schon ganz anders als sie (die Fischer), und ihnen andererseits doch auch sehr ähnlich.
 © Benjamin Brix  © Benjamin Brix Ich denke, man macht sich etwas vor, wenn man meint, ein Gefühl, das man im wirklichen Leben empfindet, in das Medium Film übersetzen zu können. Aber das hat auch Vorteile… wenn man herumsitzt und diese Arbeit beobachtet, dann hat man viel mehr Zeit, um herumzuschauen und zu sehen, was passiert. Wenn man selbst vor Ort ist, kann man viel mehr sehen, doch man kann sich nicht auf eine Sache konzentrieren. Die Rahmung einer Situation gibt einem die Gelegenheit, mehr zu sehen, aber zum anderen ist es ganz etwas anderes, als vor Ort zu sein. 
 © Benjamin Brix Ich könnte endlos so weitermachen.

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