Unterwegs mit ...
... Danko Rabrenović durch Düsseldorf
In Düsseldorf ist alles nur zehn Minuten entfernt. Ein Umstand, den Danko Rabrenović sehr schätzt. Er hat die Rheinmetropole als seinen Wohnort und als Epizentrum seines Lebens gewählt. Auf dem Fahrrad erkunden wir sein Düsseldorf.
Wobei diese Wahl zu Beginn keine freiwillige war. Der am 9. Februar 1969 in Zagreb als Sohn einer Kroatin und eines Serben geborene Musiker, Autor und Radiomoderator erreichte Deutschland als Flüchtling. Er musste Belgrad, die Stadt in der er aufwuchs, in der seine Freunde leben und er seine erste Band gründete, hinter sich lassen, um dem Kriegsdienst in dem wohl blutigsten Konflikt, den Europa seit Ende des Zweiten Weltkrieges gesehen hatte, zu entgehen. Somit kann er all diejenigen Menschen sehr gut verstehen, die sich dieser Tage auf einer Flucht quer über den Globus nach Europa befinden. Wobei er an dieser Stelle betont, dass er nicht „in einem Schrottboot über das Mittelmeer fahren musste“ und einem unsicheren Schicksal in einem Auffanglager entgegen steuerte.
Erste Etappe: KIT
Danko ist gerne in Bewegung, sieht sich als eine Art moderner Nomade. Ohne seine gewohnte Umgebung zu verlassen und seinen Horizont zu erweitern, ist der Mensch eben nur schwer in der Lage, andere Kulturen und andere Menschen zu verstehen. Wer immer nur daheim bleibt, verbaut sich eine wichtige Prägung seines Charakters. Ein Umstand, der allzu oft zu dem Verhalten führt, das sich dieser Tage wieder einmal in Form von Angst und Hass gegen Fremde zeigt.In Bewegung wollen Danko und ich heute auch sein. Nach Tagen des Regens hat sich endlich eine Wetteraussicht aufgetan, an der wir gemeinsam auf dem Sattel unserer Fahrräder sein Düsseldorf abfahren können. Unser Treffpunkt ist das Café des KIT, kurz für „Kunst im Tunnel“, am Rheinufer in unmittelbarer Reichweite des Landtages und in Sichtweite der Spitze des Fernsehturms. Hier hält sich Danko gerne auf.
Heimat liegt im Herzen
Danko sagt über sich selber, dass er gerne unterwegs ist. Damit verbindet er ein positives Gefühl. „Es ist eine Geschichte, die sich alle modernen Nomaden teilen. Wir tragen die Heimat im Herzen, es ist keine geographische Koordinate, sondern ein Gefühl. Auf dem Weg zu einem neuen Ort erwartet man immer etwas Gutes. Aber dort angekommen erkennt man auch wieder, neben allem Schönen, Dinge, die man lieber vergessen würde, die in „der anderen Heimat“ wiederum besser waren.“ Rückblickend meint Danko, dieses Gefühl schon in der Kindheit gehabt zu haben. Als Jugendlicher jedoch war dies „nicht sein Thema“, wirklich hervorgebracht hat das erst das Verlassen des ehemaligen Jugoslawien.Den ersten Eindruck, den Düsseldorf auf ihn machte, war dabei nicht der Beste. Auch wenn es nach Recklinghausen eine Steigerung war, so erschien ihm Düsseldorf zunächst als langweilig, spießig, zu sauber und reich. Hierhin brachte ihn das Studium und seine damalige Freundin. „Jedes Mal, wenn ich Freunde in Paris oder Berlin besuchte und dann wieder hier in der S-Bahn saß, dachte ich mir: Was machst du hier? Heute aber, 20 Jahre später, finde ich Düsseldorf wunderschön. Als Familienmensch mit Kindern würde ich ungern in Berlin leben. Hier ist alles überschaubar.“
Rheinabwärts Richtung Tonhalle und zu den Rheinwiesen
Zwischen Bäcker und Büro: Die Nordstraße
Von hier aus geht es auf den Drahteseln weiter quer durch Pempelfort gen Nordstraße. Auf der geschäftigen Straße liegt für Danko alles, was er braucht. Sein Supermarkt, der Bioladen, genau wie der Hausarzt und der DPD-Shop, über den er CDs und Vinyl an Fans versendet. Aber auch sein gesamter Mikrokosmos in Düsseldorf befindet sich in unmittelbarer Umgebung, maximal zehn Minuten entfernt. Alle Mitglieder seiner Band wohnen zwischen Pempelfort und dem Zooviertel jenseits der Bahntrasse. Er lebt hier mit seiner Frau und den beiden Kindern. Studio und Probenraum der Band befinden sich in einem Hinterhof auf angenehmen 120 Quadratmetern zusammen mit seinem Büro. „Früher habe ich von zu Hause aus gearbeitet, aber irgendwann ging das nicht mehr. Wenn das zweite Kind in dein Leben tritt, dann kannst du daheim nicht mehr ohne Unterbrechung arbeiten. Du kannst nicht einfach die Tür zumachen. In meinem Büro kann ich mich ganz auf die Arbeit konzentrieren, bin aber immer in Rufweite. MeineTochter geht hier um die Ecke zur Schule. Wenn was ist, bin ich direkt da.“
Kreativzentrum Münsterstraße
„Mein Fokus als Jugendlicher lag auf der Band, ich wollte Popstar werden“, so Danko. „Aber es hat sich dann irgendwie so ergeben. Ich bin durch einen ehemaligen Kollegen meiner Mutter beim WDR gelandet. Ich merke aber jetzt immer wieder, wieviele Dinge ich als Kind zweier Radiojournalisten aufgesogen habe. Das Bild auf meinem Schreibtisch ist dennoch Zufall. Als mein Vater '97 starb, hab ich dieses Bild gesehen und mitgenommen. Da war ich aber noch nicht beim Radio. Das Verrückte ist, dass er das gar nicht weiß. Weder, dass mein Bruder, noch dass ich beim Radio gelandet sind. Aber er wäre sicher stolz auf uns.“ In seiner Sendung „Balkanizer“ unterhält sich Danko mit Menschen aus seiner Umgebung und solchen, die mit ihm Kontakt aufnehmen, über ihre Geschichten und ihren Bezug zum Balkan. Seit mittlerweile 500 Folgen mischen sich dort Musik und „oral history“.
Grenzenloser Balkan, grenzenlose Welt
Balkan bedeutet für „den Balkanizer“ nicht nur das ehemalige Jugoslawien, sondern auch alles drumherum, von Rumänien über Bulgarien, Griechenland bis Albanien. „Grenzen, Nationalgefühl und Ausweise sind mir zuwider. Das sind alles nur Schubladen. Vorurteile, sind etwas, wonach wir eingeordnet werden und wir uns einordnen. Das fängt schon ganz klein an. Wenn du im Stadion bist, dann bist du Fan deines Vereins, wenn du irgendwohin reist, dann bist du plötzlich Deutscher, zumindest, wenn du so aussiehst. Hast du einen deutschen Pass, bist aber schwarz, dann fragen dich die Leute, woher du kommst. Sagst du dann: Aus Deutschland, dann fragen sie dich, wo du geboren bist. Wenn du dann sagst: In Deutschland, dann fragen sie dich, woher du kommst, ob du aus Eritrea oder dem Sudan kommst. Das ist doch Unsinn, denn du bist Mensch und nicht nur ein Puzzlestück aus deinem Ganzen. Je älter man wird, desto komplizierter und verwirrender wird dieses Bild. Aber das ist eben eine gute Vielschichtigkeit. Kein Mensch ist wie der andere. Selbst zwei Brüder, die gleich aufgewachsen sind, können völlig unterschiedlich sein. Der eine ist ein Mörder, der andere ist ein Heiliger.“
Vier Balkanesen, drei deutsche Gastarbeiter
Auf dem neuen Album „Aprililili“, erschienen 2015, schlägt Trovači auch sozial- und gesellschaftskritische Töne an. „Bei dem Song Che geht es darum, dass uns in Jugoslawien die Politiker immer nur an der Nase herumführen. Es ändert sich halt nichts, egal wer an die Macht kommt. Das sind immer Nationalisten, die korrupt sind. Wir haben aber auch einen Song darüber, dass wir alle von der NSA abgehört werden. Der ist natürlich auf Englisch, damit die nicht extra einen Übersetzer beschäftigen müssen.“