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Humboldt Forum
Das Humboldt Forum und die Kolonialismus­debatte

Dekolonisierung – Die Humboldt-Universität in der Straße Unter den Linden im Berliner Stadtbezirk Mitte. Im Vordergrund steht die Statue Wilhelm von Humboldt.
Die Humboldt-Universität in der Straße Unter den Linden im Berliner Stadtbezirk Mitte. Im Vordergrund steht die Statue Wilhelm von Humboldt. | Foto (Detail): © picture-alliance / Eibner-Pressefoto

Erst seit Juli 2021 ist das Humboldt Forum für die Allgemeinheit zugänglich. Seit Planungsbeginn steht das Haus im Zentrum einer hitzigen Debatte über Raubkunst und die koloniale Vergangenheit Deutschlands. Im Herbst 2021 sollen die ethnologischen Sammlungen endlich auch für Besucher*innen geöffnet werden, doch noch ist unklar, wie man mit den Restitutionsforderungen bezüglich einiger afrikanischer Kunstwerke umgehen will.

Von Roberto Sassi

DIE BRÜDER HUMBOLDT UND DAS UNIVERSALMUSEUM

Wenige hundert Meter vom neuen Berliner Schloss entfernt, Höhe Hausnummer 6 Unter den Linden, wachen die Statuen von Wilhelm und Alexander von Humboldt vor den Toren der nach ihnen benannten Universität. Die imposante Größe der beiden exakt zweieinhalb Meter hohen Denkmäler erinnert Passant*innen an die Bedeutung der beiden Brüder für die Geschichte der Stadt.

Als die Kommission „Historische Mitte Berlin“ im Dezember 2000 vorschlug, auf dem ehemaligen Areal der Residenz der Hohenzollern ein den Brüdern Humboldt gewidmetes Kulturzentrum zu errichten, sprachen viele von der idealen Lösung. Alexander stand aufgrund seiner Expeditionen und Naturstudien für Weltoffenheit und den Wunsch, das geografisch und kulturell Ferne kennenzulernen; die linguistischen Studien Wilhelms, aber vor allem seine wichtige Rolle bei der Gründung des Alten Museums, waren ein ebenso starkes Symbol für den Dialog zwischen Völkern und Epochen.
Dekolonisierung – Die Humboldt-Universität in der Straße Unter den Linden im Bezirk Mitte. Im Vordergrund steht die Statue Alexander von Humboldt. Die Humboldt-Universität in der Straße Unter den Linden im Bezirk Mitte. Im Vordergrund steht die Statue Alexander von Humboldt. | Foto: © picture-alliance / Eibner-Pressefoto Die Leistungen der beiden Wissenschaftler spiegelten perfekt den Geist des Projekts wider, das damals zunehmend an Zustimmung gewann: die Rekonstruktion des Schlosses als Museum für außereuropäische Kunst sowie als Ort der Forschung und Diskussion. Auf diese Weise würde die Museumsinsel, mit Sammlungen aus aller Welt, nun tatsächlich zu jenem „Universalmuseum“ werden, das Alexander von Humboldt bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts vorschwebte.

KOLONIALE VERGANGENHEIT UND RAUBKUNST

Doch der Fall Humboldt Forum lehrt uns: Sich von der Vergangenheit inspirieren zu lassen – und sei es mit den besten Absichten – kann unangenehme Begleiterscheinungen zur Folge haben. Vor allem, wenn es sich dabei um ein umstrittenes Kapitel der eigenen Geschichte handelt, wie im konkreten Fall die Zeit des deutschen Kolonialismus in Afrika. Die Entscheidung für den Wiederaufbau der ehemaligen Königsresidenz, die auch architektonisch an den preußischen Militarismus erinnert, zumal mit dem Ziel, dort Sammlungen aus dem kolonialen Kontext auszustellen, schien vielen zumindest fragwürdig. Man bedenke nur, dass der Bestand des Ethnologischen Museums Berlin vor der Kongokonferenz 1884/85 nicht mehr als 3.361 afrikanische Artefakte umfasste, zum Ende der Kolonialzeit 1919 hingegen bereits mehr als 50.000 (heute etwa 75.000).

Umstritten ist also nicht nur das Schloss. Die französische Kunsthistorikerin Bénédicte Savoy kritisierte 2017 nach ihrem Austritt aus der Expert*innenkommission des Humboldt Forums scharf den Mangel an Forschung zur Provenienz zahlreicher Ausstellungsobjekte, insbesondere der afrikanischen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung verglich Savoy das Humboldt Forum mit Tschernobyl und meinte, die Stiftung Preußischer Kulturbesitz würde Raubkunstexponate wie radioaktiven Abfall behandeln.

DIE BENIN-BRONZEN

Das Ethnologische Museum Berlin wartet derzeit auf seine Wiedereröffnung. In der Zwischenzeit hat man zugesichert, die Exponate angemessen zu kontextualisieren, während gleichzeitig die Herkunft einiger hunderter Objekte in dessen Besitz überprüft wird. Anstrengungen, die von manchen vor allem in Anbetracht der Menge der Ausstellungsobjekte als unzureichend empfunden werden. Fest steht, dass auch umfassende Untersuchungen nicht ausreichen werden, um die Diskussion zu beruhigen. Seit Jahren fordern afrikanische Museen, dass zumindest ein Teil der während der Kolonialzeit gestohlenen Werke restituiert wird. Gleichzeitig stellen sie klar, dass sie nicht beabsichtigen, die europäischen Museen leerzuräumen, sondern lediglich Objekte von symbolischem und rituellem Wert zurückhaben wollen. Und viele dieser Objekte befinden sich in der deutschen Hauptstadt.
 
Im August 2019 forderte der nigerianische Botschafter in Deutschland, Yusuf Tuggar, die Rückgabe der Benin‑Bronzen – einer Gruppe von Metalltafeln und ‑skulpturen, die einst den Königspalast von Benin im Gebiet des heutigen Nigerias schmückten und zwei große Säle des Humboldt Forums belegen sollen. Tuggars Forderung blieb unbeantwortet, also schrieb er im Dezember 2020 erneut an Kanzlerin Angela Merkel und Kulturstaatsministerin Monika Grütters. Dem folgten zahlreiche weitere Forderungsschreiben, bis Grütters schließlich in die Rückgabe einwilligte und erklärte, dass die Benin‑Bronzen 2022 nach Afrika zurückkehren sollen. Die genauen Modalitäten müssen dabei allerdings noch geklärt werden, ebenso wie die Frage, ob einige Stücke in Form von Leihgaben im Museum in Berlin verbleiben können.
 
Keine besonders ermutigende Ausgangslage für ein Museum, das sich als Ort der kritischen Auseinandersetzung mit dem Kolonialismus versteht. Doch es gibt auch Stimmen, die argumentieren, dass die gesamte Debatte ohne das Humboldt Forum und seine Widersprüche auf ein überschaubares akademisches Umfeld beschränkt geblieben wäre. Eines scheint gewiss: Die Art und Weise, wie das Humboldt Forum mit dem Thema Raubkunst umgehen wird, wird uns zugleich Aufschluss über das Profil und die Zukunft eines Hauses geben, das sich als „Universalmuseum“ positionieren will.

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