Digitale Erprobungsfelder
meine Eindrücke

Comic 1; Jule Pfeiffer-Spiekermann © Jule Pfeiffer-Spiekermann


Seit 2018 findet KunstTherapie to go© digital statt. Auch in der Literaturvermittlung bieten wir jetzt Webinare und online-Workshops an, bisher meist für Erwachsene. Digitales Arbeiten mit Kindern kann erstaunlich kreativ sein..

Arbeiten mit Einzelpersonen oder Zweiergruppen

Sowohl für die Arbeit mit Erwachsenen als auch mit Kindern ergab sich für mich die Notwendigkeit des digitalen Arbeitens aus den internationalen Anfragen. So arbeite ich bereits seit 2018 als KunstTherapeutin mit KunstTherapie to go©. Menschen zwischen 11 und 92 Jahren, die z.B. in Berlin, Bayern, Baden-Württemberg, NRW, Hessen, in der Türkei, in Kanada oder Kroatien wohnen, nehmen, überwiegend in Einzelterminen, Kunsttherapeutisches Coaching in Anspruch. Viele der Kinder und Jugendlichen, die ich über diese Arbeit näher kennengelernt habe, fanden diese Form des Arbeitens in ihren eigenen „geschützten“ Räumen besonders hilfreich.

Alle Teilnehmer, egal welchen Alters, bekommen bei dieser Coaching- oder Therapieform nach einem einleitenden Gespräch per Video-Call oder per Telefon eine gestalterische Aufgabe gestellt, die sie im Laufe einer Woche unter ihren heimischen Bedingungen umsetzen können. Am Ende fotografieren sie diese Arbeit mit dem Smartphone und schicken mir das Ergebnis zu. Darüber wird dann beim nächsten Wochentermin gesprochen und oft ergibt sich so schon die nächste Aufgabe. Diese Form des digitalen Arbeitens ist für mich seit drei Jahren erprobter Arbeitsalltag und funktioniert hervorragend.

Arbeiten mit Gruppen – analog und digital

In der Literaturvermittlung sind meine Kolleginnen und ich seit 2003 aktiv. Vor der Pandemie waren wir oft international bei Fortbildungs-Workshops, Veranstaltungen zum Thema Leseförderung und kreativer Literaturvermittlung unterwegs. Inzwischen werden wir von Veranstaltern, wie Stadtbüchereien, Literatur-Festivals oder Jugendfreizeit-Einrichtungen angefragt um auch online-Angebote durchzuführen. So gab es letzter Zeit vermehrt online-Workshops und Webinare, sowohl für Kinder als auch für Erwachsene. Hierbei wird deutlich, dass das Planen und Durchführen von abwechslungsreichen, digitalen Veranstaltungen durchaus anstrengend ist und eigene Kompetenzen erfordert. Bei Pinselfisch haben wir festgestellt dass das Leiten von Webinaren oder Workshops als Zweierteam ungleich entspannter vonstatten geht. Das analoge Arbeiten mit „echten Menschen“, die Wahrnehmbarkeit von Gefühlen und Stimmungen im Raum ist durch nichts zu ersetzen. Die Möglichkeiten des persönlichen Austauschs, das genauen Hinschauen und Nachfragen sind digital leider nicht annähernd so gegeben wie in einem analogen Workshop.

Persönlicher Rückblick:

Rückblickend lässt sich feststellen: es war gut, bereits vor der Pandemie mit den Möglichkeiten des digitalen Arbeitens begonnen zu haben. Die vorhandenen, positiven Erfahrungen halfen bei der Überwindung von Schwierigkeiten, z.B. bei Videokonferenzen, es gab bereits Ansprechperso-nen für technische Fragen und natürlich stellten auch die Grenzen des schnellen Internets und der Hardware immer wieder Herausforderungen dar. Ein besonderer Entwicklungsschub kam für mich persönlich mit der Anschaffung einer kleinen, externen Dokumenten-Kamera, mit der ich meine gestalterischen Impulse und eigene, künstlerische Ideen übertragen kann.
 
© Jule Pfeiffer-Spiekermann

Meine Erkenntnis-Top-5 in Hinblick auf die (digitale) Arbeit mit Kindern:

Kinder können endlich mal etwas besser als die Erwachsenen 
Der intuitive Aufbau von Apps und Anwendungen, Internetportalen oder Suchmaschinen stellt für Kinder an sich keine Hemmschwelle dar, sie „klicken“ sich durch und merken sich Wege und Funktionen. Sie kennen sich schnell gut aus und können endlich mal etwas wirklich besser als die Erwachsenen, ja können sogar Hilfestellung, Tipps und Hinweise geben. Es ist wie beim Memory-Spielen, wo Kinder immer gewinnen. Also: lassen wir uns von den Kindern beeindrucken!
 
Kinder haben Erfahrung
Seit sich in den Zeiten der Pandemie abgezeichnet hat, dass Schule auch online stattfinden muss, sind die Kinder fast überall auf der Welt erfahren im Umgang mit der Hardware aber auch mit online-Gruppensituationen. Mich hat immer wieder überrascht, zu erleben, wie souverän die Kinder mit Fragen, Aufgabenstellungen, Gruppenarbeiten etc. online umgehen. Sie verhalten sich mehrheitlich digital absolut kollegial und diszipliniert.
 
Comic 2; Jule Pfeiffer-Spiekermann © Jule Pfeiffer-Spiekermann Kinder sind interessiert am Digitalen
In den Zeiten der Pandemie dürfen Kinder jetzt endlich online sein und können da abgeholt werden, wo sie sind. Der Zugang zu den endsprechenden Geräten ist dennoch nicht überall gegeben, auch in Deutschland  hat, nach der aktuellen IZI-Studie von 2020,  jedes 3. Kind keinen Zugang. Daher muss unbedingt dafür gesorgt werden, dass niederschwellige Angebote auch außerhalb der heimischen Wohnungen in Bibliotheken, Jugendfreizeit-Einrichtungen u.ä. gemacht werden, damit diese Kinder gesellschaftlich nicht komplett abgehängt werden.
 
Kinder wissen den analogen Kontakt mehr zu schätzen
Mein erster analoger Workshop NACH dem Lockdown mit nur wenigen Kindern (wegen der Abstandsregeln) war ein Freudenfest. Einige Kinder hatten zwar einen ziemlichen Redebedarf, aber sie waren enorm dankbar für mein analoges Angebot, dass ihrer kreativen Entfaltung diente, und somit kein „Schulstoff“ war. Kommentar einer 8 jährigen beim Verlassen der Veranstaltung:„Das war ja jetzt mal richtig cool...!“
 
digitales und analoges Lernen wertschätzen und mischen
Eine Freundin und Bibliotheksleiterin in Berlin hat es neulich so formuliert:
„beide Lernformen gezielt und gekonnt einsetzen, das ist es, worauf es in Zukunft ankommen wird“. Da hat sie recht: spielerisches und digitales Lernen, gemischt mit analoger und haptischer Wissensvermittlung in einem gemeinsamen Raum, abwechselnd digital oder analog, das erweitert die Möglichkeiten auch eines jeden einzelnen Schülers.
 
Es bleibt zu hoffen, dass die während der Pandemie gemachten Erfahrungen im Bereich der digitalen Vermittlung auch auf Seiten der Multiplikator*innen zu einer erweiterten Wertschätzung dieser Methode geführt haben. Dann kann abwechslungsreiches Lernen auf Seiten der Erwachsenen und der Kinder und Jugendlichen stattfinden!
  Comic 1; Jule Pfeiffer-Spiekermann © Jule Pfeiffer-Spiekermann

Resümee:

Als Vermittlerin kreativer Techniken ist auch für mich der reale Kontakt mit Menschen jeden Alters nicht zu ersetzen. Aber sowohl die Vermittlung der Grundtechniken des Handlettering als auch beim Comiczeichnen funktionieren Workshops auch online. Es sind neue und kreative Formen der persönlichen Ansprache erforderlich, Gruppen sollten nach meiner Erfahrung eher klein sein. Wenn technische Unterstützung erreichbar ist, fürchten sich auch die älteren Semester nicht mehr so sehr vor der digitalen Welt (...ich weiß, wovon ich rede...)
Wenn wir etwas aus dieser extremen und herausfordernden Zeit lernen konnten, dann das:
lasst uns mehr wie Kinder sein, neugierig, spielerisch und im Vertrauen darauf, dass nichts Schlimmes passieren kann, wenn man mal den falschen Knopf drückt.
 
Autorin:
Jule Pfeiffer-Spiekermann (geb. 1959)
Diplom-Designerin und Illustratorin
Kunsttherapeutin (AGK) & Coach
Literaturvermittlung
2003 Gründung des Literatur-Projektes Pinselfisch:
www.pinselfisch.de
[Vermittlung von Methoden und Ideen zur Leseförderung und Sprachbildung]
Workshops für Kinder & Jugendliche
Fortbildungen für Pädagog*innen und Vermittler*innen.
20 Jahre Erfahrung in Kinder-/Jugendarbeit/Erwachsenenbildung.
Arbeit mit unbegleiteten, minderjährigen Flüchtlingen
(kreative) Umgangsbegleitungen und Umgangspflegschaften