Die Deutsche Filmwoche, eine jährliche Filmschau, die das Kino unseres westlichen Nachbarn präsentiert, wird gemeinsam vom Nürnberger Haus in Krakau, dem Goethe-Institut in Warschau und dem Deutschen Generalkonsulat in Breslau organisiert. Die diesjährige Ausgabe beginnt am 23. Januar 2026 und wird in 10 Städten in Polen zu Gast sein: Kraków, Warszawa, Wrocław, Katowice, Opole, Poznań, Łódź, Gdańsk, Kielce und Rzeszów. Auf dem Programm stehen sorgfältig ausgewählte Filme, Produktionen, die auf internationalen Filmfestivals triumphiert haben, Literaturverfilmungen, herausragende Debüts, Oscar-nominierte Filme sowie Filme, in denen soziale Probleme eine wichtige Rolle spielen und außergewöhnliche Persönlichkeiten gezeigt werden.
Warszawa – kino Muranów
Wrocław – kino Nowe Horyzonty
Kraków - Kino pod Baranami
Poznań - Kino Muza
Gdańsk - Kino Żak
Opole - Kino Helios
Katowice - Kino Światowid
Łódź - Narodowe Centrum Kultury Filmowej
Rzeszów - Kino Zorza
Filmbeschreibungen
Hier finden Sie die Filmbeschreibungen und entsprechende Trailer!
Heldin
Schweiz, Deutschland, 92 Min.
Drehbuch und Regie: Petra Volpe Kamera: Judith Kaufmann Darsteller*innen: Leonie Benesch, Sonja Riesen, Selma Jamal Aldin, Alireza Bayram
Festivalvorführungen: Berlin 2025, Zürich 2025, Camerimage 2025
Wir lernen Floria Lind, eine Krankenschwester in der chirurgischen Abteilung eines Zürcher Krankenhauses, kennen, als sie ihren Nachtdienst antritt. Aufgrund von Personalmangel ist sie mit Arbeit überlastet. Die Patienten erwarten Empathie und Aufmerksamkeit, und Floria versucht, diesen Anforderungen gerecht zu werden, obwohl die Herausforderungen, denen sie sich stellen muss, manchmal ihre Kräfte übersteigen. Da die Kamera die Protagonistin keinen Moment aus den Augen lässt, befinden wir uns mitten im Geschehen und die Verantwortung für die Gesundheit und das Leben der Patienten wird auch zu unserer Aufgabe.
Die außergewöhnliche Dynamik des Films spiegelt die Dramatik der Krankenhausrealität wider. Nichts kann bis morgen warten, nichts kann auf einen günstigeren Zeitpunkt oder bessere Umstände verschoben werden. Wie in einem klassischen Thriller bauen die Filmemacher Spannung um die Pflichten einer Krankenschwester auf, deren Übermüdung unweigerlich Unglück ankündigt.
Die Regisseurin und Drehbuchautorin Petra Volpe erzählt von der Arbeit in einem Beruf, der nicht ersetzt werden kann. Ihr Film ist einerseits eine Hommage an Krankenschwestern, Rettungssanitäter und Ärztinnen, andererseits eine Warnung vor der Situation, in der sich immer mehr Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen befinden. Der Personalmangel betrifft die Gesundheitssysteme in ganz Europa und wird weiter zunehmen.
Die Titelrolle der „Heldin” spielt Leonie Benesch, eine hervorragende Schauspielerin, die dem polnischen Publikum aus ihrer Hauptrolle im Film „Das Lehrerzimmer” bekannt ist. Der Film ist der Oscar-Kandidat aus der Schweiz.
Petra Volpe, geboren 1970, studierte Kunst an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich sowie Dramaturgie und Drehbuch an der Filmuniversität Konrad Wolf in Babelsberg bei Potsdam. Ihr Debüt gab sie 1999 mit dem Film Der Kuss, aber erst der 2017 gedrehte Film Die göttliche Ordnung brachte ihr sowohl bei Kritikern (Schweizer Filmpreis für das beste Drehbuch) als auch beim Publikum Anerkennung. Der Film wurde in vielen Ländern gezeigt, darunter auch in Polen. Heldin ist ihr nächster Film.
Amrum
Deutschland, 100 Min.
Regie: Fatih Akin Drehbuch: Fatih Akin, Hark Böhm Kamera: Karl Walter Lindenlaub Darsteller*innen: Jasper Billerbeck, Kian Köppke, Laura Tonke, Diane Kruger, Matthias Schweighöfer
Nanning, der zwölfjährige Held des neuesten Films von Fatih Akin, ist der Inbegriff eines braven Jungen aus jener Zeit. Er ist gut erzogen, gehorsam, liebt seine Eltern und sein nationalsozialistisches Vaterland. Das nahende Ende des Zweiten Weltkriegs und die Bombardierung deutscher Städte sind der Grund für den Umzug von Hamburg auf die titelgebende Insel Amrum, in das Elternhaus seiner Mutter.
Für den Jungen ist es nicht leicht, sich in die lokale Gemeinschaft zu integrieren, die einen für ihn unverständlichen Dialekt spricht und im Gegensatz zu seinen Eltern und seinem Onkel, einem Parteifunktionär, der nationalsozialistischen Ideologie skeptisch gegenübersteht, insbesondere angesichts der immer schwieriger werdenden Lebensbedingungen. Nach der Geburt ihres vierten Kindes, am Tag von Hitlers Selbstmord, verfällt Nannings Mutter in eine tiefe Depression und verweigert die Nahrungsaufnahme, wobei sie sagt, dass sie nur Lust auf ein Brötchen mit Butter und Honig habe. Wie in einem klassischen Märchen steht der Sohn vor einer großen Herausforderung und Schwierigkeiten, die er überwinden muss, um ihren Wunsch zu erfüllen.
Fatih Akin adaptierte und inszenierte die Kindheitserinnerungen seines Freundes und Mentors, des bekannten deutschen Schauspielers Hark Bohm, der aufgrund seines hohen Alters nicht mehr die Kraft hatte, dieses Projekt zu verwirklichen. Der Film erzählt die Geschichte eines beschleunigten Erwachsenwerdens in schwierigen Zeiten und an einem ungewöhnlichen Ort.
Die Bewohner der Insel Amrum sprechen den vom Aussterben bedrohten nordfriesischen Dialekt Öömrang. Ihr Lebensrhythmus wird nicht nur von den typischen Alltagsaktivitäten bestimmt, sondern auch von den Gezeiten, die die Insel vom Festland trennen. Ein großer Wert des Films, der beim letzten Festival in Cannes in der Sektion „Un certain regard” seine Premiere feierte, sind die hervorragenden Aufnahmen von Karl Walter Lindenlaub, die die raue Schönheit dieses außergewöhnlichen Ortes unterstreichen.
Fatih Akin ist ein deutscher Regisseur, Drehbuchautor und Filmproduzent türkischer Herkunft, der 1973 in Hamburg geboren wurde. Er studierte Visuelle Kommunikation an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg und begann seine Karriere mit Kurzfilmen, bevor er 1998 seinen ersten Spielfilm Kurz und schmerzlos drehte. Er ist Gewinner zahlreicher renommierter Preise, darunter der Goldene Bär für Gegen die Wand (2004) und der Preis für das beste Drehbuch in Cannes für Auf der anderen Seite (2007) sowie der Golden Globe für den besten nicht-englischsprachigen Film für Aus dem Nichts (2017).
Das Licht
Deutschland, 162 Min.
Drehbuch und Regie: Tom Tykwer Kamera: Christian Almesberger Darsteller: Nicolette Krebitz, Lars Eidinger, Tala Al-Deen, Elke Biesendorfer, Julius Gause
Festivalvorführungen: Berlin 2025, Essen 2025
Der Vater, Tim, ist ein ruhiger und gelassener Kreativdirektor in einer Werbeagentur, die großen Konzernen Marketingkonzepte mit progressiven Slogans verkauft. Im Gegensatz zu ihm ist die Mutter Milena eine gestresste Mitarbeiterin von Hilfsorganisationen in Afrika und reist ständig zwischen Berlin und Nairobi hin und her, wo sie ein Theaterprojekt vorbereitet.
Ihre Kinder sind stereotype Teenager: Jon verbringt seine Tage mit VR-Spielen, weil ihm, einem äußerst schüchternen Jungen, das Leben in der realen Welt zu schwerfällt. Seine Zwillingsschwester Frieda verbringt ihre Nächte mit Freunden in Clubs und scheut sich nicht vor allen möglichen Genussmitteln, was sie jedoch nicht daran hindert, sich für den Klimaschutz zu engagieren. Jedes Mitglied dieser Berliner Familie ist so sehr mit sich selbst und seinen Problemen beschäftigt, dass niemand die Leiche der polnischen Haushälterin bemerkt, die in der Küche an einem Herzinfarkt gestorben ist. Alle bedauern, dass sie nichts über Maja wussten und keine persönliche Beziehung zu ihr aufgebaut haben. Als jedoch eine neue Person, Farrah, eine Geflüchtete aus Syrien, an ihre Stelle tritt, beschließen sie, dies zu ändern.
Der erste Spielfilm von Tom Tykwer seit fast zehn Jahren, der die letzte Berlinale eröffnete, behandelt eine Vielzahl von Themen: von Migration bis zu Klima Aktivismus, von der Pubertät bis zur Midlife-Crisis, aber es ist auch eine Geschichte über das heutige Deutschland und Berlin.
Dem Regisseur ist es gelungen, wie Krzysztof Kwiatkowski in seiner Rezension in der „Gazeta Wyborcza” schreibt, „ein großartiges Porträt Berlins zu schaffen. Tykwer zeigt eigentlich nichts Besonderes. (...) Die Protagonisten von Das Licht fahren Fahrrädern fahren von der Arbeit nach Hause, gehen in ein lokales Restaurant zum Abendessen und rauchen Zigaretten auf der Terrasse eines gläsernen Bürogebäudes. Es ist ein ganz normales Alltagsleben. Und doch spiegelt es eine pulsierende Stadt wider, in der jeder auf eigene Faust nach Glück für sich und seine Lieben sucht, und doch verbindet alle Respekt und Toleranz.
Tom Tykwer wurde 1965 in Wuppertal geboren. Im Alter von 14 Jahren begann er, im Kino zu arbeiten, um nachts unbegrenzt seine Lieblingsfilme sehen zu können. 1984 zog er nach Berlin, wo er fast 10 Jahre lang eines der bekanntesten Programmkinos leitete: das Moviemento. 1993 entstand sein erster Spielfilm, der von den Kritikern sehr gut aufgenommen wurde: Die tödliche Maria. Zusammen mit ehemaligen Kollegen gründet er 1994 die Filmproduktions- und Vertriebsagentur X-Filme Creative Pool. 1998 erscheint der Film Lola rennt, der sowohl künstlerisch (acht Preise und Auszeichnungen bei der Verleihung des Deutschen Filmpreises) als auch kommerziell ein großer Erfolg wird. Auf der Grundlage eines Drehbuchs von Krzysztof Kieślowski und Krzysztof Piesiewicz entsteht Heaven und später weitere Filme, die in den Vereinigten Staaten gedreht werden, darunter Perfume: The Story of a Murderer. In den Jahren 2017-2025 war er Mitgestalter der Serie Babylon Berlin, einem der größten Erfolge seines Genres. Tom Tykwer ist auch Komponist von Filmmusik.
Festivalvorführungen: München 2025, Thessaloniki 2025.
Auszeichnungen: Preis für die beste Regisseurin und das beste Drehbuch beim Filmfestival in München im Wettbewerb des Neuen Deutschen Kinos
Christina Tournatzés beginnt ihr Spielfilmdebüt mit einer geradezu idyllischen Szene. Während eines Familienausflugs aufs Land wartet die 12-jährige Karla auf einen günstigen Moment und flieht über Wiesen und Felder, um am Abend die Polizeiwache in München zu erreichen und eine Beschwerde einzureichen – gegen ihren Vater.
Sie weigert sich jedoch, den Beamten den Grund zu nennen, und besteht darauf, mit einem Richter zu sprechen. Bevor sie sich zu diesem dramatischen Schritt entschließt, liest sie in der Bibliothek die gesetzlichen Bestimmungen zu „unzüchtigen Handlungen” und fragt in einem Gespräch mit Richter Lamy, der spät in der Nacht herbeigerufen wurde, ob diese auch für Kinder gelten. Sie will oder kann nicht beschreiben, was zwischen ihr und ihrem Vater vorgefallen ist, weder in dieser Nacht auf der Polizeiwache noch in den folgenden Tagen im Büro des Richters.
Karla kommt in ein Mädchenheim, das von Nonnen geführt wird. Die Tatsache, dass Karla sich unter den strengen Klosterbedingungen wohler fühlt als zu Hause bei ihrer Familie, bringt den Richter dazu, ihr zu glauben und sie ernst zu nehmen.
Inspiriert von einer wahren Begebenheit aus dem Jahr 1962, erzählt der Film die Geschichte eines jungen Mädchens, das den Mut findet, sich gegen die Gewalt zu wehren, der sie ausgesetzt ist. Sie widersetzt sich der Autorität ihres Vaters, dem Schweigen ihrer Familie und einer Gesellschaft, die lieber wegschaut, als zuzuhören. Die Regisseurin rekonstruiert Karlas Geschichte mit einzigartigem Feingefühl: Sie erzählt von dem Unrecht, das ihr widerfahren ist, ohne es mit Worten zu beschreiben und mit Bildern zu zeigen.
Die Entschlossenheit dieses Mädchens, das für Gerechtigkeit und ein Leben ohne Gewalt kämpft, ist beeindruckend, und ihre Würde und ihre außergewöhnliche stille Kraft erwecken Bewunderung und zeigen, dass konsequenter Widerstand mehr bewirken kann, als man für möglich gehalten hätte.
Christina Tournatzés, geboren 1992 in München, ist eine griechisch-deutsche Filmregisseurin und Drehbuchautorin. Sie studierte Regie an der Macromedia Hochschule für Medien und Design in München. Ihr Abschlussfilm Cargo (2019) wurde auf zahlreichen Festivals gezeigt und mit mehreren Preisen ausgezeichnet. Karla ist ihr Spielfilmdebüt, das beim Filmfest München in der Sektion Neues Deutsches Kino den ersten Preis gewann.
Feste und Freunde: Ein Hoch auf uns!
Deutschland, 107 Min.
Regie: David Dietl Drehbuch: Elena Senft Kamera: Holly Fink Darsteller*innen: Laura Tonke, Jasmin Shakeri, Annette Frier, Mikołaj Ofczarek, Henning Flüsloh
Festivalvorführungen: Essen 2025, München 2025.
Der Film von David Dietl ist ein Remake des dänischen Films Long Story Short. Die Handlung des Films beginnt im Jahr 2019, zu Beginn der Pandemie, die der Regisseur in die Handlung der Geschichte über eine Gruppe von Freunden und ihre mehr oder weniger komplizierten Beziehungen einfließen lässt.
Im Mittelpunkt des Films steht Ellen, eine Single-Frau auf der Suche nach Liebe. Aus ihrer Perspektive lernen wir die Menschen in ihrem Umfeld und Episoden aus ihrem Leben kennen. Den Hintergrund für dieses kollektive Porträt der deutschen Mittelschicht bilden verschiedene Feierlichkeiten, Geburtstagsfeiern oder gesellschaftliche Treffen ohne besonderen Anlass.
Während dieser Treffen erfahren wir viel über die Ereignisse im Leben verschiedener Freunde. Die Dialoge zwischen ihnen verlaufen ungezwungen, ihre Gespräche drehen sich sowohl um wichtige als auch um belanglose Dinge. Das Gemeinschaftsgefühl verbindet und ermöglicht es allen, gestärkt in den Alltag zurückzukehren. Die Fähigkeit, das Zusammensein zu feiern, auch wenn es verboten war, verleiht Dietls Bild eine äußerst positive Energie, die nicht verschwindet, wenn Konflikte, Dramen und unerwartete emotionale Turbulenzen auftreten.
„Menschen lieben sich, streiten sich und versöhnen sich wieder. Jetzt ist es an der Zeit, eure Freundschaft zu pflegen“, sagte der Regisseur in einem Interview. „Menschen sind glücklicher, wenn sie viel Zeit mit Freunden verbringen. Verliert also nicht die Hoffnung, auch in schwierigen Zeiten nicht. Versucht, zu feiern und so viele schöne Erinnerungen wie möglich zu schaffen, denn genau diese werden euch ein Leben lang in Erinnerung bleiben“.
Ein großer Vorteil dieser ungewöhnlichen „romantischen Komödie” sind die herausragenden Schauspieler, die ausdrucksstarke Charaktere darstellen, die zwischen den Freuden und Krisen des Alltags balancieren.
David Dietl, geboren 1979 in Los Angeles, studierte Regie an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. 2007 drehte er für das ZDF das Dokumentar-Drama Auf Nummer sicher? Sein Spielfilmdebüt gab er 2013 mit König von Deutschland. Feste und Freunde ist sein zweiter Spielfilm.
Babystar
Deutschland, 98 Min.
Regie: Joscha Bongard Drehbuch: Joscha Bongard, Nicole Rüthers Kamera: Jakob Sinsel Darsteller: Maja Bons, Bea Brocks, Liliom Lewald, Joy Ewulu
Festivalvorführungen: Toronto 2025, Hamburg 2025, Warschau 2025
Die 16-jährige Luca ist ein Star in den sozialen Medien. Wie Fotos, Videos und Posts auf Instagram zeigen, führt sie zusammen mit ihren Eltern ein perfektes Leben. Ihr Influencer-Unternehmen „our_bright_life” ist ein florierendes Familienunternehmen.
Dank ihm gelang es den Eltern, nicht nur finanziellen Erfolg zu erzielen, sondern auch sozial aufzusteigen, woran sie ihre Tochter erinnern, wenn diese versucht, sich vor dem allgegenwärtigen Blick der Kamera zu verstecken und um ein Mindestmaß an Unabhängigkeit zu kämpfen.
Das Mädchen hat praktisch keinen Kontakt zu Gleichaltrigen, ihr einziger Vertrauter ist ihr eigener Avatar. Als sie rebelliert und für ein paar Tage von zu Hause wegläuft, um sich in einem Hotel mit echten Menschen zu treffen, beginnt die harmonische Welt der wunderbaren Familie zu zerbrechen.
Das Mittel gegen Lucas Ungehorsam soll eine Familienerweiterung sein, indem das Kind, das geboren wird, zum neuen Mittelpunkt der Aufmerksamkeit auf Instagram gemacht wird.
„In einer Welt, in der Privatsphäre zur Ware und das Familienleben zum Verkaufsobjekt wird, wirft Joscha Bongards Film Babystar unbequeme Fragen über die Grenzen der Internetpräsenz auf. Es ist eine Satire auf eine Realität, in der Kinder vor der Kamera geboren werden und Liebe und Intimität in Reichweite umgerechnet werden.“ – schreibt Karolina Stankiewicz in Wirtualna Polska über Joscha Bongards Film, und der Regisseur selbst fügt hinzu: „Dies ist kein Film über schlechte Eltern, sondern über ein System, das sie zu bestimmten Handlungen zwingt. Wir leben in einem späten Kapitalismus, der Menschen zu Dingen drängt, die sie sonst nicht tun würden. Es geht also nicht um Einzelpersonen, sondern um das System, das unsere Entscheidungen prägt.“
Joscha Bongard, geboren 1994 in Wolfsburg, studierte Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg; 2020 war er Gaststudent an der Pariser Filmhochschule La Fémis. Sein Regiedebüt gab er 2022 mit dem Dokumentarfilm Pornfluencer (2022). Babystar ist sein erster Spielfilm.
In die Sonne schauen
In die Sonne schauen
Deutschland, 149 Min.
Regie: Mascha Schilinski Drehbuch: Mascha Schilinski, Louise Peter Kamera: Fabian Gamper Darsteller*innen: Hanna Heckt, Lea Drinda, Lena Urzendowsky, Luise Heyer, Laeni Geiseler
Festivalvorführungen: Cannes 2025, Bangkok 2025, Athen 2025, München 2025, Camerimage 2025
Preise und Auszeichnungen: Preis der Jury („Prix de la Jury”), Cannes 2025
Der Film erzählt die Geschichte von vier Protagonistinnen – Frauen, die im Laufe des letzten Jahrhunderts in der Region Altmark in Norddeutschland gelebt haben. Während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs wächst die zehnjährige Alma in einer kinderreichen Junkerfamilie auf, umgeben von ihren Schwestern und den Menschen, die auf dem Gut arbeiten. Sie beobachtet das patriarchalische System, in dem sich das Leben der Erwachsenen abspielt, ohne viel davon zu verstehen. Erika lebt im Schatten des Zweiten Weltkriegs, und als dieser endet, blickt sie am Ufer eines Flusses, in dem sie zusammen mit anderen Frauen verschwinden wird. Ihre Nichte Angelika wächst in einer dysfunktionalen DDR-Familie auf. Das Mädchen, das das Erwachsenenleben kennenlernen möchte, zieht nicht nur die Aufmerksamkeit ihres Cousins auf sich, sondern auch die seines Vaters. Nelly und ihre Schwester Lena kamen nach der Wiedervereinigung Deutschlands aus Berlin auf diesen inzwischen heruntergekommenen Bauernhof. Das Mädchen wird von Träumen verfolgt, in denen Ereignisse aus der Vergangenheit auftauchen, und als sich ein tragischer Unfall ereignet, verschwimmen die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Die von Mascha Schilinski erzählte Geschichte hat die Form eines Mosaiks und handelt von Geistern der Vergangenheit, in der alles, was verborgen, unterdrückt und verdrängt wurde, im Bewusstsein verankert ist und früher oder später zum Vorschein kommt. Körperliche und psychische Gewalt gegen Frauen, ihre Unterdrückung und Diskriminierung tauchen beiläufig auf, haben aber immer Einfluss auf das Schicksal der Protagonistinnen des Films.
Nach der Premiere beim Filmfestival in Cannes wiesen Kritiker auch auf den außergewöhnlichen visuellen Stil des Films, die Körnigkeit der Bilder und die raffinierten Aufnahmen mit einer Lochkamera hin. Die Fotografie ist auch das zentrale Motiv dieser Geschichte: ein Dokument einer Epoche, ein Werkzeug der Erinnerung, ein Medium, um die Vergangenheit wachzurufen, und ein Objekt, um das sich diese Geschichte dreht.
Mascha Schilinski, geboren 1984 in West-Berlin. 2008 absolvierte sie einen Meisterkurs für Drehbuchschreiben an der Filmschule in Hamburg. Nach ihrem Umzug nach Berlin arbeitete sie als freie Drehbuchautorin für Serien und Fernsehfilme.
Sie debütierte mit dem Film Die Tochter (2017). Später arbeitete sie als Casting-Managerin bei der Schauspielagentur Gesichter in Potsdam-Babelsberg. Sie ist Dozentin im Projekt „Film macht Schule”, einer Initiative, in deren Rahmen Filmemacher ihr Wissen an die jüngere Generation weitergeben. Ihr zweiter Spielfilm In die Sonne schauen (2025) wurde beim Filmfestival in Cannes mit dem Preis der Jury ausgezeichnet.
Köln 75
Deutschland, Polen, Belgien, 2025, 116 Min.
Drehbuch und Regie: Ido Fluk Kamera: Jens Harant Musik: Hubert Walkowski Darsteller*innen: Maka Emde, John Magaro, Shrin Lilly Eissa, Ulrich Tukur
Festivalvorführungen: Berlinale 2025
Keith Jarretts „The Köln Concert“ aus dem Jahr 1975 ist mit über vier Millionen verkauften Exemplaren das beliebteste Jazz-Soloalbum aller Zeiten. Bis heute gilt es sowohl bei Kritikern als auch bei Jazzfans als Meilenstein in der Musikgeschichte.
Dieses Konzert wurde dank einer 18-Jährigen möglich, die gegen die patriarchalische Gesellschaft und ihren Vater rebellierte, der eine andere Zukunft für sie geplant hatte. Die rebellische Art des Mädchens, ihre Liebe zur Musik und ihre Entschlossenheit, ihre Träume zu verwirklichen, führten dazu, dass sie trotz ihres jungen Alters die Möglichkeit erhielt, eine Konzerttournee für das Ronnie Scott Trio zu organisieren.
So sammelt sie erste Erfahrungen und beginnt, Erfolge zu erzielen. Als sie während des Jazzfestivals in Berlin zum ersten Mal Keith Jarrett hört und von dessen improvisierter Musik begeistert ist, beschließt er, ihm ein Konzert in Köln zu organisieren, in einer Oper mit über tausend Plätzen, nachts, nach der regulären Vorstellung, da es keinen anderen Termin gibt.
Die Geschichte dieses Ereignisses basiert auf dem Bericht seiner Organisatorin Vera Brandes und ist reich an vielen unglaublichen Widrigkeiten, die nur teilweise und auf wundersame Weise überwunden werden konnten und über die Rafał Garszczyński in „Jazzpress” wie folgt schreibt: „An diesem Abend kam es wohl zu einer Reihe von Umständen, die zu dieser herausragenden Aufnahme führten. Der Saal, das Publikum, die Stimmung des Tages, das ist klar. Vermutlich auch das zufällig und versehentlich auf die Bühne gestellte kleine, nicht besonders gut klingende und funktionierende Klavier...”. Der Musiker passte sich den Einschränkungen des Instruments an und spielte anders als sonst, wodurch er in die Geschichte einging. Der Film von Ido Fluk ist nicht nur die Geschichte eines außergewöhnlichen Konzerts, sondern auch eine Hommage an diejenigen, die nicht im Rampenlicht stehen, ohne deren Engagement und Einsatz jedoch viele Veranstaltungen nicht realisiert werden könnten.
Ido Fluk wurde 1980 geboren. Er absolvierte die Tisch School of the Arts in New York. Seine Filmkarriere begann 2006 mit dem Kurzfilm Cooking for Richard. Anschließend drehte er 2011 den Film Af Paam Lo Meuchar (Never Too Late), der 2012 den Hauptpreis beim Internationalen Filmfestival in Freiburg gewann. Sein nächster Film, The Ticket, wurde 2012 auf dem Tribeca Film Festival gezeigt, und Köln 75 feierte seine Premiere auf der Berlinale 2025 im Rahmen einer Sondergala.
Stiller
Schweiz / Deutschland 2025, 99 Min.
Regie: Stefan Haupt Drehbuch: Stefan Haupt, Aleksander Buresch Darsteller*innen: Albrecht Schuch, Paula Beer, Max Simonischek, Marie Leuenberger Kamera: Michael Hammon
Festivalvorführungen: München 2025
In einem Zug, der durch die Schweiz fährt, verhaftet die Polizei einen Mann mittleren Alters, weil einer der Passagiere behauptet, in ihm den Bildhauer Anatol Stiller erkannt zu haben, der sieben Jahre zuvor verschwunden war und angeblich in den Mord an einem sowjetischen Dissidenten verwickelt war. Während der gerichtlichen Verhöre behauptet der Gefangene, er heiße James Larkin White, was durch abenteuerliche Geschichten aus Amerika, die er dem ihn bewachenden Wachmann erzählt, glaubhaft gemacht werden soll. Die Personen, mit denen er auf Anweisung des Staatsanwalts konfrontiert wird – ein Freund aus alten Zeiten, seine Ex-Frau oder seine Geliebte – haben jedoch keinen Zweifel daran, mit wem sie es zu tun haben.
Die mit ihnen geführten Gespräche ermöglichen es, seine Geschichte kennenzulernen, die Geschichte eines erfolgreichen und angesehenen Künstlers, der glücklich verliebt ist, aber nicht in der Lage ist, mit den Herausforderungen des Alltags und den Problemen in seiner Beziehung fertig zu werden, die zunächst durch den Erfolg und Ruhm seiner Frau, einer hervorragenden Tänzerin, und dann durch ihre unerwartete Krankheit verursacht werden. Die ihn überkommende kreative Blockade und Eifersucht führen zu Frustration und einem Gefühl der Entfremdung, das er nicht überwinden kann.
Kann man wirklich vor seiner Vergangenheit fliehen? Kann jemand, der mit den Niederlagen seiner Vergangenheit zu kämpfen hat, sich vollständig davon befreien? Wie kann man beweisen, dass man nicht mehr der ist, für den mich alle halten?
„Ich bin nicht Stiller!“ – mit diesem Satz beginnt Max Frischs Roman aus dem Jahr 1954, der die Grundlage für das Drehbuch von Stefan Haupts Film bildet. Sowohl der Schriftsteller als auch der Regisseur setzen sich mit Fragen der Identität und Wahrheit auseinander und erzählen von der ewigen Sehnsucht nach einer anderen Persönlichkeit, dem Wunsch, mit einem unbefriedigenden Leben zu brechen, und einer Veränderung, die uns zu einem anderen Menschen macht.
Was in den 1950er Jahren literarische oder filmische Fiktion war, scheint heute in der virtuellen Realität trügerisch allgemein zugänglich zu sein.
Stefan Haupt wurde 1961 in Zürich geboren. Von 1985 bis 1988 studierte er an der Schauspielschule Zürich. Seit 1989 arbeitet er als freischaffender Filmemacher, Regisseur und Produzent. Für seinen Film Der Kreis (2014) erhielt er den Teddy Award und den Publikumspreis der Sektion Panorama bei den 64. Internationalen Filmfestspielen Berlin.
Er ist Autor zahlreicher Dokumentarfilme, darunter Elisabeth Kübler-Ross – Dem Tod ins Gesicht sehen (2002), Sagrada – El misteri de la creació (2012), Margreet Honig – Der freie Ton (2023). Sein historischer Spielfilm Zwingli über den Reformator Ulrich Zwingli war 2019 der beliebteste Schweizer Kinofilm.
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