KONZERT 2
DAS NICHT-NULLSUMMENSPIEL
Thomas Lehn – Analoger Synthesizer
Marcus Schmickler – Laptop, Digital Synthesizer
Das Duo von Thomas Lehn und Marcus Schmickler zählt zu den wichtigsten Bands der elektroakustischen Improvisationsszene. Zum ersten Mal traten die beiden Musiker 1997 als Mitglieder des Elektroakustik-Ensembles MIMEO unter der Leitung von Keith Rowe zusammen auf. Drei Jahre später veröffentlichten sie bei Erstwhile Records ihr gemeinsames Debüt-Album Bart, das zu den eindrucksvollen Synthesizer-Improv-Darbietungen zählt. Lehn und Schmickler vereinen das scheinbar Unvereinbare: Es gelingt ihnen, den Widerstand von zwei verschiedenen Materialien zu überwinden und daraus etwas prinzipiell Neues zu kreieren.
Thomas Lehn studierte Klassik- und Jazz-Klavier an der Hochschule für Musik und Tanz Köln, seit Anfang der 1980er-Jahre widmete er sich zunächst dem klassisch-romantischen Repertoire, später verlagerte er seinen Schwerpunkt auf die Interpretation der Avantgarde-Kompositionsmusik des 20. Jahrhunderts. Seit den frühen 1990er-Jahren konzentrierte er sich vorwiegend auf die Anwendung analoger Synthesizer-Systeme. Nachdem Lehn jahrelang auf einem Minimoog gespielt hatte, wechselte er auf den legendären EMS Synthi A. Von Lehn gibt es mehr als 80 Veröffentlichungen. Er ist Gründungsmitglied des elektronischen Orchesters MIMEO sowie einer Reihe langjährig bestehender Bands wie Konk Pack mit Tim Hodgkinson und Roger Turner oder TOOT mit Axel Dörner und Phil Minton. Lehn arbeitete außerdem mit John Butcher, Andy Moor, Paul Lovens, John Tilbury und Matthew Shipp zusammen.
Lehn entwickelte seine eigene elektronisch-musikalische Sprache, in der seine Erfahrungen als Interpret der klassischen Musik, Jazzmusiker und Tonmeister akkumuliert sind. Seine Herangehensweise ist eher akustisch-instrumental als elektronisch. Der direkte physische Kontakt mit dem Musikinstrument ist für Lehn wichtiger als statische Schallerzeugung. Der Synthesizer-Spieler engagiert sich seit einigen Jahren auch als Interpret elektronischer Kompositionen. 2014 realisierte er im Rahmen des Festivals Faithful! im Berliner Klub Berghain zusammen mit dem Orchester Klangforum Wien eine Live-Aufführung einer elektronischen Komposition des österreichischen Komponisten Peter Jakober.
Der Einfluss des Komponisten und Improvisatoren
Marcus Schmickler auf die Entwicklung experimenteller elektronischer Musik ist in den vergangenen zwanzig Jahren kaum zu überschätzen. Seine Wurzeln hat Schmickler in zeitgenössischer Komposition. 1991 begann er bei Johannes Fritsch zu studieren, dem Nachfolger Karlheinz Stockhausens, der in den 1960er-Jahren im Stockhausen-Ensemble gearbeitet hatte. Zur selben Zeit wurde Schmickler Mitglied der Gruppe Kontakta, die die Entwicklung elektronischer Musik in den 1990er-Jahren stark beeinflusste. 1995 war er Mitinitiator des Labels und Schallplattenladens a-Musik. Unter dem Pseudonym Pluramon veröffentlichte er eines der ersten digital produzierten Postrock-Alben, dabei kreierte er mit großer Sorgfalt raffinierte Klangstrukturen.
Die Interessen von Schmickler sind umfangreich und vielfältig: Sie liegen im Bereich experimenteller Psychoakustik, er ist als Komponist für Theater und Film tätig, arbeitet mit Vertretern freier akustischer Improvisation und ist als Produzent von Minimal-Techno-Tracks erfolgreich. Im Duo mit Thomas Lehn verwendet Schmickler SuperCollider für Echtzeit-Klangsynthese. Seine Musik erscheint bei den führenden Labels für experimentelle elektronische Musik Mille Plateaux, Erstwhile Records, a-Musik, Max Ernst, Editions Mego.
Das Konzert wurde unter Mitwirkung des Festivals Mikroton-Mikroten anlässlich des zehnjährigen Jubiläums des Bestehens des Labels Mikroton Recordings veranstaltet.
Daniel Burygin
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