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Filmkatalog

Über den Filmkatalog

Bildausschnitt: beleuchteter, festlicher, vertäfelter Filmvorführraum

Rainer Simon
Der Fall Ö.

  • Produktionsjahr 1991
  • Farbe / LängeFarbe / 95 Min.
  • IN-Nummer IN 3695

Griechenland, im Sommer 1944: Die Deutschen haben das Land besetzt. Ein Hauptmann der Wehrmacht verfilmt mit einer Schmalfilm-Kamera Sophokles’ Tragödie „König Ödipus“. Die Rollen besetzt er mit seinen Soldaten und einigen Einheimischen. Nach einem Partisanenüberfall werden drei griechische Darsteller als Geiseln genommen und bei einem Fluchtversuch erschossen.

Eingangs schwenkt die Kamera über eine Berglandschaft mit antiken griechischen Ruinen. Dazu singt Zarah Leander „Der Wind hat mir ein Lied erzählt“ – das war der Titelsong von Detlev Siercks Melodram LA HABANERA (1937). Soldaten der deutschen Wehrmacht drehen im besetzten Griechenland einen Film nach Sophokles’ Tragödie „König Ödipus“. Ein Obergefreiter, im Zivilberuf Fotograf, bedient die Schmalfilmkamera. Regie führt der Hauptmann, seine deutschen Mitwirkenden sind allesamt Soldaten aus seiner Truppe, Laien, die sich mühsam in die Geschichte hineinfinden müssen. Ein Gefreiter übernimmt die Titelrolle; er hat von der Tragödie und ihren Zusammenhängen keine Ahnung, aber er beginnt die Figur des Ödipus zu hinterfragen und damit immer ernster zu nehmen. Die Rollen der Iokaste und des Kreon vertraut der Hauptmann griechischen Schauspielern an. Auch zahlreiche einheimische Komparsen sind an dem Projekt beteiligt. Nur unterbrochen von den Schikanen des Hauptfeldwebels verlaufen die Dreharbeiten lange weitgehend ungestört; der Krieg scheint sie nicht zu tangieren, und selbst die Schüsse von Partisanen sind so weit entfernt, dass der Hauptmann in Ruhe an seinem Projekt weiterarbeitet. Der junge Hauptdarsteller scheint sich immer mehr mit seiner Rolle zu identifizieren und wehrt sich gleichzeitig gegen die Schuld des Ödipus: „Ich kann doch gar nicht schuldig sein!“ Später plädiert er für mildernde Umstände, weil er nicht wissen konnte, dass der Mann, den er getötet hatte, sein Vater war. Immer mehr überschneidet sich die aktuelle Situation einiger Soldaten mit den Motiven der verfilmten Tragödie. Eifersüchtig beobachtet der Ödipus-Darsteller den Hauptmann beim Sex mit „Iokaste“. Der Darsteller des Kreon verschwindet; auf der Suche nach ihm findet das Filmteam von der Wehrmacht liquidierte Zivilisten. Doch die Dreharbeiten werden fortgesetzt, weitab in den Bergen, als die Nachricht kommt, Partisanen hätten das deutsche Militärlager überfallen. Der Hauptmann nimmt drei griechische Darsteller als Geiseln fest und lässt sie nachts auf dem Heimweg über eine mutmaßlich verminte Bergstraße vorausgehen. Sie unternehmen einen Fluchtversuch; der Hauptfeldwebel schießt als erster, dann folgt der Ödipus-Darsteller; er trifft Iokaste. Der Hauptmann begeht Selbstmord mit seiner Dienstwaffe. Das Filmteam gerät unter Beschuss, „Ödipus“ wird getroffen. Es folgt eine Einstellung aus dem Film im Film: ein Kind führt den blinden Seher Teresias.

„Es gibt kein richtiges Leben im falschen“, hat Theodor W. Adorno gesagt: Dieser Satz könnte als entscheidender Schlüssel zu dem nicht immer einfach zugänglichen Film DER FALL Ö. dienen. Der namenlose und hoch gebildete Hauptmann (auch alle anderen Männer in Uniform bekommen keine Namen zugeordnet, sondern werden per Dienstgrad identifiziert) mag noch so sehr das Land der Griechen mit der Seele suchen und die deutsche Okkupation aus seinem Bewusstsein verdrängen – es gibt keinen Moment in dieser Geschichte, in dem er den Krieg und das NS-System auch nur ansatzweise kritisch reflektieren würde. Einmal mutmaßt sein Kameramann, dass der Film gleichsam als Alibi entstehen würde, mit dem der Hauptmann nach einem verlorenen Krieg seine Unschuld belegen könnte. Selbst dies ist dem Hauptmann nicht zuzutrauen; er verdrängt einfach seine gesamte Wirklichkeit zu Gunsten des antiken Mythos. Und der Glaube an die eigene Unschuld, wie ihn auch der Darsteller des Ödipus formuliert, während andere die Schuld den Göttern zuweisen, ist ein willkommener Irrtum. Der Hauptmann, offensichtlich des Griechischen halbwegs mächtig, lässt sich auch niemals auf Gespräche über die Gegenwart seiner griechischen Darstellern ein. Und am Ende verhalten sich die Mitglieder der deutschen Wehrmacht, auch wenn sie bis dahin nichts mit Kampfhandlungen zu tun hatten, eben doch als Soldaten, die auf Zivilisten schießen. Die ganze ambitionierte kulturelle Tätigkeit hat nichts in ihnen verändert. Vielleicht ist auch das eine Tragödie, die Fragen nach der individuellen Schuld der Beteiligten provoziert.

Produktionsland
Deutschland (DE)
Produktionszeitraum
1990/1991
Produktionsjahr
1991
Farbe
Farbe
Bildformat
1:1,66
Basiert auf
Franz Fühmann
In Koproduktion mit
Filmové Studio Barrandov (Prag) || Maxcapita International (Athen)

Länge
Langfilm (ab 61 Min.)
Gattung
Spielfilm
Genre
Drama, Anti-/ Kriegsfilm
Thema
Gewalt, Literatur, Zweiter Weltkrieg, Tanz / Theater

Rechteumfang
Nichtexklusive nichtkommerzielle öffentliche Aufführung (nonexclusive, noncommercial public screening),Keine TV-Rechte (no TV rights)
Anmerkungen zur Lizenz
DEFA
Lizenzdauer bis
31.12.2025
Permanente Sperrgebiete
Deutschland (DE), Österreich (AT), Schweiz (CH)

Verfügbare Medien
DVD
Originalfassung
Deutsch (de)

DVD

Untertitel
Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (es), Portugiesisch (Bras.) (pt)