Stefan Eberlein
Parchim International
- Produktionsjahr 2015
- Farbe / LängeFarbe / 93 Min.
- IN-Nummer IN 4381
Ist Jonathan Pang aus Peking ein cleverer Unternehmer, ein Träumer oder ein Spinner? Für 30 Millionen Euro hat er den ehemaligen Militärflughafen bei Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) gekauft. Jetzt will er ihn zum gigantischen Zentrum für Frachtverkehr ausbauen, mit Hotels, Shopping- und Business-Centern. Aber die Realität spielt nicht mit; die deutsche Bürokratie, die unerwarteten Schäden am Rollfeld und die weltweite Wirtschaftskrise von 2008 drohen das Projekt scheitern zu lassen. Jonathan Pang gibt nicht auf.
Der ehemalige Militärflughafen bei Parchim (Mecklenburg-Vorpommern) befindet sich in keinem guten Zustand. Der Tower ist eine Baracke auf Stelzen, auf dem Dach dreht sich quietschend eine alte Lampe als Signallicht. Im und unterm Beton des Rollfelds verbergen sich böse Überraschungen. War Jonathan Pang, ein Unternehmer aus Peking, naiv, als er den alten Airport im Jahr 2007 für 30 Millionen Euro gekauft hat? Oder ist er nur ein schnöder Grundstücksspekulant? Oder ein Spinner, ein Träumer oder ein cleverer Geschäftsmann? Pang plant, den Flughafen zu einem für Europa und den Handel mit China bedeutenden Luftfracht-Zentrum auszubauen, mit neuen Terminals, Hotels, Shopping- und Business Centern, er denkt auch an einen Freizeitpark und verspricht hunderte oder mehr neue Arbeitsplätze. Als er sich bei den potentiellen deutschen Investoren und Mitarbeitern vorstellt, erklärt er, frei nach John F. Kennedy: „Ich bin ein Parchimer!”
Noch ist nichts los am Flughafen. Überraschend zeigt sich eine Maschine der Swissair (die inzwischen Insolvenz anmelden musste) im Anflug. Nach einem kurzen Touchdown hebt sie wieder ab – die auf frequentierten Landebahnen kaum möglichen Trainingsmanöver für Piloten sind vorerst die einzigen Einnahmequellen des Airports. Wirklich landen oder ankommen scheint hier niemand zu wollen. Im Tower arbeitet nur ein einsamer junger Mann, der darüber nachdenkt, ob man die quietschende Lampe auf dem Dach vielleicht einmal ölen sollte. Man sieht in diesem Dokumentarfilm mehr Tiere als Flugzeuge. Hier scheinen sich buchstäblich Fuchs und Hase „Gute Nacht!” zu sagen.
Pang pendelt unermüdlich zwischen Peking und Parchim. In seinem Büro in Chinas Metropole hängt auch eine Uhr, die die aktuelle Ortszeit von Parchim anzeigt. Die Anschubfinanzierung hat er von der „Export-Import Bank von China” erhalten. Er sucht in seinem Heimatland nach weiteren Investoren und verweist auf die neue Kaufkraft seiner Landsleute, die über eine Freihandels-Zone in Parchim und das größte Dutyfree-Zentrum Europas „good things from Germany” kaufen sollen. Inzwischen hat er auch einige deutsche Mitarbeiter, allen voran Werner Knan aus Bayern, der sich mit der Schwerfälligkeit und der Phantasielosigkeit der örtlichen Bürokratie herumschlagen und dabei viel Geduld aufbringen muss. Nach Jahren steht endlich der neue Tower. Der Fluglotse blickt aus seiner Baracke sehnsüchtig hinüber, denn die Technik ist noch nicht betriebsbereit. Er tröstet sich mit philosophischen Erwägungen: „Die Chinesen denken in anderen Zeiträumen als wir!”
Jonathan Pang macht für die Probleme auch die Wirtschaftskrise von 2008 verantwortlich; in seinem Glauben an den Erfolg des Projekts lässt er sich nicht beirren, auch wenn er seinen deutschen Beauftragten Knan mit neuen schrägen Ideen überrascht: Er will Fische und Krabben aus Brandenburg nach China exportieren. Und in Parchim ein Spielcasino einrichten, mit Hilfe eines Fachmanns aus Macao. Auch daraus wird vorerst nichts. Was treibt diesen Mann aus Peking, der sich immer wieder allein beim Joggen abquält, wirklich an? Geldgier scheint es nicht zu sein. „Über die Jahre haben Jonathan Pang und ich – wir sind fast gleich alt – eine sehr enge, vertrauensvolle Beziehung zueinander aufgebaut. Das Resultat sind einige Szenen im Film, die mit einer kurzen Drehzeit nicht möglich gewesen wären.” (Stefan Eberlein)
Dazu gehört auch die Schlüsselszene des ganzen Films: Als Pang seine Mutter in dem zentralchinesischen Dorf besucht, in dem er geboren wurde, gibt er unfreiwillig eine Antwort auf die Frage nach seinen Motiven. Einst arbeitete er in Nigeria, organisierte die ersten Flüge von Peking nach Lagos, als zu Hause sein Vater starb. Jonathan Pang musste sich entscheiden – und flog nicht zum Begräbnis, weil er seine Pflichten als Geschäftsmann erfüllen wollte. Er erzählt davon auf Englisch, im Haus seiner Mutter, die ihn nicht versteht, aber dennoch tröstet, als er hemmungslos zu weinen beginnt. Dieser ebenso überraschende wie berührende Augenblick erklärt, weshalb Jonathan Pang unbedingt Erfolg haben muss. Auch am Ende des Films, der auch von den Problemen der Globalisierung erzählt, ist alles noch offen. Bei Herbert Achternbusch hieß es einst: „Du hast keine Chance, aber nütze sie!”
H.G. Pflaum, 27.07.2017
- Produktionsland
- Deutschland (DE)
- Produktionszeitraum
- 2008-2015
- Produktionsjahr
- 2015
- Farbe
- Farbe
- Bildformat
- 16:9
- In Koproduktion mit
- Norddeutscher Rundfunk (NDR) (Hamburg)
- Länge
- Langfilm (ab 61 Min.)
- Gattung
- Dokumentarfilm
- Genre
- Biografie / Portrait
- Thema
- Architektur / Urbaner Raum, Globalisierung, Heimat, Psychologie
- Rechteumfang
- Nichtexklusive nichtkommerzielle öffentliche Aufführung (nonexclusive, noncommercial public screening),Keine TV-Rechte (no TV rights)
- Anmerkungen zur Lizenz
- keine
- Lizenzdauer bis
- 30.06.2024
- Permanente Sperrgebiete
- Deutschland (DE), Österreich (AT), Schweiz (CH), Liechtenstein (LI), Südtirol (Alto Adige)
- Temporäre Sperrgebiete
- USA (US)
- Verfügbare Medien
- DVD, Blu-ray Disc, DCP
- Originalfassung
- Deutsch (de)
DVD
- Untertitel
- Deutsch Teil UT, Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Arabisch (ar)
Blu-ray Disc
- Untertitel
- Deutsch Teil UT, Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Arabisch (ar)
DCP
- Untertitel
- Deutsch Teil UT, Deutsch Voll UT, Englisch (en), Französisch (fr), Spanisch (Lateinamerika), Portugiesisch (Brasilien), Chinesisch (zh), Russisch (ru), Arabisch (ar)
- Anmerkung zum Format
- DCP (uv) ohne UT