Lucy Weird, peruanische Gamerin
„Machismus gibt es auch in unserer Community“

© Priscilla Tramontano

Lucy Weird ist eine der beliebtesten Streamerinnen Lateinamerikas. Wir haben mit der Peruanerin über ihr Leben mit Videospielen, die Entwicklung des Spielemarktes auf dem Kontinent und die Herausforderungen für Frauen gesprochen.

Als „LucyWeird“ kennen sie über dreiunddreißigtausend Follower auf der Plattform für das Live-Streaming von Videospielen Twitch und fast hunderttausend auf Facebook. Um Lucía Ruiz’ Leidenschaft für Videospiele zu verstehen, genügt ein Blick auf ihre Tätowierungen: eine aus „Overwatch“, eine andere aus „Warcraft“, drei Pokémons und das Bat-Signal von 1995 – unter anderem.

„Ich freue mich, dass Spielen inzwischen meine Arbeit ist, und ich hoffe, dabei immer besser zu werden“, sagt die 23-Jährige. Schon jetzt ist sie eines der bekanntesten Gesichter der Gaming-Community in Peru.

Was ist deine früheste Erinnerung in Bezug auf Videospiele?

Wie ich sonntags bei den Familientreffen im Haus meiner Großmutter mit meinen Cousins Super Nintendo spiele. Nachdem sich einer meiner Onkel eine PlayStation gekauft hatte, spielte er mit meinen Cousins „Bust a Groove“, ein Tanz-Videospiel. Als die PlayStation 2 auf den Markt kam, trennte ich mich gerade von meiner Spielkonsole, weil ein Freund meiner Schwester sie davon überzeugt hatte, mir beizubringen, am Computer zu spielen, nachdem ich sie bei zwei “Yu-Gi-Oh!”-Kartenspielen geschlagen hatte.

Wann wurdest du zu einer professionellen Gamerin?

Ich sehe mich selbst eher als Streamerin, die viel gelernt und sich verbessert hat bei den Spielen, mit denen ich Content erzeuge. Ich fing mit „StarCraft“ an, dann spielte ich „World of Warcraft“, „Half-Life“ und „Counter-Strike“. Vor dem Studium war ich sehr gut bei Ego-Shootern und entdeckte meine kämpferische Seite.

Was war am Anfang beim Streaming die größte Herausforderung?

Es war, ist und wird es auch bleiben, mit dem Konzept des „Gamer Girls“ zu brechen. Leider lassen sich viele von Stereotypen leiten und urteilen unbegründet über Aspekte wie das Äußere bis hin zum Inhalt.

Es war also schwieriger, sich als Frau in der Welt der Gamer zu behaupten?

Was auch immer du machst, besser zu sein als die anderen, ist immer schwierig. Das bedeutet nicht, dass es keinen Machismus und Vorurteile gegenüber Frauen in dieser Community gibt.

Das heißt, die Welt der Videospiele liefert ein Spiegelbild der peruanischen Gesellschaft...
Ja, so wie viele Aspekte unseres Lebens findet sich auch der Machismus in unserer Community wieder. Aber ich bin zuversichtlich, dass sich das allmählich ändern wird.

La gamer peruana Lucy Weird
La gamer peruana Lucy Weird | Cortesía de Lucy Weird
Wurdest du schon einmal beleidigt oder in irgendeiner Weise aggressiv angegangen?

Als Profi-Gamerin war ich schon mit Beleidigungen, Vorurteilen und Anmache konfrontiert. Darunter gibt es Verleumdungen wegen meines Erfolgs bis hin zu Beleidigungen wegen meiner Hautfarbe. Am meisten werde ich von Menschen belästigt, die meinen Content und mich als Person sexualisieren wollen, sei es durch Beleidigungen, Anzüglichkeiten oder sogar Aufforderungen, mich provokativer anzuziehen und aufzutakeln, um mehr Follower zu bekommen. Mit der Zeit bin ich emotional stärker geworden und kann über solche Situationen hinwegsehen, aber dieses Negative muss ausgelöscht werden, weil es für jede andere, die weniger emotionale Stärke besitzt, sonst echt schwierig wäre.

Kommt so etwas nur in Peru vor oder auf dem ganzen Kontinent?

Ich denke, dass es auf dem ganzen Kontinent vorkommt, aber in manchen Ländern weniger ausgeprägt. Ich bin froh zu sehen, dass sich in anderen Ländern fortschreitend etwas verändert, und dass sich das wiederum verbreitet. Deshalb hoffe ich, diese Veränderung auch in Peru zu erleben.

Mal abgesehen von den geschlechtsspezifischen – mit welchen Vorurteilen wird man konfrontiert, wenn man professionell mit Videospielen zu tun hat?

Andere Berufsfelder bringen das gerne mit Faulheit und wenig Professionalität in Verbindung. Die Lage ist leider durch die Vorfälle der letzten Jahre noch düsterer geworden. Da gab es Schwindel bei internationalen Turnieren bis hin zu Skandalen unter den Spielern und Teams selbst. Das Fehlen formeller Standards ist weithin sichtbar, und deshalb entscheiden sich derzeit viele Spieler mit großem Potenzial und Motivation, lieber für ausländische Verbände anzutreten.

Dass die Weltgesundheitsorganisation die „Gaming Disorder“, die Sucht nach Videospielen, in ihre letzte Internationale Klassifikation der Krankheiten aufgenommen hat, war vermutlich nicht gerade hilfreich...

Ehrlich gesagt, weiß ich nicht viel über die psychologischen Aspekte. Aber ich glaube, dass jede Sucht nicht nur durch das Suchtobjekt an sich verursacht wird, sondern durch viele weitere Faktoren im Leben des Einzelnen, Faktoren, die viel einflussreicher sind als, wie in diesem Fall, Videospiele. Auch wenn sich meine Arbeit und mein Leben auf Videospiele konzentrieren, ist es für mich wichtig, über die Verantwortung und Motivation nachzudenken, die meine Follower brauchen, um in ihrer jeweiligen sozialen Umgebung weiterzukommen.

Erzähl uns über die Mühen hinter dieser Arbeit.

Ich verbringe täglich viele Stunden damit, Strategien zu studieren, Lehrbücher und Analysen all der Spiele, bei denen ich Content erzeuge, um diese Information an meine Follower weiterzugeben. Abgesehen davon kann ich mich dadurch in Theorie und Praxis verbessern.

Außerdem streamst du auf Twitch fast täglich. Gibt es keinen Moment, in dem du mal vollkommen von den Videospielen abschaltest?

Abschalten wäre nicht das richtige Wort dafür, weil ich immer etwas spiele, sei es an der Konsole, am PC oder auf dem Handy. Es macht mir Spaß, verschiedene Spiele auf verschiedenen Plattformen auszuprobieren, da ich so meinen Followern bessere Tipps geben kann. Die wiederum haben mich positiv beeinflusst.

Was ist mit Hatern? Wie gehst du mit ihnen um?

Im Grunde haben Hater keinen Einfluss auf mein Leben. Obwohl ich dazu erwähnen muss, dass meine Mühen, meinen Content zu verbessern und mein Bestes zu geben, dazu beigetragen haben, dass viele ihre Meinung geändert haben. Viele von denen, die mich vorher unnötig irgendwie abgelehnt hatten, unterstützten mich sogar, nachdem sie mich besser kennengelernt hatten.

Woran hapert es in der peruanischen Gamer-Community, um ins nächsthöhere Level aufzusteigen?

Formelle Standards würden viel dazu beitragen, dass mehr Professionalität sowohl in der Gamer-Szene entstehen würde als auch bei den E-Sports in Peru. Leider braucht es dazu größere Investitionen und ein besseres Management vonseiten der Community und der Organisationen.

Welche Länder könnten dabei als Vorbild dienen?
Weltweit würde ich sagen, dass Korea eine sehr große Wettbewerbsfähigkeit besitzt. Dort wird viel investiert und es gibt E-Sports-Verbände, die immer mehr wachsen. In Lateinamerika glaube ich, dass Mexiko und Brasilien über eine ziemlich interessante Turnierszene verfügen und außerdem über große Organisationen und hohe Investitionen, die ständig weiterwachsen.

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