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Exklusives Interview mit Ramy Ashour
Sport als Schlüssel für eine gewaltfreie Gesellschaft

Ramy Ashour
Foto: Axeer © Goethe-Institut

Rami Ashour, ehemaliger ägyptischer Squashspieler und dreifacher Weltmeister, engagiert sich seit seinem Rückzug aus dem Profisport gegen Gewalt an Schulen. An der von ihm gegründeten Squash-Akademie lernen Kinder in innovativen Programmen sportlich miteinander umzugehen. Zusätzlich unterstützt er auch das Projekt „Gewaltfreie Schule“ des Goethe-Instituts Kairo, dessen Ziel es ist, Lehrerinnen und Lehrer öffentlicher Schulen in Ägypten auf Mobbing und Gewalt an Schulen aufmerksam zu machen und diese für jene Problematik zu sensibilisieren.

 


SEINE KINDHEIT UND WIE ALLES BEGANN

Ramy, Du hast drei Weltmeistertitel gewonnen und zählst zu den besten Squashspielern der Welt. Du hast bereits als kleiner Junge angefangen Squash zu spielen, kannst Du uns etwas mehr über Deine Kindheit erzählen und wie Du zum Sport gekommen bist? Wie alt warst Du damals und weshalb hast Du Dich für Squash entschieden? 

Ramy Ashour: Als ich begann Squash zu spielen, war ich sechs Jahre alt. Meine Familie glaubt sehr stark daran, dass jede(r) eine Begabung in sich trägt und sie haben mich verschiedene Sportarten ausprobieren lassen als ich klein war. Einmal sah ich eine Squash-Meisterschaft in Kairo, das Spielfeld lag innerhalb eines beleuchteten gläsernen Würfels vor den Pyramiden - ein wirklich malerischer Hintergrund. Der Anblick hat mich damals stark beeindruckt und ich war motiviert, diese Sportart auszuprobieren. Seit jenem ersten Tag, an dem ich das Squashfeld betrat, habe ich es nicht mehr verlassen – mittlerweile spiele ich seit 26 Jahren Squash! Mit jedem Jahr mehr Training wuchs in mir der Traum, Weltmeister zu werden. Seit meinem 13.ten bis zu meinem 30.ten Lebensjahr habe ich dreimal täglich trainiert. Und als ich die erste Weltmeisterschaft gewann, wollte ich auch die nächste gewinnen und die danach…meine Entschlossenheit und Leidenschaft haben mir geholfen meine Träume zu verwirklichen.
 
 
Was gefällt Dir an Sport, insbesondere an Squash? 

Was ich allgemein am Sport liebe, ist diese positive Erschöpfung am Ende des Tages. Aber auch, den darauffolgenden Tag mit dem Wissen zu beginnen, etwas Wertvolles zu tun. Das wirkt sich auf Deine seelische Gesundheit und Deine Persönlichkeit aus und beeinflusst letztendlich Deinen Lebensstil. Du beginnst, die Dinge mit anderen Augen zu sehen, daher ist Sport für mich unverzichtbar.

Persönlichkeit und gesunder Geist

Wie hat Sport Dich verändert und welchen Einfluss hatte er auf Deine persönliche Entwicklung? 

Sport hat mich außerordentlich verändert, das ist mir im Laufe der Jahre bewusst geworden. Zuallererst habe ich gelernt Verantwortung zu übernehmen. Außerdem hat Sport mir sehr viele Werte vermittelt, die ich anderswo so nie gelernt hätte. Eines der wichtigsten Aspekte war es zu Lernen ehrlich zu mir selbst zu sein. Du musst sehr viel Mühe und Arbeit investieren bis Du vor dem Spiegel stehen und zu Dir sagen kannst „ja, ich bin wirklich gut“. Du kannst Dich nicht belügen und Dir erzählen, Du seist Du auf einem sehr hohen Niveau, wenn in Wahrheit das Gegenteil der Fall ist. Außerdem habe ich durch den Sport Selbstbeherrschung gelernt und mich auf mich selbst zu verlassen.
Darüber hinaus hat mir der Sport viel Selbstwertgefühl vermittelt und ich habe gelernt dankbar zu sein für die Dinge, die ich tue. Während der Team-Meisterschaften hat es mir sehr gut gefallen, Teil einer Mannschaft zu sein und diesen Teamgeist zu spüren, das hat meine Teamfähigkeit gestärkt.
 
 
Inwiefern hat Sport Dich gelehrt Deine (negativen) Gefühle zu kontrollieren und sie in etwas Positives zu wenden? 

Deine Gefühle kontrollieren zu lernen gehört zu den schwierigsten Dingen überhaupt. Wenn Du versuchst Dich zu ändern, musst Du zuerst lernen, den Anderen zuzuhören. Wenn die Dinge nicht so laufen wie wir es wünschen, sind wir häufig verärgert, gestresst oder frustriert. Daher ist es wichtig zu lernen negative Gefühle wie diese zu kontrollieren und wir sollten dabei auf die Menschen hören, die uns Ratschläge geben. Ich habe versucht meinen Ärger einfach zu verdrängen aber bald gemerkt, dass dies nicht der richtige Weg ist. Die größte Herausforderung ist es, Deinen Stolz zu kontrollieren. Aber wenn Du das gelernt hast, dann kannst Du auch lernen, Deine Persönlichkeit weiterzuentwickeln. Mir persönlich haben Selbstdisziplin und Selbstkontrolle sehr dabei geholfen meinen Stolz zu überkommen.

Seine Arbeit als Trainer und Vorbildfunktion

Was bedeutet es Dir in Deiner Squash-Akademie Kinder und Jugendliche zu trainieren? Was hat Dich diese Erfahrung gelehrt?
 

Kinder und Jugendliche zu trainieren war schon immer meiner größten Träume. Oft hatte ich in meinem Leben keinen eigenen Trainer, keine Person, an die ich mich mit Fragen hätte wenden und von der ich hätte lernen können. Oft war ich auf mich allein gestellt und musste mir die Dinge selber beibringen. Darum möchte ich es den Jugendlichen in meiner Akademie leichter machen und ihnen dabei helfen erfolgreich zu sein. Sie sollen nicht dieselben Fehler begehen wie ich.
Trainer zu sein hat mir ein sehr großes Verantwortungsbewusstsein verliehen und mich dazu gebracht mein Verhalten und die Dinge, die ich tue, schärfer zu beobachten. Kinder sind absolut ehrlich und sagen Dir sofort und unverblümt, was sie über Dich denken. Das schätze ich sehr, wenn ich mit ihnen trainiere, und es hat mir geholfen, mich selber zu verstehen und mir meiner Stärken und Schwächen klarer zu werden.
 
 
Welche positiven Veränderungen beobachtest Du an den Kindern, die Du trainierst? 
R.A.: Glücklicherweise konnte ich bei vielen Kindern diverse positive Veränderungen durch das Training feststellen. Beispielsweise habe ich Kinder trainiert, die anfangs so schüchtern waren, dass sie sich nicht trauten ihre wahre Persönlichkeit zu zeigen, geschweige denn gegenüber anderen ihre Gefühle auszudrücken. Aber nach einem oder zwei Jahren Training hatte sich dies grundlegend verändert. Denn diese Kinder hatten einen Raum, in dem sie ihre Persönlichkeit entfalten und ihre Gefühle zeigen durften und gleichzeitig haben sie gelernt zuzuhören. Das ist die Philosophie, die ich in meiner Akademie unterrichte.
 

Sport in einer gewaltfreien GesellschafT

Seit vielen Jahren ist Gewalt ein großes Problem in der ägyptischen Gesellschaft, insbesondere in den Schulen. Sowohl bei den Jugendlichen untereinander als auch zwischen Lehrern und Schülern. Wie kann Sport die Gesellschaftsstrukturen positiv verändern und Werte schaffen, die die Gewalt eindämmen? 

In erster Linie fördert Sport zielorientiertes Denken und hilft den Leuten somit Lösungen für ihre Probleme zu finden. Zweitens ist Sport ein Ventil für negative Gefühle wie Frust oder Ärger. Wenn die Menschen diese Gefühle abbauen können, hat das direkte positive Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Wenn alle Leute Sport nutzen würden um ihre negativen Energien abzubauen, könnten Lehrer, Aufseher und Trainer den Schülern gegenüber anders auftreten, zu Gunsten eines friedlichen, zivilisierten und gewaltfreien Miteinanders. Sie wären dann in der Lage im Alltag Konsistenz zu schaffen und die Jugendlichen darin zu unterstützen, eigene Meinungen zu formen und zu äußern und zu starken Persönlichkeiten heranzuwachsen. Davon könnten die Schülerinnen und Schüler wirklich profitieren.
Obendrein stärkt Sport gesellschaftliche Werte wie Teamarbeit, offenen Dialog und Kommunikation miteinander, Geduld, sich auf andere zu verlassen und letztendlich Respekt füreinander. All dies sind Teilaspekte der Persönlichkeit jedes Einzelnen oder jeder Einzelnen, die insbesondere beeinflussen wie Menschen mit schwierigen Situationen und Problemen umgehen. Ich bin der festen Überzeugung, dass Sport unsere Umgangsformen miteinander positiv verändern kann.
 
Wie können Deiner Meinung nach ägyptische Schulen Sportunterricht konzipieren, der das Lernklima fördert und Gewalt an Schulen eindämmt, um langfristig dem Ziel einer gewaltfreien ägyptischen Gesellschaft näherzukommen? 

Ich glaube man kommt nicht umhin, im Sportunterricht die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder in den Mittelpunkt zu stellen, statt sich auf die bloße körperliche Anstrengung zu versteifen.
Zum Beispiel sollten Lehrer 15-20 Minuten der Sportstunde dafür verwenden, um mit den Kindern über Gewalt zu sprechen und Fragen zu beantworten. Der Lehrer sollte weiterhin selbst nach den Gewalterfahrungen der Kinder fragen und nachhaken, wie sie in den jeweiligen Situationen reagiert haben. Er könnte beispielsweise fragen, ob sie Zeuge oder gar Opfer von aggressivem Verhalten anderer geworden sind. Statt im Sportunterricht immer nur auf Wettbewerb und Sieg zu setzen, kann der Lehrer durch das Gespräch die Bedeutung gegenseitiger Akzeptanz vermitteln und die Schüler dafür sensibilisieren die anderen als potentielle Freunde zu sehen.
Ich glaube, es ist wirklich wichtig, dass die Sportlehrer Zeit in die Persönlichkeitsentwicklung ihrer Schülerinnen und Schüler investieren und sie dazu anleiten, gut miteinander umzugehen und den Unterricht nicht nur auf das Gewinnen oder Verlieren eines Spiels reduzieren.
 
 
Wenn Du den Jugendlichen in Ägypten, die Gewalt in ihrem Leben erfahren haben, eine Botschaft senden könntest, was würdest Du ihnen gerne sagen? 

Die Botschaft, die ich allen Jugendlichen, die in irgendeiner Form von Gewalt betroffen sind, senden möchte ist diese: Das Leben geht weiter, lass Dich nicht von einer Person oder einer negativen Erfahrung, die Du machen musstest, zurückhalten! Du musst verstehen, dass die einzige Person, die Dir helfen kann, diese negativen Erfahrungen hinter Dir zu lassen und daran zu arbeiten, Deine Ziele im Leben zu erreichen, Du selber bist!
Ich rate jedem, zu versuchen, nach vorne zu schauen und jemanden oder etwas zu finden, der bzw. das ihm hilft, über das, was geschehen ist, hinwegzukommen. Dies kann ein Freund sein, Sport oder eine andere Leidenschaft. Dies wird Dir bewusst machen wie wichtig es ist, stolz auf Dich selbst zu sein. Und letztendlich wirst Du fühlen, dass Du stärker bist als alles, was Dir zuvor wiederfahren ist.
 
 
Wie kann Sport dazu beitragen eine gewaltfreie Gesellschaft zu schaffen, die es ihren Bürgern ermöglicht, ihre Konflikte zu diskutieren und sich gegenseitig mit Respekt zu behandeln? 

Zunächst werden bei sportlicher Betätigung im Körper Endorphine ausgeschüttet, „Glückshormone“, die dazu führen, dass man Zufriedenheit und inneren Frieden fühlt, auch gegenüber anderen. Aber Sport trainiert auch die Geduld und er trainiert alternative Lösungen und Pläne zu finden, nicht nur in Bezug auf das jeweilige Spiel, sondern für jede beliebige Situation. Diese Problemlösungskompetenz hilft Dir dabei, Deine Ziele zu verwirklichen. Und Sport vermittelt Teamarbeit und sich auf andere zu verlassen – all dies sind wichtige Eigenschaften einer gewaltfreien Gesellschaft.
Zusätzlich zu all dem erleichtert Sport den Menschen den Zugang zueinander und ist Basis für neue Freundschaften. Er ist eine universelle Sprache, die auch ohne zu sprechen überall auf der Welt verstanden wird. Wer Sport treibt wird zu einer sozialen Person, die die Gesellschaft anderer genießt.
 

Welche Wirkung entfalten Projekte wie „Gewaltfreie Schule“, das vom deutschen Außenministerium finanziert und hier vom Goethe-Institut implementiert wird, auf die ägyptische Gesellschaft? 

Ich denke, dass es eine weitreichende Wirkung geben wird. Die Ägypter sind von jeher emotionale Menschen, daher hängt der Erfolg des Projekts letzten Endes davon ab, inwiefern sie es schaffen, die Gesellschaft mitzunehmen, zu inspirieren, und die Bedeutung des Themas auch emotional zu vermitteln. Man erreicht die Leute in Ägypten am besten, wenn man glaubwürdig und nahbar ist. Dann lassen sie sich begeistern.
 
 
Was bedeutet Dir die Zusammenarbeit mit dem Goethe-Institut und Dein Engagement als Repräsentant des Projekts „Gewaltfreie Schulen“?
 
Ich bin sehr stolz an diesem bedeutungsvollen sozialen Projekt mitzuwirken, insbesondere mit einem so visionären Partner wie dem Goethe-Institut. Ich glaube, wir müssen unseren Gesellschaften auch was zurückgeben und ich will die Plattform, die ich habe, dazu nutzen Gutes zu bewirken. Glücklicherweise teilen das Goethe-Institut und ich hier dieselben Visionen. Ich bin sicher, dieses Projekt wird das öffentliche Bewusstsein für das Thema erhöhen. Es wird in vielen Schulen, Instituten und Lehreinrichtungen den Weg dafür bereiten, die alten Lehrmethoden zu überdenken und eine neue Richtung einzuschlagen.


Marie Sacher & Ruth Müller im Gespräch mit Ramy Ashour
 

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