Band des Monats
The Düsseldorf Düsterboys - International Music

Drei junge Männer liegen sich in den Armen. Im Hintergrund blauer Himmel und Bäume.
© Harriet Meyer

Pedro Goncalves Crescenti und Peter Rubel, das sind The Düsseldorf Düsterboys, die eigentlich in Essen ansässig sind und mit Düsseldorf gar nicht so viel zu tun haben. Die beiden machen bereits seit ihrer Schulzeit gemeinsam Musik: „Wir kennen uns nicht ohne Musik. Das ist einfach ein Teil unserer Freundschaft.“ Trotzdem erschien ihr erstes gemeinsames Album Die besten Jahre aber mit einer ganz anderen Band, International Music nämlich, zu der neben dem Duo auch der Künstler und – seit Bandgründung - Schlagzeuger Joel Roters gehört. Beide Bands sind als gleichberechtigte und unabhängige Projekte zu verstehen, die parallel nebeneinander herlaufen, aber dennoch immer wieder spielerisch aufeinander Bezug nehmen. So sehr die Songs sich musikalisch und textlich unterscheiden, sind die Düsterboys und International Music verbunden in ihrem Hang zum Absurd-Komischen genauso wie zum Banal-Unmittelbaren.

Von Philippa Bock


Endlich wieder farbiges Licht in der deutschsprachigen Musikwelt

Als Peter (Gitarre, Keyboard und Gesang – außerdem der einzige ‚Berufsmusiker‘ der Gruppe) und Pedro (Bass und Gesang – und eigentlich Germanistik-Student) sich neben ihrem mehr von Akustik-Gitarren und Kerzenschein getragenen Zweierprojekt The Düsseldorf Düsterboys 2015 wieder nach einer ‚richtigen Band‘ mit elektrisch verstärktem Instrumentarium sehnen, bringt sich der mit den beiden befreundete Künstler Joel Roters kurzerhand das Schlagzeugspielen selbst bei und International Music ist geboren. Gemeinsam lassen sie sich von The Velvet Underground, Spacemen 3, Trio und den Beatles inspirieren und schaffen so ein herrlich unkonkretes Werk, das Bekanntes aus Psych- und Krautrock aufgreift und es doch immer wieder um- und weiterdenkt.

Ihr von der Musikpresse gefeiertes Debütalbum Die besten Jahre erschien über das Berliner Indie-Label Staatsakt. Darauf finden sich Songs wie Metallmädchen, Cool bleiben und Farbiges Licht, die weniger zusammenhängende Geschichten erzählen wollen, als dass die dadaistisch anmutenden Texte zwischen kryptischen Botschaften und präzise-nüchternen Wahrheitsschnipseln hin- und herwabern und sich damit jedweder Vorhersehbarkeit entziehen. So heißt es in Metallmädchen etwa: Konzentrische Kreise am helllichten Tag / Ich schalte dich ein und will es probieren / Du schaltest mich ein, der Hebel versagt / Ich mag deine Stimme beim Telefonieren, wohingegen sich der Liedtext von Cool bleiben durchaus als kritischer Gesellschaftskommentar lesen lassen könnte.
 

Die besten Jahre haben erst begonnen

2021 punktet die Band auf ihrem zweiten Studioalbum Ententraum erneut mit eigenwilligen Texten, deren bizarre Einzelteile sich doch immer zu einem harmonischen Ganzen zusammenzusetzen vermögen, und einem musikalisch erweiterten Repertoire, das sich u.a. an New Wave-Elementen bedient. Die Musiker begreifen ihre Alben – egal ob von International Music oder den Düsseldorf Düsterboys – dabei als Gesamtwerk im Sinne einer fließenden Erfahrung. Daher betten sie Songs im klassischeren Sinne meist ein in kürzere Stücke, die sie als fundamental für die Entfaltung des Albums als größeres Kontinuum betrachten. Bei der Entwicklung von Songideen kommen sich die beiden Bands dabei aber nicht in die Quere, meist ist von vornherein klar, ob es sich um einen International Music- oder um einen Düsterboys-Song handeln wird. Wichtige Indikatoren sind neben der Anzahl der anwesenden Bandmitglieder zum Beispiel die Lautstärke, der Grad an Melancholie und die Frage, ob eine Kerze brennt.
 

Von Kaffee, Kippen und Teneriffa

Im Gegensatz zu ihrer jüngst erschienenen Platte Duo Duo, die 2022 in der ursprünglichen Bandkonstellation entstand, hatten Peter Rubel und Pedro Goncalves Crescenti bei ihrem Debüt mit The Düsseldorf Düsterboys, das 2019 unter dem Namen Nenn mich Musik erschien, Unterstützung von Edis Ludwig am Schlagzeug und von Fabian Neubauer an Klavier und Orgel. Neben der Bandbesetzung unterscheiden sich die Songs der Düsterboys von denen der Schwesterband vor allem in ihrem sanfteren Sound, der sich vielleicht am ehesten an Psychedelic Folk und Lo-Fi annähert, und dem vergleichsweise stark gedrosselten Tempo. Ihre Wirkung entfalten die irgendwie zugleich nach innen und nach außen gekehrten Alben wohl am besten, wenn man bei einer langen Bahnfahrt aus dem Fenster schaut oder bei Kerzenschein die ein oder andere Zigarette raucht.
 

Mehr noch als Nenn mich Musik ist Duo Duo von einer zarten Leichtigkeit durchdrungen, wie sich besonders in Songs wie Lavendeltreppen oder Füße zeigt, und auch die musikalischen Referenzen scheinen diverser geworden zu sein. So erkennt man u.a. Elemente barocker Choräle, von alten Volksliedern, Bossa Nova und brasilianischem Tropicalismo. Duo Duo ist damit ein kleiner anti-poetischer Rückzugsort aus der Gegenwart. Die Musiker sprechen aber lieber von „Innerer Emigration“ als von Eskapismus, weil das nicht so einen negativen Beigeschmack habe. Und Bezüge zum Alltagsleben gibt es trotzdem, wie beispielsweise bei dem Song Ab und zu, bei dem die Straßenbahn bei einem Radioauftritt stört und so (post-)pandemische Homeoffice-Assoziationen wachruft. Im Großen und Ganzen wollen Rubel und Crescenti aber ihren Hörer*innen nichts Bestimmtes mitteilen, sondern nehmen das Sprachliche selbst als musikalisches Element, um verwischte Assoziationsketten hervorzurufen und das Publikum in eine atmosphärische Spannung zu versetzen.
 

Politisch unpolitisch?

Als dezidiert politisch kann man die Texte von International Music und den Düsseldorf Düsterboys nicht bezeichnen. Trotzdem sei ihre Musik nicht unpolitisch, denn die Musiker verstehen sich selbst als politische Menschen, was sich unweigerlich auch auf ihre Kunst übertrage. Auch die Melancholie, die einen Großteil der Songs durchdringt, enthält inhärente politische Elemente wie Ruhe, Hoffnung und (Un)Tiefen. Und wer ganz genau hinhört, kann auch den ein oder anderen politischen Protest zwischen den Zeilen lesen.
 

Diskografie:

The Düsseldorf Düsterboys

Alben
2022: Duo Duo (Staatsakt)
2019: Nenn mich Musik (Staatsakt)

EPs
2020: Im Winter (Staatsakt)
2018: Alkoholgedanken (Eigenvertrieb)

International Music

Alben
2021: Ententraum (Staatsakt)
2018: Die besten Jahre (Staatsakt)

EPs
2016: Mein Schweiss (Eigenvertrieb)

Band des Monats auf Spotify

Jeden Monat stellen wir euch eine Band oder eine*n Sänger*in aus einem deutschsprachigen Land vor – den Musikstilen sind keine Grenzen gesetzt. Mit dieser Playlist könnt ihr in die Musik der vorgestellten Künstler*innen hineinschnuppern.

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