Interview mit Mirko Bonné
"Literatur darf sich nicht instrumentalisieren lassen"

Interview mit Mirko Bonné
Interview mit Mirko Bonné | Foto: Goethe-Institut / Magnus Pölcher

Mirko Bonné stand 2013 mit seinem Roman Nie mehr Nacht auf der Shortlist zum Deutschen Buchpreis und reist aktuell als Writer-in-Residence von Weather Stations - ein internationales Projekt, das weltweit Gespräche zum Klimawandel, aus literarischer Perspektive, organisiert - um die Welt. 

Goethe-Institut: Was muss Ihrer Meinung nach geschehen um noch mehr Menschen für das Thema Klimawandel zu sensibilisieren?

Mirko Bonné: Mein Eindruck ist, dass die Leute Bescheid wissen. Das Thema der Erderwärmung und des Klimawandels ist in aller Munde. Aber es gibt eine um sich greifende Ohnmacht, eine Hilflosigkeit und Ratlosigkeit. Ich bin mir gar nicht sicher, ob man noch mehr dazu beitragen muss. Und das ist das Vertrackte an dem komplexen Problem - keiner weiß im Grunde, was er eigentlich machen soll.

Goethe-Institut: Sie waren für das Weather Station Projekt in Dublin, Melbourne und London. Gab es Unterschiede bei den Publikumsreaktionen?

Mirko Bonné: Einiges, was ich in Melbourne erlebt habe, finde ich in London wieder. Etwas sehr Lebendiges, Junges im Umgang mit unserer Wegwerfgesellschaft. Das merkt man hier sehr deutlich. Bei uns in Hamburg ist dieser bewusstere Umgang mit den Ressourcen und den Materialien noch nicht so stark ausgeprägt. Wenn man genau hinguckt, sieht man überall, dass wir vorsichtiger sein und nicht alles bedenkenlos wegwerfen sollten.

Als Autor, speziell als Dichter, muss ich mich dazu erst einmal positionieren. Ich bin ja kein Soziologe und kein Umweltpolitiker. Mir geht es um Sprache. Und insofern weiß ich nicht, was ich dem Thema Klimawandel hinzufügen kann, außer dass ich auf sprachliche Verwerfungen aufmerksam mache.

Gestern Abend wurde wieder offensichtlich, welche Abgründe dieses Thema birgt. Die Frage von Jay Griffiths nach dem Ausstellungssponsor Shell und die Reaktion des Ausstellungsmachers Chris Rapley - sehr faszinierend, was da plötzlich für eine Energie auf dem Podium war. Da wurden Dinge beim Namen genannt! Aber das Thema ist grundsätzlich schwierig, weil es kein Gut und Böse mehr gibt, kein Schwarz und Weiß. Und trotzdem müssen wir alle uns dazu verhalten.

Goethe-Institut: War das denn in allen Ländern so oder gibt es Unterschiede bei der Sicht auf den Klimawandel?

Mirko Bonné: In Australien ist es sicherlich ein viel brisanteres Thema. Dort sind die Klimaveränderungen bereits deutlich spürbar, in ganz verschiedenen Regionen. Und dazu kommt eine Regierung, die das Ganze zum Unsinn erklärt und einfach ganze Wälder abholzen lässt. Wenn das so weitergeht, kann man sich vorstellen, wie das Australien in 50 Jahren aussieht. Ein verbrannter Kontinent.

Goethe-Institut: Denken Sie, dass sich die Diskussion um den Klimawandel nur in bestimmten Schichten der Gesellschaft bewegt?

Mirko Bonné: Wir reden hier von wahrscheinlich nicht mehr als fünf oder zehn Prozent der gebildeten Schichten. Den Rest der Bevölkerung interessiert es einen Dreck, was mit dem Klima passiert. Und das kann meiner Ansicht nach auch gar nicht anders sein, da die Leute ganz andere Probleme haben. Das wird sich wahrscheinlich ändern, sobald gravierendere Folgen eintreten. Wollen wir es nicht hoffen, aber es scheint unabwendbar, dass schwere Unwetter kommen und viel heftigere Überflutungen und andere Naturkatastrophen eintreten werden.

Goethe-Institut: Wie ist ihr Eindruck aus literarischer Sicht? Wie war es, die anderen Autoren des Weather Stations Projektes zu treffen und mit ihnen einen internationalen Austausch über das Thema Klimawandel zu führen?

Mirko Bonné: Jeder von uns fünf Autoren arbeitet ganz unterschiedlich. Da gibt es im Grunde keine Gemeinsamkeiten – vielleicht den empathischen Blick auf die jeweiligen Probleme in Irland oder Polen oder auch auf fremde Kulturen und Sprachen. So sind wir alle ähnlich fasziniert gewesen von den australischen Aborigines, die wir kennenlernen konnten oder auch von den Museen, die wir in Melbourne besucht haben, von Landschaften, die uns gezeigt wurden. Aber was wir daraus entstehen wird, ist natürlich ganz unterschiedlich.

Der irische Autor Oisín McGann zum Beispiel blickt mit den Augen eines Science Fiction-Lesers auf die Dinge. Ich finde das faszinierend, habe aber ganz andere Ansätze. Wenn ich mit ihm über Gedichte spreche, spüren wir beide die große Bandbreite unterschiedlicher Literaturen. Tony Birch aus Melbourne schreibt zwar selten Gedichte, hat aber wie ich ein eher poetisches Verständnis von der Welt. Auch deswegen, weil er einen indigenous background hat und sich stark mit überlieferten Perspektiven beschäftigt. Das ist mir sehr nah. Man muss die Unterschiede gelten lassen, auch in diesem Projekt entsteht erst dann das Schöne.

Goethe-Institut: Ist Literatur als Kunstform geeignet, um Themen wie den Klimawandel zu vermitteln?

Mirko Bonné: Nein. Literatur, wie ich sie verstehe, darf sich nicht instrumentalisieren lassen. Ich würde dennoch sagen, es täte jedem Autor, der etwas auf sich hält und die Vielfältigkeit der Welt liebt, gut, sich mit der Problematik zu beschäftigen. Das heißt aber nicht mit der wissenschaftlichen Problematik! Aber sich zum Beispiel mit Schülern zu unterhalten über ihre Ängste oder über ihren Blick auf Natur. Ich würde nicht sagen, dass Literatur, oder überhaupt Künste, dafür besonders geeignet sind. Das Gespräch ist es. Und das Gespräch müssen wir unbedingt im Gang halten. Dazu, wohl nur dazu, ist Literatur verpflichtet.