Ärzteausbildung in Ungarn
Eine deutsche Kolonie im Herzen von Budapest

Eine deutsche Kolonie Budapest_Magazin
Die Semmelweis Medizinische Universität (Sote) in Budapest | Foto: Pénzes Kristóf

Über 2300 junge Frauen und Männer aus Deutschland studieren an ungarischen Universitäten. Die Mehrheit von ihnen nimmt an einer human- medizinischen Ausbildung teil, aber das Fach Veterinärmedizin ist ebenfalls beliebt. Sie sind glücklich, in Ungarn studieren zu können, denken aber keineswegs daran, nach dem Diplom in Ungarn zu bleiben.

„Bevor ich nach Budapest kam, wusste ich nichts über die Stadt. Ich wusste nicht einmal genau, wo sie liegt”, erinnert sich Franz Maier, der 27-jährige Student aus Deutschland, der seit 2007 in Ungarn lebt und an der Semmelweis Universität Budapest studiert. Er besucht das Fach Allgemeinmedizin und hat noch ein Jahr vor sich. Welche Fachrichtung er später wählen wird, weiß er noch nicht, eins jedoch ist ihm klar: Sobald er mit dem Studium fertig ist, geht er nach Deutschland zurück.

„Soviel ich weiß, bin ich mit diesem Plan nicht allein unter den deutschen Studenten in Budapest. Ich sehe es ja im praktischen Unterricht und auch sonst, dass die Arbeitsbedingungen in Ungarn in den medizinischen Einrichtungen schrecklich und die Löhne extrem niedrig sind. Das kann ich nicht verstehen. Die ungarische Uni ist einmalig, der Unterricht stark und von bestem Niveau, die Lehrer sind hochqualifiziert. Über die Semmelweis Universität kann ich nur Gutes sagen”, betont er und fügt gleich hinzu: „Aber verhungern im Ausland möchte ich auch nicht.”

Eine Art deutsche Insel

In Deutschland sei es viel schwieriger, einen medizinischen Studienplatz zu bekommen, meint Franz Maier, zudem ist der Unterricht von wesentlich schlechterem Niveau als in Ungarn. „Ich wollte in meiner Geburtsstadt München studieren, beim Abitur habe ich aber schlecht abgeschnitten, so hatte ich gar keine Chance. Bekannte haben mir Budapest empfohlen, so bin ich hier gelandet”, erzählt der junge Mann aus Deutschland, der die ungarische Hauptstadt ins Herz geschlossen hat und sich schnell in ihr zurechtfand.

„Mein absoluter Favorit ist die Ruinenkneipe Szimpla-kert. Dort trifft man praktisch alle, die als Ausländer hier studieren. Ich habe inzwischen natürlich auch ungarische Bekannte, ich komme aber fast nur mit Deutschen zusammen. Es ist wie eine deutsche Insel in der Mitte von Budapest. Die Stadt ist mir auch stark ans Herz gewachsen, sie ist wunderschön, und ich mag ihr Pulsieren”, erzählt der deutsche Student.

Keine Enttäuschungen

Karl-Enno Doehnel (26), der seit 2009 hier lebt, wertet das Studium in Ungarn ebenfalls sehr hoch. „Ich begann an der medizinischen Uni in Szeged, dort gibt es aber nur in den ersten zwei Jahren einen deutschsprachigen Unterricht, so wechselte ich zur Semmelweis Universität. Freunde haben mir darüber erzählt, wie stark hier der Unterricht ist, und ich wurde keineswegs enttäuscht. Ich komme aus einer Kleinstadt in der Nähe von Hannover. Meine Bekannten dort sagen mir immer wieder, wie glücklich ich sei, dass ich in Budapest lernen kann, denn das Niveau der deutschen medizinischen Universitäten liegt weit hinter dem der Semmelweis Uni”, erklärt Karl.

Auch Karl plant nicht, nach Abschluss des Studiums in Budapest zu bleiben, und er führt dafür dieselben Gründe an wie Franz. Dabei hatte er nur im ersten Jahr Heimweh nach Deutschland, inzwischen fühlt er sich auch in Ungarn zu Hause. In Szeged hat er noch versucht, in der Bibliothek zu lernen, nur kam immer jemand dazwischen, der ihn zu einem Kaffee oder Bier hinausholte, so dass das Lernen außerhalb der eigenen vier Wände nicht funktionierte. In Budapest lernt er nur noch zu Hause in seinem Mietzimmer. Spaß muss aber auch sein. „Wir gehen oft aus, neben Szimpla gehören Fecske und Doboz zu meinen Favoriten”, sagt er. 

Beide Studenten haben ein Zimmer gemietet. Meist suchen sich drei oder vier junge Leute zusammen eine Wohnung in der Nähe der Uni. Das Studium in Ungarn kostet sie 12.000 Euro pro Jahr. 

Medizinstudium am beliebtesten

Nach Angaben des Ministeriums für Humanressourcen studieren insgesamt 20.176 ausländische Studenten an ungarischen Universitäten, 2.342 von ihnen kommen aus Deutschland. Diese Zahl unterteilt sich in 188 gebührenfreie und 2.154 gebührenpflichtige Studienplätze. Nach der Semmelweis Universität (788) bildet die medizinische Uni Pécs (558) die meisten deutschen Studenten aus. Beliebt sind auch die veterinärmedizinische Fakultät der Szent István Universität Gödöllő (297) und das veterinärmedizinische Fach der Uni Szeged (263). Überraschenderweise verzeichnet die Deutschsprachige Andrássy Gyula Universität Budapest nur 49 Studierende aus Deutschland.

Staatsbürger der Europäischen Union können seit dem Beitritt Ungarns mit den selben Bedingungen wie die ungarischen Studenten in Ungarn studieren. Gebührenfreie Studienplätze stehen ihnen ebenfalls zu, allerdings mit der Voraussetzung, dass sie die ungarische Sprache beherrschen, da die Aufnahmeprüfungen auf Ungarisch abgelegt werden müssen. Das erklärt, warum die hier studierenden Ausländer etwa zur Hälfte aus den ungarischen Minderheiten außerhalb der Staatsgrenzen kommen, während die andere Hälfte sich für einen gebührenpflichtigen Studiengang in Englisch oder Deutsch entscheidet.

Willkommene Einnahmen

Diese Gebühren sind willkommene Einnahmen für die ungarischen Hochschuleinrichtungen und ihre Gemeinden. Nach einer früheren Studie des Beratungsunternehmens AAM Tanácsadó Zrt. entstehen mit jedem zehnten Studenten aus dem Ausland zwei neue Arbeitsplätze. Bei 20.000 Studenten bedeutet das bereits 4.000 Dozentenstellen. Die ausländischen Studierenden wenden zudem bedeutende Summen für Wohnen, Essen und Unterhaltung auf. Nach Umfragen geben sie in Debrecen und Szeged durchschnittlich 140–180.000 Forint, in Budapest sogar 200.000 Forint pro Monat für diese Dienstleistungen aus, während die vergleichbaren Ausgaben ihrer ungarischen Kommilitonen nur 40.000 Forint ausmachen.