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Interview mit Wolfgang Voigt
Rückverzauberung

Wolfgang Voigt
© Andreas Rentz

Wolfgang Voigt ist als renommierter Künstler, Musikproduzent und Mitbegründer des Kölner Labels und Plattenladens Kompakt bekannt unter unzähligen künstlerischen Pseudonymen. Der unumstrittene Pionier des Minimal-Techno erweitert seit über 25 Jahren die Grenzen zwischen Techno und Kunst, Minimal und Ambient. Anlässlich seiner ersten Show in Budapest haben wir ihm einige Fragen gestellt.

Es ist allgemein bekannt, dass Sie Pop-Art lieben. Was denken Sie, wie Andy Warhol zu NFTs (Non-Fungible Token, also Nicht austauschbarer Token) stehen würde?

Aufgeschlossen. Er hätte es verstanden, die Idee dahinter auf seine künstlerische Philosophie und Praxis anzuwenden.
                
Sie sind Mitbegründer von Kompakt, leiten das Kölner Label zusammen mit Ihrem Bruder und haben kürzlich das Album namens Voigt & Voigt veröffentlicht. Wie würden Sie die Vision beschreiben, die Sie verbindet und leitet? 

Kompakt hat sich immer als weltoffenes, pop-affines Label unter den Bedingungen von Techno begriffen. Für uns war Techno immer eine grenzenlose, sehr demokratische Musik; Sprache mit vielen internationalen „Dialekten", der wir versucht haben, den Kölner Dialekt musikalisch hinzuzufügen. Speziell mein Bruder Reinhard und ich haben mit unserem Projekt „Voigt & Voigt“ den Underground Techno immer wieder gerne mit einem gewissen köln-spezifischen Spirit gekreuzt. Ebenso wie mit stilistischen Anleihen aus der internationalen Popmusik der 80er Jahre, die uns beide vor Techno sehr geprägt hat.

Wie sehen Sie die Kölner Szene – im Verhältnis zu Berlin – oder unabhängig davon? 

Beide Städte haben auf ihre Weise eine hohe Dichte an Kreativität, haben aber in vielerlei Hinsicht einen unterschiedlichen Background. Im Rheinland spürt man immer noch den Kunst/Musik Geist der letzten Jahrzehnte und des sogenannten „alten“ Westen. Kraftwerk, Can, Kunstakademie und das Spex Musikmagazin. Neue Wilde Malerei, Gerhard Richter, Karlheinz Stockhausen. Berlin ist die Welthauptstadt des Techno.
    
Welchen Rat würden Sie einer aufstrebenden Künstlerin, einem aufstrebenden Künstler in der elektronischen Musik geben? 

An sich selbst zu glauben. Künstlerische Alleinstellungsmerkmale herausarbeiten. Sich von der Überpräsenz und Allgegenwärtigkeit von Musik in Zeiten von Soundcloud und Spotify nicht unterkriegen zu lassen.
       
Sie malen auch. Wie sehen Sie das Verhältnis zwischen elektronischer Musik und bildender Kunst? Gibt es eine wechselseitige Inspiration? Wie wirkt diese? 

In meinem Fall sind die Grenzen von je her fließend. Es gibt etliche Wechselwirkungen und konzeptionelle Zusammenhänge zwischen meiner musikalischen und meiner bildnerischen Arbeit. Gleichwohl funktionieren beide Disziplinen aber ebenso unabhängig voneinander.

Am 10. Februar bringen Sie die Rückverzauberung nach Budapest in das Haus der Ungarischen Musik. Können Sie uns etwas mehr über das künstlerische Konzept dahinter erzählen? 

Rückverzauberung ist eine Fantasie-Wortschöpfung, eine Fiktion die von der abstrakten Vorstellung ausgeht, das ihr zugrundeliegende, musikalische Ausgangsmaterial (Samples) mittels verschiedenster technischer Bearbeitungs- und Dekonstruktions-Methoden, auf seinen „unschuldigen“ Urzustand, auf seine reine Klangästhetik zurückzuführen. „Entdeutung“. Auch repräsentiert Rückverzauberung die konsequente Weiterentwicklung meines bekannteren Projektes GAS in Richtung beatfreie Abstraktion.

Ihre Werke sind voller literarischer Bezüge. Thomas Manns „Der Zauberberg” taucht immer wieder in den Titeln Ihrer Musik auf. Sie haben sich auch mit Kafka auseinandergesetzt und die Klangwelt des GAS Projekts könnte uns an etwa Wanderers Nachtlied II von Goethe erinnern. Gibt es ein deutsches Gedicht oder einen literarischen Text, der die flüchtige und komplexe Essenz der Rückverzauberung widerspiegelt? 

Ja, im Prinzip jedes. z.B. „...oder Gedicht erinnern flüchtige er die und spiegelt literarischen. Gibt Essenz Text, komplexe einen es ein deutsches der Rückverzauberung...“

Apropos Kafkatrax, welche Beziehung haben Sie zu Kafka? In welcher Phase Ihres Lebens entstand diese Reihe? Mit welchen literarischen Werken und Techniken haben Sie gearbeitet? 

Kafka hat mich im Alter von 18/19 sehr inspiriert. Mein musikalisches Projekt Kafkatrax ist aus dem Jahr  2011. Es verbindet die gerade Techno-Bassdrum mit rhythmisch-abstrakt verdichteten Sprachversatzstücken, die einer Kafka-Hörbuch-CD entnommen sind. Eine gewisse bizarr-irritierende „kafkaeske“ Atmosphäre entsteht, zu der man tanzen kann.
         
Sie machen Musik unter über 20 Künstlernamen. Wo soll man anfangen, wenn man mit dieser umfangreichen Diskografie noch nicht so vertraut ist? 

Viele dieser Namen sind in den schnelllebigen, wilden 1990ern entstanden und auch da verblieben. Heutzutage veröffentliche ich unter weniger Projektnamen. Auch führe ich diese mittlerweile zunehmend unter einem – meinem – Namen zusammen. Meine Webseite www.wolfgang-voigt.com gibt für Interessierte einen weitreichenden Überblick über mein musikalisches Schaffen der letzten 3 Jahrzehnte.

Wie positionieren Sie sich in der Debatte über die Verwendung analoger versus digitaler Instrumente?
     

Ich bin da ganz und gar vorurteilsfrei und habe diesbezüglich keinerlei ästhetische Präferenzen, geschweige denn künstlerische Berührungsängste. Der Zweck heiligt die Mittel.
     
Eine weitere literarische Frage. Nietzsche schreibt in seiner letzten Schrift „Nietzsche contra Wagner” im Abschnitt „Wagner als Gefahr”:
           
Die Absicht, welche die neuere Musik in dem verfolgt, was jetzt,
sehr stark, aber undeutlich, „unendliche  Melodie“ genannt wird,
kann man sich dadurch klar machen, dass man in’s Meer geht,
allmählich den sicheren Schritt auf dem Grunde verliert und sich
endlich dem Elemente auf Gnade und Ungnade übergiebt: man
soll schwimmen. In der älteren Musik musste man, im zierlichen
oder feierlichen oder feurigen Hin und Wieder, Schneller und
Langsamer, etwas ganz Anderes, nämlich tanzen.
         
Es ist, als hätten Sie in Ihren Werken eine Antwort auf Nietzsches Dilemma gefunden, das empfindliche Gleichgewicht von Tanzen und Zuhören. Ist es schwer diese Balance zu halten?

In der Tat, für mich habe ich das. Ein Aspekt meiner künstlerischen Praxis der Balance ist es, Widersprüchlichkeit in Gleichzeitigkeit aufzulösen. 

Was hören Sie zur Zeit? 

Zukunftsmusik.

Wir freuen uns, Sie bald im Haus der Ungarischen Musik begrüßen zu dürfen.

Vielen Dank, auch ich freue mich sehr auf die Veranstaltung und meinen ersten Besuch in Budapest.

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