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Der politisch-öffentliche Diskurs über Minderheiten nach 2010
Jede*r gegen jede*n

Mindenki mindenki ellen  | Unzivilgesellschaft
Grafika: Elekes Réka © Goethe-Institut Budapest

Im Hinblick auf Hass in der Gesellschaft in Ungarn kann die Zeit nach 2010 aus zwei Perspektiven betrachtet werden: Einerseits lässt sich feststellen, dass sich keine den Roma-Morden ähnlichen Gräueltaten ereignet haben, andererseits ist aber auch zu verzeichnen, dass die Umgangsformen im öffentlichen Leben in einem nie gekannten Maße verroht sind; und dass davon auch die schutzbedürftigen gesellschaftlichen Gruppen nicht verschont wurden.

Der Wandel in der politischen Kommunikation


Bereits Ende 2010 untersucht eine entsprechende Analyse des Forschungsinstituts Policy Solutions, welche Themen die gerade gewählte Fidesz-Partei von der zu diesem Zeitpunkt noch eindeutig rechtsextremen Jobbik-Partei übernommen hatte. Dabei kristallisierten sich unter den symbolisch-politischen Themen die geplante Übernahme der Gedankenlehre über die sog. „Heilige Krone“, das Christentum als Leitreligion und das traditionelle Familienmodell als Leitbilder der Verfassung heraus.

Aus fachpolitischer Perspektive werden beispielsweise die sektoralen Sondersteuern für multinationale Unternehmen, die Auflösung privater Pensionskassen, die Sonntagsschließung der Geschäfte und sogar die strenge staatliche Kontrolle der Medien aufgelistet. Die Steuervergünstigungen und weitere später implementierte politische Instrumente zur Unterstützung von Familien begünstigten insgesamt Familien mit höherem Einkommen. Ein großer Teil der Roma-Familien wurde hingegen von diesen Unterstützungsmaßnahmen ausgeschlossen. Auch von der drastischen Kürzung der Sozialleistungen war die Minderheit der Roma stärker betroffen. Somit hatte die Fidesz nicht nur die politischen Versprechen der Jobbik eingelöst, sondern kam bedauerlicherweise auch den Wünschen einer breiten Wählerschaft entgegen.

Zwischen 2010 und 2014 wurden die Grundlagen für ein stark konservatives, sozial diskriminierendes kommunikatives Umfeld gelegt. Dennoch verwendete die Fidesz noch keine offen ausgrenzenden und auf Hass basierenden Kommunikationsinhalte.

Einwanderung


Im Januar 2015 erschütterte ein schwerer Terroranschlag die Redaktion der Satirezeitung Charlie Hebdo in Paris. Im Rahmen der politischen Kommunikation in Ungarn wurde dieses Ereignis als Rechtfertigung für die generelle Ablehnung von Einwanderung interpretiert. „Wirtschaftsmigration ist eine schlechte Sache in Europa; sie sollte keinesfalls als vorteilhaft angesehen werden, denn sie bringt nur Ärger und Gefahren für den europäischen Menschen; daher muss die Einwanderung gestoppt werden; dies ist der ungarische Standpunkt“, sagte der Premierminister bereits am Abend der europäischen Gedenkveranstaltung anlässlich des Terroranschlags. Die Regierung begann mit diesem Thema auf äußerst effektive Weise die öffentliche Kommunikation zu steuern. In einer Studie untersuchten Gábor Bernáth und Vera Messing die erste Phase der einwanderungsfeindlichen Kampagne (9.–30. Januar 2015) und kamen zu dem Schluss, „dass die Regierungsparteien ohne jeglichen Widerstand und nennenswerte Schwierigkeiten imstande waren, die politischen (darunter auch die manipulativen) Strategien in weiten Kreisen zu verbreiten“.

Bereits im ersten Halbjahr 2015 startete die Regierung eine „Nationale Konsultation“ zum Thema „Einwanderung und Terrorismus“ sowie eine Plakat-Aktion gegen die Einwanderung. Auf den Plakaten standen Sätze, die mit den Worten „Wenn du nach Ungarn kommst …“ begannen. Das Wort „Migrant“ war in diesen Texten noch nicht enthalten. Allerdings berichtete das Nachrichtenportal 444.hu bereits im Sommer 2015, dass Einwanderer*innen in den staatlichen Medien „Migranten“ genannt werden müssen und das Wort „Flüchtling“ konsequent vermieden werden soll.

Als Teil der Kommunikationskampagne wurde im September 2015 aufgrund der sog. „massenhaften Einwanderung“ der Krisenzustand in Ungarn verhängt, und dieser wird, obwohl die gesetzlichen Voraussetzungen dafür seit längerem nicht erfüllt sind, von der Regierung fortwährend verlängert und ist bis heute in Kraft.

Höhepunkt der Kommunikationskampagne in der nächsten Periode war das von der Regierung initiierte Referendum am 2. Oktober 2016. Bei diesem Volksentscheid wurden die Wähler*innen aufgefordert, ihre Meinung zur europäischen Flüchtlingspolitik zu bekunden bzw. dazu, ob die Europäische Union geflüchtete Menschen auf der Grundlage einer verbindlichen Quote auf die europäischen Länder verteilen sollte oder nicht. Folgende, bei weitem nicht eindeutige Frage, musste beim Volksentscheid mit „Ja“ oder „Nein“ beantwortet werden: „Wollen Sie, dass die Europäische Union auch ohne Zustimmung des ungarischen Parlaments die verpflichtende Ansiedlung von nichtungarischen Staatsbürgern in Ungarn vorschreiben kann?“ Da allerdings weniger als die Hälfte der Wahlbürger*innen an der Abstimmung teilnahm, war das Referendum ungültig. Zugleich lehnten 98 Prozent der abgegebenen Stimmen die europäische Verteilung geflüchteter Menschen nach Quoten ab.

Auf einem der Regierungsplakate der Wahlkampagne sind ein Flüchtlingsstrom sowie ein Stoppschild ohne weitere Erklärungen abgebildet. Das Bild entstand 2015 in Slowenien und zeigt geflüchtete Menschen aus dem kriegszerrütteten Syrien.

Diese Art von politischer Kommunikation erwies sich als geeignet, auch die persönlichen Erfahrungen der Wähler*innen zu überschreiben. Obwohl die Flüchtlingskrise in Ungarn bis Ende 2015 praktisch beendet war, wird die Einwanderung von einem erheblichen Teil der Ungar*innen als ernsthafte Bedrohung wahrgenommen. Laut einer Analyse von András Bíró-Nagy „hat sich innerhalb eines Jahres, zwischen Herbst 2014 und 2015, der Anteil derer, die die Einwanderung zu den zwei gravierendsten innenpolitischen Problemen zählen, von 3 auf 34 Prozent erhöht und damit verzehnfacht. (…) Die Wahrnehmung der EU-Krise lag bei den Wahlen in Ungarn 2018 bereits bei 20 Prozentpunkten über dem europäischen Durchschnitt, und der Anteil der Personen, die die Migration als Problem betrachten, war in Ungarn im EU-Vergleich am höchsten.“ Somit scheint die einwanderungsfeindliche politische Kommunikation dauerhafte und tiefgreifende Veränderungen der Einstellungen in der Gesellschaft bewirkt zu haben.

Der „Soros-Plan“


Die Ablehnung der Einwanderung hatte für die politische Kommunikation einen weiteren „Vorteil“: sie ließ sich leicht in ein umfassenderes Narrativ eingliedern. Dieses Narrativ ist der „Soros-Plan“, das zugleich auch als Grundlage für eine weitere Angriffswelle auf ungarische Zivilorganisationen diente, die deutlich stärker ausfiel als die vorangegangene. Das seit 2017 auf der Agenda der politischen Kommunikation der Regierung in Ungarn stehende Narrativ über den „Soros-Plan“ hegt den Vorwurf, dass der in Ungarn geborene US-Milliardär György Soros ein Netzwerk von NGOs und internationalen Organisationen unterhalte, um Ungarn und ganz Europa mit muslimischen Einwanderer*innen zu überschwemmen. Teil des Narratives wurden auch die Oppositionsparteien, indem sie als Befürworter*innen der Einwanderung und somit als antinationale Kräfte dargestellt wurden. Später wurde das Narrativ auch in den gegen die Europäische Union gerichteten politischen Kampagnen wieder aufgegriffen, wobei „Brüssel“ als Hauptprotagonist der Umsetzung des „Soros-Plans“ genannt wurde.

Laut einer Analyse aus dem Jahr 2020 sind 41 Prozent der ungarischen Bevölkerung der Meinung, dass György Soros den Transport von Migrant*innen nach Europa organisiere, und 52 Prozent stimmen der Aussage zu, dass die Einwanderung von der Europäischen Union gesteuert werde.

Bis zum Ende des Wahlkampfs 2018 wurde die öffentliche Kommunikation der Regierungsparteien von Plakat-Aktionen und Medienkampagnen, von einer neuen „Nationalen Konsultation“, von verbalen Attacken gegen zivile Aktivist*innen und von neuen Rechtsvorschriften begleitet, die zur Stigmatisierung der zivilen Organisationen bestimmt, aber in der Praxis eigentlich nicht verwendet wurden. Der Tiefpunkt der öffentlichen Kommunikation wurde mit einer drohenden Äußerung des Publizisten Zsolt Bayer erreicht: „Wenn diese oder solche noch einmal im Parlamentsgebäude auftauchen und dort die Arbeit stören, dann muss man sie rausschmeißen, wie die Katze zum Scheißen. Wenn man sie in ihrem Rotz und ihrem Blut hinauszerren muss, dann eben in ihrem Rotz und ihrem Blut (…), und wenn nötig, dann muss man ihnen die Fresse zerschlagen. Das hier ist nämlich das Ungarische Parlament und kein öffentliches Klo, wo diese [jedoch] hingehören.“ Durch diese Art von Kommunikation verschlechterte sich das soziale Ansehen der Zivilorganisationen nicht wirklich. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2017 war mehr als die Hälfte der Bevölkerung der Meinung, dass die Tätigkeiten der unter Beschuss stehenden Zivilorganisationen für das Land eher nützlich seien. In der Beurteilung der zivilen Aktivist*innen spiegelt sich die allgemeine Spaltung der Gesellschaft auf vermutlich treffende Weise wider: Während diese einerseits immer mehr Unterstützung durch materielle Zuwendungen und ehrenamtliche Arbeit erhalten, wächst im anderen Teil der Gesellschaft die Abneigung gegenüber den zivilen Aktivist*innen.

Im Hinblick auf die Anti-Soros-Kampagne stellt sich die Frage, ob sie eine antisemitische Lesart hatte bzw. hat. Die jüdische Herkunft von György Soros, die verwendeten visuellen Elemente und das Narrativ mit starken Anspielungen auf eine „jüdische Weltverschwörung“ reichen mit Sicherheit aus, um zumindest indirekt antisemitische Gefühle zu generieren. Dieser Meinung waren auch die Vorstandsmitglieder der größten jüdischen Organisation Ungarns, des Verbands der jüdischen Gemeinden in Ungarn, die die Regierung aufforderten, die Kampagne zurückzuziehen. Die Wirkung der fortwährend und über viele Kanäle verbreiteten, ständig wiederholten Inhalte kann zu unkontrollierbaren Folgen führen sowie ein diskriminierendes, gewalttätiges Verhaltensmuster hervorbringen und etablieren, das sich unabhängig von der ursprünglichen Zielgruppe gegen jede Gruppierung in der Gesellschaft richten kann.

Obdachlose


Eine der verletzlichsten Zielgruppen ausgrenzender politischer Kommunikation sind die Obdachlosen. Sie gerieten erstmals 2011 ins Fadenkreuz der politischen Kommunikation, damals noch im Rahmen einer lokalen Angelegenheit, in der Budapester Josefstadt: Der damalige Bürgermeister wollte „die Lebensführung und das Wohnen im öffentlichen Raum“ mit einem Volksentscheid verbieten. Die Nachrichtensendung „Tények“ („Tatsachen“) des Senders TV2 strahlte 2016 eine diskriminierende, die Menschenwürde verletzende Reportage über Budapester Obdachlose aus, die auch vom Medienrat als rechtswidrig eingestuft wurde. Im Herbst 2018 wurde allerdings eine Änderung des Grundgesetzes durchgeführt und der Zustand der Obdachlosigkeit zur Ordnungswidrigkeit erklärt. Die Stigmatisierung und die Ausgrenzung der Obdachlosen wurde zur allgemeinen politischen Leitlinie. Auch diese Rechtsvorschriften dienten vorrangig als Kommunikationsmittel, denn in der Praxis finden sie bis heute kaum Anwendung.

Roma


Nach dem Segregations-Urteil von Gyöngyöspata wurde die Roma-Bevölkerung aufs Schärfste zum Ziel politischer Angriffe. Laut Urteil sah es das Gericht als erwiesen an, dass die Roma-Kinder in der Grundschule der Ortschaft Gyöngyöspata in räumlich getrennten Klassen auf einer separaten Etage untergebracht und unterrichtet worden waren und kaum Kontakt zu den Nicht-Roma-Kindern, wie auch keinen Zugang zum Karnevalsball hatten. Des Weiteren wurden sie von der Klassenfahrt ausgeschlossen, man erteilte ihnen keinen Unterricht in Informatik und schloss sie auch vom Schwimmunterricht aus.

Auf einer Pressekonferenz im Januar 2020 befand es Viktor Orbán als „zutiefst ungerecht“, dass Roma-Familien „ohne irgendwie dafür gearbeitet zu haben“ eine erhebliche Entschädigung von insgesamt 99 Millionen HUF bekommen sollen. Im Anschluss daran wurde Gyöngyöspata zu einem zentralen Thema der regierungsnahen Medien. In der Sendung „Sajtóklub“ („Presseclub“) des Nachrichtensenders HírTV wurde mitgeteilt, dass es einfach nicht möglich sei, mit Roma-Kindern zusammenzuleben; sie könnten nicht einmal eine Toilette benutzen, hieß es.

Im Februar 2020 berichtete die Presse darüber, dass eine weitere „Nationale Konsultation“ in Planung sei und darin auch die Entschädigung für die Roma-Familien in Gyöngyöspata zum Thema gemacht werden würde. Dieses Vorhaben wurde aber aufgrund der Corona-Pandemie nicht verwirklicht. Der Staat brachte im Verlauf des Prozesses einen Antrag zur Prüfung des Urteils ein, aber auch die Prüfung kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Entschädigung ausgezahlt werden müsse, und zwar als Geldzahlungen. Die Regierung kam dem Urteil im Sommer 2020 schließlich nach.

Laut einer 2020 durchgeführten Umfrage von Policy Solutions sind „40 Prozent der Befragten der Ansicht, dass unsere Roma-Landsleute heute schlechter leben als noch vor zehn Jahren. Demgegenüber befand ein Viertel der Ungarn, dass die von der Fidesz zur Roma-Integration eingeführten Aufhol-Maßnahmen wirksam seien. 28 Prozent der Befragten gaben jedoch an, dass sich auf dem Gebiet der sozialen Integration der Roma nichts verändert habe.“ Insgesamt scheinen also die Regierungsmaßnahmen bezüglich der Roma-Bevölkerung eine eher negative Wirkung zu haben.

Mitglieder der LGBTQ+-Community


Die politischen Aktionen gegen sexuelle Minderheiten wurden im Herbst 2020 verstärkt wahrnehmbar. Die Parlamentsabgeordnete der rechtsextremen Bewegung „Mi Hazánk“ („Unsere Heimat“), Dóra Dúró, schredderte in der Öffentlichkeit ein Kinderbuch und zerriss ein weiteres zu einem späteren Zeitpunkt. Im Kinderbuch treten Regenbogenfamilien und LGBTQ-Charaktere auf. Vor diesem Hintergrund sieht Dúró das Kriterium für „homosexuelle Propaganda“ erfüllt. Das Video über die Buchvernichtung wurde auf YouTube inzwischen gelöscht.

Als Reaktion auf diese hasserfüllte politische Aktion richtete Viktor Orbán im staatlichen Rundfunk folgende Botschaft an sexuelle Minderheiten: „Sie sollen unsere Kinder in Ruhe lassen.“ Kurze Zeit später legte der Justizminister die neunte Änderung des Grundgesetzes vor, in der festgelegt wird: „Die Mutter ist eine Frau, der Vater ist ein Mann.“ Mit dieser Grundgesetzänderung wurde auch folgender Passus auf Verfassungsniveau gehoben: „Ungarn schützt das Recht der Kinder auf eine ihrem Geburtsgeschlecht entsprechende Selbstidentität und gewährleistet die Erziehung im Sinne einer Wertordnung, die auf der verfassungsmäßigen Selbstidentität und christlichen Kultur unserer Heimat beruht.“ Nach der Grundgesetzänderung modifizierte das Parlament auch die Adoptionsregeln dahingehend, dass eine Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare praktisch nicht möglich sei. Bereits im April 2020 wurde die nachträgliche Änderung des Geburtsgeschlechts im Geburtsregister gesetzlich verboten.

Die Venedig-Kommission überprüfte die neunte Grundgesetzänderung und stufte diese nach den Maßstäben europäischer Grundrechte als bedenklich ein. Sie stellte unter anderem fest, dass die rechtliche Anerkennung des Geschlechts von trans- und intersexuellen Menschen im Sinne dieser Änderung verfassungswidrig und damit unmöglich wurde, wobei sich hier die Frage nach der Diskriminierung sexueller Minderheiten stellt.

Im Sommer 2021 reichten Abgeordnete der Regierungsparteien einen zusätzlichen Änderungsvorschlag zur Gesetzesnovelle über die Verschärfung der Strafverfolgung der Pädophilie ein, um die öffentliche Kommunikation über Homosexualität und sexuelle Minderheiten unter Berufung auf den Schutz von Kindern erheblich zu erschweren. Dementsprechend wurde durch die Änderung im Kinderschutzgesetz festgelegt, dass es „verboten ist, Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, Inhalte zugänglich zu machen, die pornografisch sind oder die Sexualität als Selbstzweck darstellen oder die Abweichung von der dem Geburtsgeschlecht entsprechenden Selbstidentität, eine Geschlechtsumwandlung oder die Homosexualität propagieren oder darstellen“. Laut dem ebenfalls geänderten Mediengesetz dürfen solche Inhalte, also Programme, in denen die Abweichung von der dem Geburtsgeschlecht entsprechenden Selbstidentität, die Geschlechtsumwandlung oder die Homosexualität als solche dargestellt werden, im Fernsehen erst nach 22:00 Uhr gezeigt werden, und in den On-Demand-Diensten müssen sie für Kinder technisch unzugänglich gemacht werden. Auch in der Werbung zu gesellschaftlichen Zwecken ist es untersagt, diese Themen zu behandeln. Es ist ebenfalls verboten, Werbung mit solchen Inhalten unter Achtzehnjährigen zugänglich zu machen. Es sollte an dieser Stelle hinzugefügt werden, dass diese Vorschriften aufgrund des europäischen Medienrechts nur gegenüber den TV-Anbietern und Streamingdiensten anwendbar sind, die unter ungarischer Rechtsprechung stehen.

Schulische Aktivitäten, die sich auf die Sexualkultur, das Geschlechtsleben, die sexuelle Orientierung, die sexuelle Entwicklung, sowie auf die schädlichen Auswirkungen des Drogenkonsums, die Gefahren des Internets und auf jeden anderen Aspekt der körperlichen und geistigen Gesundheitsentwicklung beziehen, dürfen laut Gesetzesänderung nur von staatlichen oder staatlich registrierten Einrichtungen abgehalten werden.

Die oben genannten Regeln gaben in der Europäischen Union Anlass zu ernsthaften Debatten, die auch bei der Fertigstellung des vorliegenden Manuskripts noch im Gange waren. Die Mitgliedstaaten vertreten mehrheitlich die Ansicht, dass diese Regelungen eine „ernsthafte Bedrohung der Grundrechte“ darstellen, und dass die EU dagegen einheitlich Stellung beziehen müsse.

Kurz nach der Verabschiedung des Gesetzes signalisierte die Organisation Háttér Társaság (Hintergrund-Gesellschaft) gegenüber der Öffentlichkeit, dass die Zahl der Hassdelikte gegen Mitglieder und Sympathisant*innen der LGBTQ-Community bzw. die Zahl der in diesem Zusammenhang eingehenden Meldungen bei der Organisation zu steigen begonnen habe. Dies ist ein eindeutiges Zeichen dafür, dass die politische Kommunikation und die politischen Entscheidungen das Leben der Betroffenen erheblich erschweren können.

Zusammenfassung


Symbolische Politik und politische Kommunikation gestalteten sich nach 2010 zunehmend innerhalb auf Diskriminierung und Hass fokussierten Kampagnen. Zahlreiche schutzbedürftige soziale Gruppen – Geflüchtete, Obdachlose, Roma und Mitglieder sexueller Minderheiten – fielen dieser Kommunikation zum Opfer. Die symbolische Politik ging oft Hand in Hand mit fachpolitischen Maßnahmen und gesetzgeberischer Tätigkeit, die ebenfalls zur Stärkung der Stereotypen und negativen Einstellungen gegenüber den jeweiligen gesellschaftlichen Gruppen beitrugen. Auch die Zivilorganisationen, die sich jeweils für die schutzbedürftigen Gruppen einsetzen, werden zur ständigen Zielscheibe politischer Attacken. All dies führte zu einer gravierenden Verschlechterung der Qualität des öffentlichen Diskurses und verstärkte die Spaltung in der Gesellschaft.
 

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