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Interview
Beats & Barrio mit AAAA

AAAA_Intro
© EXT

AAAA (sprich: Cuatro-A) ist der Künstlername des in Mexiko-Stadt lebenden DJs und Promotors Gabo Barranco, der schon im Berghain, auf dem MUTEK MX, dem III Points Miami und anderen großen Bühnen aufgelegt hat. Gabo Barranco hat ein waghalsiges Gehör und Neugierde für Verzerrungen und ist sowohl Liebhaber als auch Produzent von elektronischer Musik, von klassischem Acid House bis hin zu knisternden Ambient-Sounds. Er ist außerdem Mit-Organisator der EXT-Eventreihe, die neue Locations erschließen möchte und Guerilla Marketing für Underground-Raves betreibt.

AAAA hat uns ein Hertzflimmern Set vorbereitet. Viel Spaß beim reinhören und lesen!
 




Wo befindest du dich gerade? (Physisch, Emotional, Mental und Musikalisch)?

Ich bin in meinem Studio, in einem Außenbezirk von Mexiko-Stadt. Als mir klar wurde, dass die gegenwärtige Situation noch länger anhalten würde, habe ich mich dazu entschlossen, hierherzuziehen. Auf emotionaler Ebene versuche ich immer noch, mich an die Realität von 2020 zu gewöhnen und mir auszumalen, wie die Lage in ein paar Monaten aussehen könnte. In musikalischer Hinsicht produziere ich zwar ein paar Tracks, aber ich habe nicht gerade das Gefühl, dass ich mich auf dem Höhepunkt meiner Kreativität befinde. Die aktuelle nationale und internationale Situation inspiriert mich wohl eher wenig.

Wie würdest du dich und deinen Stil beim Auflegen beschreiben?
 

Welcher Beat oder Track darf aktuell in keinem deiner Sets fehlen und warum?

Ich habe eine Menge Lieblings-Tracks. Hier einige neue und nicht so neue Favoriten:

Hadonde _ Optical Glasses (Den spiele ich gerne, mit etwas runtergefahrenen BPM)

Aurelius98_Viento Este ( Ich habe in letzter Zeit viel Ambient aufgelegt und dieser Produzent aus Chile gefällt mir sehr) 

Undefined Pattern_Van L300 (Dieser Track stammt von einem jungen Künstler aus Mexiko-Stadt) 

Dj Lonely_Ready (Alter Ego von OMAAR, ebenfalls aus Mexiko-Stadt)

Wo hast du zum ersten Mal aufgelegt und wie war die Erfahrung?

In meiner Jugend habe ich gelernt, mit den Turntables umzugehen. Ungefähr 2003 habe ich angefangen, auf Hauspartys aufzulegen. Einer meiner ersten Auftritte als AAAA war 2013 in einer Pizzeria in der Colonia Doctores, wo ich den Abend eröffnet habe. Die Darbietungen von damals verliefen meist katastrophal, weil ich so unglaublich aufgeregt war. Noch heute bin ich vor Auftritten immer sehr nervös.

Wie beeinflusst deine Umgebung deinen Beat?

Die Umgebung und der jeweilige Kontext sind für mich äußerst wichtige Faktoren. Besonders die Arbeit und der Einsatz der Promoters und Veranstalter sind entscheidend für den erfolgreichen Ablauf des Abends.

Ich spiele gerne an Orten, die einem breitgefächerten Publikum offenstehen und damit eine sozioökonomische Inklusion und Diversität in jedem Sinne des Wortes fördern.

Ein gemischtes Publikum sorgt für eine ganz besondere Stimmung auf der Tanzfläche.
  • AAAA_tocando_1 © Ken Reeser
    AAAA spielt ein Set
  • AAAA_tocando_2 © I-D Magazine
    AAAA
  • AAAA_tocando_3 © Mariah Tiffany
    AAAA in Mexiko City, seiner Heimatstadt
  • AAAA_tocando_4 © Daniel Patlan
    AAAA bei einem Liveset
  • AAAA_tocando_5 © EXT
    AAAA bei einer EXT Party
  • AAAA_tocando_6 © DIP Music
    AAAA spielt ein Set
Welche Situation / Herausforderungen / Problematiken beobachtest du derzeit in der nationalen Musikszene?

Die Corona-Krise hat die Infrastruktur, die unsere kleine Gemeinschaft in jahrelanger Kleinstarbeit aufgebaut hat, praktisch zerstört. Schon vor der Pandemie hatten wir mit finanziellen Herausforderungen und unsicheren Zukunftsaussichten zu kämpfen.
 
Viele Personen, die sich der Club & Dance Kultur widmen, stehen weltweit vor nie dagewesenen existenziellen Herausforderungen. Gibt es sinnvolle Hiflsangebote in deinem Land auf die du zurückgreifen kannst? Wo findest du Hilfe in dieser besonderen Krise?

In Mexiko gibt es so gut wie keine Unterstützung für kulturelle Projekte. Leider hat unser Land mit dringenderen Problemen zu kämpfen: extreme Armut, Bildung, soziale Ungleichheit, usw. Das Kultusministerium schreibt manchmal einige Stipendien aus und ich habe mich schon mehrfach beworben, bislang ohne Erfolg. Vor ein paar Jahren hat mir eine bekannte Marke (ein Energy-Drink) eine Zusammenarbeit angeboten und mir Reisen nach Montreal, New York und Paris ermöglicht, wo ich mit bekannten Größen der lokalen Musikszene zusammengearbeitet habe. An diesen Orten wird über diese Art von Förderungen meist nur die Nase gerümpft, insbesondere in Europa, aber in Lateinamerika können wir es uns nicht leisten, eine solche finanzielle Hilfe auszuschlagen, egal wie kommerziell sie auch wirken mag. Ohne Hilfen vom Staat bleibt uns diese Art von Rebellion versagt. 

Bester Ratschlag, den du bisher bekommen hast? Welchen Ratschlag würdest du anderen Künstlern*innen, DJ’s und Produzent*innen geben?

Vielleicht, dass sie sich vor allem auf die Musik konzentrieren sollten. Außerdem darauf, im Team zu arbeiten, Kontakte zu knüpfen, eine Gemeinschaft zu kreieren und sich gegenseitig zu unterstützen. Mir scheint es, dass unsere Generation immer egozentrischer und oberflächlicher wird. Das spiegelt sich auch in der Musik wider. Es wimmelt nur so von wenig kreativen musikalischen Versuchen ohne Tiefe, deren Urheber sich vor allem darauf konzentrieren, wie sie sich am besten in den sozialen Medien darstellen können, und dabei oft die Musik vernachlässigen.

Was stört dich an der elektronischen Musik-Szene/ welchen Herausforderungen begegnest du?

Eines der größten Probleme auf internationaler Ebene ist die Ungerechtigkeit und fehlende Chancengleichheit. Die ist überall festzustellen, ob nun in den Medien, den einschlägigen Informationskanälen oder den Line-Ups in Clubs und auf Festivals.

Der Markt wird von Europäern und US-Amerikanern beherrscht. Frauen, Menschen mit dunklerer Hautfarbe, LGBTQ und natürlich Lateinamerikanern stehen nur wenige Türen offen. Dieser Umstand ist uns äußerst bewusst, deshalb arbeiten wir meist doppelt so hart wie die Künstler in Ländern mit einer besseren Infrastruktur.

Ich glaube, der Moment ist gekommen, diese Richtlinien infrage zu stellen und unsere eigenen Modelle zu entwickeln. 

Wo willst du auf jeden Fall noch (einmal) auflegen und warum?

In letzter Zeit denke ich häufig etwas wehmütig an bestimmte Orte zurück: das Unter in NY, das Freedom in Medellin, der Video Club in Bogota und Santiago de Chile. Ich bin auch in Berlin aufgetreten und würde das liebend gern wiederholen. Ein Auftritt in Japan würde mich auch interessieren.

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