Schnelleinstieg:

Direkt zum Inhalt springen (Alt 1) Direkt zur Hauptnavigation springen (Alt 2)

Andrzej Tobis im Gespräch
Die Wirklichkeit schreibt die merkwürdigsten Geschichten

Der polnische Künstler Andrzej Tobis ist längst nicht mehr nur Liebhabern moderner Malerei ein Begriff. Seit 2006 schafft er mit geradezu benediktinischer Geduld und einer Menge Humor die Fotoserie „A-Z (Bildungsvitrinen)“. Ausgangspunkt des Projekts war das „Bildwörterbuch Deutsch und Polnisch“, das im Jahr 1954 in der ehemaligen DDR herausgegeben wurde. Andrzej Tobis erschafft Fotografien, die die Schlagwörter aus dem Originalwörterbuch illustrieren, die Motive stammen ausschließlich aus Polen. Wir sprachen mit dem Künstler über die Hintergründe dieses Projekts.

Von Agata Michalak

Fotografie zum Eintrag „die Entnahmetür“ Fotografie zum Eintrag „die Entnahmetür“ | © Andrzej Tobis Wie kam es zu diesem Projekt?

Ich war und bin in erster Linie Maler. Das Projekt A-Z (Bildungsvitrinen) war das Ergebnis einer Abkehr vom Fiktiven und einer Hinwendung zum Realen: Die Wirklichkeit gewann in meinen Bildern nach und nach eine immer größere Bedeutung. Anfang des 21. Jahrhunderts kaufte ich mir eine billige Digitalkamera. Das war etwas völlig Neues: Man konnte so viele Bilder machen, wie man wollte, und sie sich sofort ansehen. Ich habe damals viel fotografiert, die entstandenen Fotografien dienten mir jedoch ausschließlich als Vorlagen für meine Gemälde.
 
Es ging dir also um eine Eliminierung des Fiktiven, was selbstverständlich eine Illusion ist…

Absolut. Es ist jedoch zweifellos so, dass die Fotografie im Gegensatz zur Malerei eine objektivere Wiedergabe der Wirklichkeit ermöglicht. Und ich hatte damals einfach das Gefühl, dass die Wirklichkeit immer mehr Aufmerksamkeit verlangte. Ich kaufte mir eine bessere Kamera, obwohl ich noch gar nicht genau wusste, warum ich eigentlich fotografieren sollte. Ich wollte kein „Fotograf von Stadtlandschaften“ werden. Ich kann mich auch nicht mehr daran erinnern, wie ich eigentlich auf die erste Ausgabe des Bildwörterbuchs Deutsch und Polnisch gestoßen bin.
 
Es gab also kein eigentliches Aha-Erlebnis?

Nein. Vielleicht fiel es mir einfach beim Büchersortieren in die Hände. Auf jeden Fall hatte das Buch zu diesem Zeitpunkt bereits seit über zehn Jahren in meinem Regal gestanden. Was mich an dem Buch faszinierte, war der naive Versuch einer vollständigen Beschreibung der Welt mithilfe von Bildern. Ich wollte mich dieser strengen Form bedienen: Illustrationen, Nummern und die entsprechenden Schlagwörter in beiden Sprachen. Mir war von Beginn an klar, dass ich das Bildwörterbuch Deutsch und Polnisch nicht vollständig „rekonstruieren“ wollte. Ich wollte lediglich Ausschnitte der Wirklichkeit und Fetzen der Sprache wiedergeben und dabei den Anschein einer Systematik bewahren. Ich bin überzeugt davon, dass die Wirklichkeit sich jeglichen Versuchen einer vollständigen, objektiven Darstellung entzieht. Der konzeptuelle Rahmen des Projekts nahm schon bald Gestalt an: Die Gegenstände und Situationen mussten tatsächlich existieren, durften also nicht gestellt sein, und die Fotografien sollten ausschließlich in Polen aufgenommen werden, also innerhalb eines Gebiets, das einer bestimmten Sprache – in diesem Fall dem Polnischen – zugeordnet ist. Es sollte eine polnische Neuausgabe des Bildwörterbuchs werden, das ein halbes Jahrhundert zuvor von deutschen Redakteuren erstellt worden war. Es gibt also in dem Projekt nur die Sprache und die Wirklichkeit, die in gewisser Weise miteinander verbunden sind, und mich – der nach diesen Verbindungen sucht.
 
Warum hast du keine Motive außerhalb Polens aufgenommen?

Ich wollte die Wirklichkeit in ihrer Rohform abbilden. Deshalb sollte meine Wahrnehmung möglichst ungestört sein, ich wollte auch den Effekt des Exotischen weitestgehend ausblenden. Selbst wenn wir in die Slowakei fahren, ist unsere Wahrnehmung bereits in gewisser Weise gestört – verglichen mit der Wahrnehmung der Slowaken, für die jene Wirklichkeit durchschaubar ist. Darüber hinaus ist es auch eine Wirklichkeit, die von der slowakischen und nicht der polnischen Sprache mitgestaltet wurde. Ich wollte also meine Wirklichkeit, die für mich durchschaubar ist und die von der dieser Wirklichkeit zugeordneten Sprache, also meiner Muttersprache, mitgestaltet wird, neu definieren, sie mit neuen Augen betrachten.

 

  • Fotografie zum Eintrag „die Erdbeere“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Erdbeere“
  • Fotografie zum Eintrag „die Einzelübung mit Band“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Einzelübung mit Band“
  • Fotografie zum Eintrag „die Verbindungsstücke“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Verbindungsstücke“
  • Fotografie zum Eintrag „die Keule“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Keule“
  • Fotografie zum Eintrag „die Haufenwolke“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Haufenwolke“

 
Was hat dich bei deiner Arbeit an dem Projekt „A-Z (Bildungsvitrinen)“ am meisten überrascht?

Ich beschäftige mich bereits so lange mit diesem Projekt, inzwischen bereits 14 Jahre, weil ich noch immer Situationen erlebe, die mich verblüffen – gerade durch das Prisma der Sprache betrachtet. Es geht in dem Projekt nicht darum, irgendwelche abstrakten Definitionen zu illustrieren, sondern darum, mit diesen Definitionen in die Welt hinauszugehen, sie an reale Situationen anzulegen. Das ist großartig! Natürlich handelt es sich dabei um eine subjektive Manipulation, denn ich entscheide selbst, an welche Situation ich eine bestimmte Definition anlege. Es hat sich gezeigt, dass die Betrachtung der Wirklichkeit durch das Prisma eines Sets von Definitionen manchmal einen verblüffend erfrischenden Blick auf die Welt eröffnet.
 
Dein Projekt veranschaulicht einen Verfall der Sprache, mit der die Welt der Fünfzigerjahre im Wörterbuch beschrieben wurde, und auch ein allmähliches Verschwinden der Designate. Bist du ein Ästhet des Vergänglichen?

Am meisten interessieren mich die Momente, in denen die Verbindung zwischen Wort und Bild nicht offensichtlich ist. Dies geschieht am natürlichsten dann, wenn ein Objekt aufhört zu existieren, oder wenn der ursprüngliche Kontext seiner Entstehung sich allmählich verflüchtigt. Ein gutes Beispiel hierfür sind Denkmäler, also Objekte, die als Träger von Ideen konzipiert wurden. Viele von ihnen sind heute bereits nicht mehr aktuell. Was geschieht dann mit den übrig gebliebenen Formen? Sie existieren weiter, inmitten von Menschen, die ein völlig anderes Weltbild in ihren Köpfen tragen. Leere Hüllen lassen sich mit vielen Dingen füllen, sie können leicht „gehackt“ werden. Denkmäler sind nur ein Beispiel von vielen, zum Glück gibt es bei der Arbeit am Projekt A-Z diverse Schlüssel zur Verbindung von Bildern und Wörtern.
 
In manchen Fällen hast du auch mehrere Fotografien aufgenommen, um Schlagwörter neu zu illustrieren. Ist das nicht ein weiterer Schritt in Richtung Wahnsinn?

Ich bin offen für solche Situationen…
 
Aber du suchst nicht bewusst nach ihnen?

Nein. Außer, ich weiß von einem konkreten Objekt, dann fahre ich hin und schaue es mir an. Das ist, denke ich, verständlich: Wenn ich im fünften Jahr meiner Arbeit am Projekt auf ein Objekt stoße, das das Schlagwort „Erdbeere“ illustriert, dann muss es schon ein besonders interessantes Objekt sein, nicht wahr? Wie interessant muss also erst das zweite, neuere Objekt sein, damit es das erste übertrifft? Beim Schlagwort „Erdbeere“ war das tatsächlich der Fall. In der Nähe von Serock befand sich eine gigantische Konstruktion in Form einer Erdbeere, die Werbung für einen Obstanbaubetrieb machte. Das erste Mal fotografierte ich sie 2009, als sie noch ihre Funktion erfüllte. Aber ich war nicht ganz zufrieden, denn sie war mit einer Aufschrift versehen, die eine zusätzliche, überflüssige Botschaft in das Bild einbrachte und die Komposition störte. 2015 fotografierte ich also ein anderes Objekt, um das Schlagwort „Erdbeere“ zu illustrieren. Eine Weile später erfuhr ich, dass die Erdbeere in der Nähe von Serock umgekippt war, wahrscheinlich war der Betrieb Pleite gegangen. Niemand kümmerte sich um die umgekippte Erdbeere, sie lag dort einfach am Straßenrand und verrottete malerisch vor sich hin. Also fuhr ich 2018 noch einmal nach Serock. Und tatsächlich: Sie hatte schon eine Weile dort herumgelegen und sah einfach fantastisch aus. Ich fotografierte sie mitten im Hochsommer, im Hintergrund ragten wunderbar grüne Baumwipfel in den Himmel, und mittendrin lag diese wunderschöne, allmählich zerfallende rote Frucht. Im vergangenen Herbst fuhr ich noch einmal dort entlang und machte noch ein weiteres Bild von ihr. Vielleicht verwende ich es für ein anderes Schlagwort – das wäre dann in der Geschichte des Projekts das einzige Objekt, das ich zweimal fotografiert habe, um unterschiedliche Schlagwörter zu illustrieren.
 
Wie viele Fotografien hast du gemacht?

Circa 1100.
 
In manchen Fällen kletterst du auch über Zäune, schleichst dich auf fremde Grundstücke und fotografierst in der Nacht. Du bist ein wenig Psychologe und ein wenig Kommandosoldat.

Ich habe immer eine Leiter im Kofferraum und auch Gummistiefel, falls ich zum Beispiel über frisch gepflügte Felder laufen muss. Ich habe mich auch näher mit der Gesetzeslage beschäftigt und weiß genau, was ich fotografieren darf und was nicht. In diesem Zusammenhang gibt es übrigens große Unterschiede zwischen Deutschland und Polen: Wenn du in Deutschland ein Video aufnimmst und dir zufällig jemand ins Bild läuft, kann diese Person von dir verlangen, dass du das Video sofort wieder löschst – dem Gesetz nach bist du dazu verpflichtet. In Polen musst du das nicht tun, wenn die Person sich lediglich im Hintergrund befindet. Interessanterweise musst du auch, wenn du ein Haus fotografieren möchtest, den Besitzer nicht vorher um Erlaubnis fragen – vorausgesetzt, du nimmst das Bild von einem Gehweg oder von einer öffentlichen Straße aus auf. Wenn du ein solches Bild veröffentlichen möchtest, sieht die Sache selbstverständlich schon etwas komplizierter aus, dann kommt der Datenschutz ins Spiel. Die zugehörige Beschreibung könnte eventuell als Verleumdung gewertet werden. Gegenstände darf man ohne Bedenken fotografieren, auch ohne dass der Besitzer etwas davon weiß. Ich habe einmal in einem Dorf ein Denkmal fotografiert, und im Hintergrund stand ein Haus. Plötzlich kam ein älterer Herr aus der Tür und sagte, ich habe sein Haus fotografiert. Ich antwortete ihm, ich habe lediglich das Objekt im Vordergrund fotografiert, sein Haus interessiere mich nicht. Darauf entgegnete mir der ältere Herr, ich dürfe sein Haus nicht ohne sein Einverständnis fotografieren. Ich erklärte ihm höflich, dass ich keinerlei bösen Absichten verfolge und dass es kein Gesetz gebe, das mir dies verbiete. Der ältere Herr behauptete steif und fest, es gebe ganz sicher ein solches Gesetz. Ich maß dem Ganzen zunächst keine größere Bedeutung, doch dann wurde der ältere Herr aggressiv und fasste mich an der Schulter. Schließlich ließ er mich wieder los und rief: „Oh, da kommt gerade der Herr Pfarrer. Den werden wir fragen, der weiß es bestimmt.“ Ich antwortete ihm, ich hätte nichts dagegen, wir könnten ihn ruhig fragen. Der Pfarrer lenkte das Auto aus der Einfahrt des Pfarrhauses heraus, rollte langsam auf dem Schotterweg an uns vorbei, bog auf die Asphaltstraße ein und fuhr davon. Das dauerte etwa eine Minute, doch der ältere Herr blieb einfach neben mir stehen, sagte nichts und verzog keine Miene. Ich fragte ihn, warum er den Pfarrer nicht angehalten habe, worauf er mir entgegnete: „Ach, was soll ich den Herrn Pfarrer mit solchen Sachen belästigen!“

 
  • Fotografie zum Eintrag „die Stiftschraube“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Stiftschraube“
  • Fotografie zum Eintrag „der Längsschnitt“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „der Längsschnitt“
  • Fotografie zum Eintrag „die Rakete“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Rakete“
  • Fotografie zum Eintrag „die Zahnlücke“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „die Zahnlücke“
  • Fotografie zum Eintrag „der Dreisprung“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „der Dreisprung“
  • Fotografie zum Eintrag „das Lichtsignal“ © Andrzej Tobis
    Fotografie zum Eintrag „das Lichtsignal“

 
Und wie ist dein Projekt in Deutschland aufgenommen worden?

Ich habe zu diesem Thema nur wenige Beobachtungen gemacht und ein paar Gespräche geführt, es fällt mir also schwer, irgendwelche allgemeinen Schlussfolgerungen zu ziehen. Die meisten deutschen Besucher der Ausstellung wissen nur wenig über die polnische Wirklichkeit – was wir leicht nachvollziehen können, wenn wir bedenken, wie eingeschränkt und klischeehaft unser Wissen zum Beispiel über die litauische oder ukrainische Wirklichkeit ist. Der durchschnittliche deutsche Besucher der Ausstellung A-Z (Bildungsvitrinen) hat also alles Recht dazu, nicht zu wissen, ob eine im Bild festgehaltene Situation in Polen als ganz alltäglich oder geradezu als sensationell empfunden wird. Außerdem verhalten sich deutsche Ausstellungsbesucher dermaßen politisch korrekt, dass sie niemals lachen, auch wenn die dargestellte Situation noch so absurd ist. Insgesamt kann ich das schon verstehen.
 
Der Übersetzungscharakter deines Projekts bewirkt, dass es auf den ersten Blick leicht verständlich erscheint.

Als ich mein Projekt A-Z (Bildungsvitrinen) im Polnischen Institut Düsseldorf präsentierte, erklärte mir einer der deutschen Mitarbeiter, dass ihm das Wörterbuch sehr gefalle und dass er es gerne zum Polnischlernen verwenden würde, weil andere Wörterbücher so langweilig seien. Ich weiß nicht, ob er das erst meinte.
 
Du verzichtest bewusst auf Verständnishilfen für deutsche Rezipienten – die Schlagwörter werden visuell nur in eine Richtung übersetzt. Das polnische Schlagwort „bezgłowiec“ wird zum Beispiel als „Stiftschraube“ übersetzt, das zugehörige Bild verweist jedoch auf die wörtliche Bedeutung des Begriffs und zeigt eine Statue ohne Kopf. Hat man dir daraus in Deutschland einen Vorwurf gemacht?

Der ominöse „bezgłowiec“ hat in der Tat nichts mit der deutschen Definition gemein. Die Beziehung zwischen dem polnischen Wort und dem Bild ist für mich absolut vorrangig. Selbstverständlich berücksichtige ich auch die Beziehung zwischen dem deutschen Wort und dem Bild. Der „bezgłowiec“ ist in mindestens zweifacher Hinsicht ein Sonderfall. Zum einen hat sich bei diesem Schlagwort ganz offensichtlich ein Übersetzungsfehler eingeschlichen: Wohl kaum jemand in Polen würde bei dem Wort „bezgłowiec“ an eine „Stiftschraube“ denken. Zum anderen besteht für den polnischen Betrachter kein Zweifel daran, dass es sich bei dem fotografierten Objekt um einen „bezgłowiec“ handelt. Die Beziehung zwischen dem Wort und dem Bild ist in diesem Fall sehr stark. Das Originalwörterbuch enthält viele solcher Schlagwörter mit einem gewissen „poetischen“ Potenzial. Ich nutze dieses Potenzial gerne, versuche jedoch gleichzeitig, es nicht überzustrapazieren. Wir dürfen bei all dem auch nicht vergessen, dass wir über ein Kunstwerk sprechen und nicht über ein Wörterbuch im klassischen Sinne. Ich bin mir selbstverständlich bewusst, wie sehr das menschliche Denken an gewisse Systeme zur Ordnung der Wirklichkeit gewöhnt ist. Jegliche Störungen in diesen Systemen rufen Unbehagen hervor, und mein Projekt ist in gewissem Sinne ein Virus in einem solchen System. Eine Kunstkritikerin erzählte mir, dass sie sich das Buch zu meinem Projekt in ihrer Universitätsbibliothek nicht ausleihen durfte, weil Wörterbucher dort grundsätzlich nicht ausleihbar sind.
 
Gibt es irgendwelche Schlagwörter, die sich einfach nicht illustrieren lassen?

Es wird sicherlich schwierig, in Polen ein geeignetes Motiv für den „Demokratischen Frauenbund Deutschlands“ zu finden. Das Originalwörterbuch enthält viele Bezeichnungen von Organisationen, die heute überwiegend nicht mehr existieren.
 
Angeblich realisierst du dein Projekt nicht kontinuierlich, sondern schubweise. Hast du allmählich genug von der polnischen Wirklichkeit?

Ich bin mir nicht ganz sicher, was die Ursache und was die Folge ist. Wenn ich gerade nicht an meinem Fotoprojekt arbeite, dann male ich. Ich weiß nicht, ob ich male, weil ich der polnischen Wirklichkeit überdrüssig bin, oder ob ich nicht fotografiere, weil ich male. Eines ist jedoch sicher: Ich kann nicht gleichzeitig malen und fotografieren. Nicht nur, weil es zu anstrengend wäre, sondern auch, weil sich in der Malerei und der Fotografie unterschiedliche Lebensweisen ausdrücken. Malen bedeutet, sich im Atelier einzuschließen und die Wirklichkeit in besonderer Weise zu filtern. Beim Fotografieren tauche ich hingegen vollständig in die Wirklichkeit ein – vielleicht nicht mehr als jeder andere Mensch auch, aber für jemanden, der sich normalerweise eine gewisse Distanz zur Wirklichkeit bewahrt, ist das schon eine ganze Menge.
 
Also eine Art Splendid Isolation?

Ich weiß nicht, ob die wirklich so splendid ist. Jedenfalls nicht immer [lacht].
 
Ich habe bewusst einen Begriff aus der Geschichte Großbritanniens gewählt, denn ich habe den Eindruck, dass dein Humor stark britisch geprägt ist.

Das ist, glaube ich, ein Teil meiner Überlebensstrategie. Die Wirklichkeit ist bisweilen absurd – lächerlich und schrecklich zugleich, manchmal lässt sich das nur schwer voneinander abgrenzen. Das Leben schreibt auch die merkwürdigsten Geschichten: Du gehst in die nächste Tierklinik, und die behandelnde Tierärztin heißt mit Nachnamen Schlange.

 

Top