Sprachenlernen im Wandel


 

Sprachenlernen im Wandel © Colourbox.de

Das oberste Ziel des Fremdsprachenunterrichts ist die schriftliche und mündliche Kommunikation. Die Interessen des Fremdsprachenunterrichts hängen auch von sich ändernden gesellschaftspolitischen Bedingungen einschließlich größerer Mobilität ab. Neue Technologien werden immer häufiger eingesetzt. Vor allem im Zeitalter der COVID-19-Pandemie ist es unmöglich, auf Digitalisierung und Fernunterricht zu verzichten, schreibt Karin Ende.
Als das Goethe-Institut Warschau im September 1990 gegründet wurde, hatte ich gerade meine Ausbildung zur Sprachlehrerin am Goethe-Institut München abgeschlossen. Wir waren auf die kommunikative „Methode“ getrimmt, die Grammatik-Übersetzungs-„Methode“ sollte der Vergangenheit angehören, obwohl manche Kollegin oder mancher Kollege unter dem damals stark favorisierten Lehrwerk Deutsch aktiv den allseits bekannten „Schulz-Griesbach“ im Unterricht hervorzog.
 
Ich unterrichtete in den Intensivkursen am Vormittag Menschen aus aller Welt, die während ihres oft mehrmonatigen Aufenthaltes vor allem an Bildung interessiert waren. In den Abendkursen hingegen waren bereits ein paar Studierende aus dem Ausland, internationale Au-Pair Mädchen und die ersten so genannten jüdischen Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen UdSSR.
 
Das Sprachenlernen zum Zwecke des beruflichen Fortkommens oder der Integration in ein deutschsprachiges Land begann an Bedeutung zu gewinnen.
 
Die Art des Deutschunterrichtens, gern als Methode bezeichnet, war dabei immer ein Spiegel der Motivation für das Sprachenlernen und immer auch ein Spiegel der gesellschaftlichen Lernkultur: Der bereits erwähnte Paradigmenwechsel von der Übersetzungsmethode (ein Übertrag aus dem Lateinischunterricht) hin zur kommunikativen Methode war stark von der Didaktik des Englischen als Fremdsprache beeinflusst. Eine Weltsprache, die sich zusehends als lingua franca bei internationalen Begegnungen etablierte, zielte darauf ab, sich in der Fremdsprache möglichst automatisiert und flüssig verständigen zu können. Authentische Sprachverwendung - mündlich und schriftlich – war das Zauberwort. Diesem Zwecke dienten in den 70er-Jahren Sprachlabore und die ersten Videoaufnahmen. Einen Eindruck aus dieser Zeit gewinnt man sehr gut aus der Dokumentation zu 60 Jahren Goethe-Institut.
 
Spätestens seit den späteren 90-er Jahren befasste sich Sprachdidaktik und damit auch die Abteilung Forschung und Entwicklung des Goethe-Instituts mit der Transformation des Unterrichtens und Sprachenlernens durch das Vorhandensein des Internet. Dieser Forschungsaspekt steht für das Goethe-Institut seitdem im Zentrum, denn Didaktik muss sich an geänderte Situationen anpassen und gleichzeitig diese vorhersehen. Dank dieses Schwerpunktes waren wir gut aufgestellt, als es im März dieses Jahres von heute auf morgen hieß, Präsenzunterricht durch virtuellen Unterricht oder Online-Sprachkurse zu ersetzen. Lehrkräfte und Kursteilnehmenden der Kurse am Goethe-Institut Warschau haben diese Transformation in überwältigender Art und Weise vollzogen.
 
Neben den Aspekten der Digitalisierung von Unterricht und Sprachlernangeboten beschäftigt uns die Tatsache, dass Deutsch in Polen zunehmend nach Englisch gelernt wird. Dieser Umstand, übrigens ein weltweiter Trend, kann und muss didaktisch ausgenutzt werden, zumal die beiden Sprachen sehr nah verwandt sind. Und die Grammatik? Nachdem sie in den 90er-Jahren fast verpönt war, kommt sie über einen Ansatz, den man „kognitionslinguistisch“ nennt, wieder stärker ins Visier: Das meint, was Sprecherinnen und Sprecher einer slawischen Sprache mit ihren Aspekten schon immer wussten: Grammatik ist nicht inhaltsleer, sie hat Bedeutung und Funktion und ist nur zusammen mit der Lexik das Ausdrucksmittel für unsere Intentionen. Schließlich tritt auch der Aspekt des beruflichen Fortkommens durch eine weitere Fremdsprache in den Vordergrund. Spezifische Angebote wurden entwickelt auch für zunehmend mobiles Lernen. Dieses Interesse ist zeigt sich zunehmend auch bei jungen bis sehr jungen Lernenden, die in unsere Kurse zusätzlich zur schulischen Bildung kommen.
 
Kommen wir nach diesem Bogen in das Reich der Sprachlernwissenschaft zurück zum Ausgangspunkt, der Eröffnung des Instituts in Warschau vor 30 Jahren, mit der die Aufnahme von Sprachunterricht einherging. In einer Zeit, in der Deutsch noch die erste schulische Fremdsprache und Englisch nicht verbreitet war. In einem Land mit hervorragenden Germanistiken und einem exzellenten Deutschniveau. Was konnten unsere Deutschkurse da bieten?
 
Die Kurse im Kulturpalast waren ein Ort der Begegnung mit Menschen und der Kultur des Nachbarlandes. Konversationskurse standen hoch im Kurs. Das Interesse an diesem Austausch und daran, wie im Nachbarland gedacht, gelebt, gearbeitet und vielleicht auch geträumt wird, ist ungebrochen. Seit Anbeginn bieten wir Sprachaufenthalte als Stipendien in Deutschland an. Drei herausragende polnische Stipendiaten berichten in Interviews mit Christoph Bartmann, dem Leiter des Instituts Warschau, über ihre Erfahrungen.
 
Dass dies so bleibt, ist unser Ziel für die nächsten dreißig Jahre hier in Warschau: Wir möchten ein Ort der Begegnung sein und Sprachunterricht auf didaktisch und medial neuestem Stand anbieten. Zugegeben, zunehmend in virtuellen Formaten, aber immer auf Augenhöhe, dialogisch und mit menschlicher Wärme und gegenseitiger Sympathie.

AUTORIN
Karin Ende, Leiterin der Sprachabteilung am Goethe-Institut Warschau
 

Autorin:

Karin Ende, Leiterin der Sprachabteilung am Goethe-Institut Warschau