Die Kunst des Essens
Hummus statt Schnitzel? – Ernährungsweisen in Deutschland

Hummus mit Brot
Hummus mit Brot | © Colourbox (Fotograf: Sarymsakov)

Für viele Deutsche entwickelt sich Ernährung mehr und mehr zum Ausdruck ihrer persönlichen Überzeugung. Lernt man sich neu kennen, ist es schon fast üblich zu fragen: „Wie ernährst du dich so und wie geht das?“ Hier die Antworten von fünf Vertretern verschiedener Ernährungsrichtungen.

Vegetarier essen nur Produkte, die von lebenden Tieren stammen: Kein Fleisch und Fisch, aber dafür Milch, Eier und Honig. Laut Vegetarierbund Deutschland (VEBU) leben in Deutschland 7,8 Millionen Vegetarier – also zehn Prozent der Bevölkerung.

Roswitha (49): Vegetarierin bin ich seit fünf Jahren, wobei ich besonders gerne Gemüselasagne und Couscous esse. Vorher habe ich Biofleisch gekauft, bis ich das Lieferauto eines Massenzuchtbetriebs vor dem Metzgerladen meines Vertrauens gesehen habe. Das hat mich sehr enttäuscht. Das Leid der Tiere ist für mich das wichtigste Argument gegen Fleisch. Hinzukommt noch die starke Belastung durch Medikamentengabe. In meinem Umfeld stellten es sich viele am Anfang schwer vor, vegetarisch zu leben. Fleisch in die Pfanne hauen ist einfach, Gemüse zu schnippeln erfordert eine gewisse Passion. Durch meine Umstellung habe ich aber auch den ein oder anderen mitgerissen.

Nudeln, Käse und Tomaten Nudeln, Käse und Tomaten


Der Speiseplan von Veganer beruht auf komplett pflanzlicher Basis. In Deutschland leben schätzungsweise 90.000 Veganer, was einem Prozent der Bevölkerung entspricht.

Stanislav (21): Ich lebe seit zwei Jahren strikt vegan. Den Ausschlag hat in erster Linie meine Katze gegeben. Ich finde es doppelmoralisch, das eine Tier zu lieben und sich das andere aufs Brot zu schmieren. Ich habe als Stadtbewohner keinen direkten Bezug zu Schweinen, aber sollte ich sie deshalb anders behandeln als meine Katze? Vegan ist für mich konsequenter als vegetarisch, weil die Milchindustrie in direkter Wechselwirkung mit der Fleischindustrie steht. Ich finde sie eigentlich noch schlimmer, weil auch Tiere Muttergefühle haben. Mein Umfeld hat leider negativ reagiert. Meine Familie stammt aus Polen vom Land und hat meine Entscheidung bis heute nicht akzeptiert. Einmal haben sie mir sogar heimlich Fleischbrühe vorgesetzt. Ich weiß, dass sie mir nichts Schlechtes wollen. Sie denken, Fleisch ist lebensnotwendig. Ich wünsche mir, dass die Leute allgemein mehr über Ernährung recherchieren würden. Infos gibt es dank Internet ja genug. Die slawische Küche ist mir übrigens weiterhin sehr wichtig und ich habe schon viele Gerichte in veganer Variante nachgekocht wie Pirogi, Gulasch oder Rouladen aus Seitan.

Selbstgebackene Pilzquiche mit Reismilch Selbstgebackene Pilzquiche mit Reismilch


Flexitarier sind Menschen, die sich zum Großteil vegetarisch oder vegan ernähren, aber gelegentlich noch Produkte wie Fleisch oder Käse essen. Ihre Zahl scheint zu wachsen, denn in den letzten fünf Jahren hat sich der Umsatz von veganen Produkten in Deutschland verdoppelt, während die Nachfrage nach Wurst und Fleisch um fast 10 Prozent zurückgegangen ist.

Anna (27): Ich finde, Fleisch sollte aus artgerechter Aufzucht stammen. Im familiären Kontext oder wenn ich eingeladen werde, achte ich darauf allerdings nicht so streng. In meinem Freundeskreis sind viele Vegetarier und Veganer, deshalb fällt es mir leicht, mich mit dieser Ernährung zu beschäftigen. Ich weiß zum Beispiel, wie man vegane Leberwurst herstellt, wie man Seitan grillt oder eifreie Bananenwaffeln backt. Andererseits will ich nicht dogmatisch sein. Soziale Integration und Alltagstauglichkeit sind mir wichtig. Beim Tatort gucken mit meinen Freunden will ich nicht in der Kneipe alleine mit meinem Karottensalat sitzen. Natürlich sehe ich trotzdem die ökologischen Gründe für Fleischverzicht. Es verbraucht viel mehr Ressourcen, Schlachttiere zu züchten als Gemüse anzubauen.

Steak und Gemüse Steak und Gemüse


Allesesser essen tierische und pflanzliche Produkte. Auch unter ihnen gibt es viele, die ihre Ernährung hinterfragen und als Konsequenz zum Beispiel nur bestimmte Produkte kaufen.

Markus (50): Ich esse alles, was natürlich ist, was nicht von intensiv landwirtschaftlich genutzten Böden stammt. Die Ernährungswissenschaft steckt meiner Meinung nach noch in den Kinderschuhen und ich verlasse mich nicht darauf. Wir als natürliche Wesen sollten die Natur möglichst direkt anzapfen. Dafür gehe ich zum Beispiel im Wald Kräuter sammeln oder kaufe getrocknete Datteln, Feigen oder Rosinen. Da ich in einer Großstadt lebe, ist es manchmal schwierig, diese Einstellung durchzusetzen. Ich gehe oft in Suppenküchen oder Thailändisch essen. Wenn ich ein gutes Steak finde, dann packe ich es mir auf den Teller – oder auch mal ein Stück Sahnetorte. Nach meiner Erfahrung reagieren Leute oft ein wenig aggressiv bei diesem Thema. Sie wissen eigentlich, wie gute Ernährung funktioniert, halten sich aber nicht daran und bekommen ein schlechtes Gewissen, wenn sie jemanden wie mich treffen.

Tomatensuppe aus geretteten Tomaten Tomatensuppe aus geretteten Tomaten


Freeganer zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine oder kaum Lebensmittel kaufen. Sie ernähren sich von Essen, das sie gefunden, geschenkt bekommen oder gerettet haben. Sie setzen sich dagegen ein, dass in Deutschland pro Jahr 11 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen werden.

Lena (26): Ich würde mich als „Müllvegetarierin“ bezeichnen. Ich möchte kein Fleisch kaufen, aber vor meinen Augen weggeworfen werden soll es auch nicht. Insgesamt besteht meine Ernährung zu 80 Prozent aus Lebensmitteln, die ich als Mitglied der Organisation Foodsharing rette. Meistens handelt es sich dabei um Brot, Gemüse oder Obst. In meinem Freundeskreis sind viele Philosophen, die mein Aktivismus interessiert und auch sonst sind die Reaktionen positiv. Meine Eltern haben mir schon oft gesagt wie stolz sie sind und alte Menschen reagieren immer sehr glücklich, weil meine Lebensweise sie an früher erinnert. Durch die geretteten Lebensmittel lerne ich viele neue Rezepte. Früher hätte ich mir höchstens ein paar Tomaten in den Salat geschnippelt, seit ich einmal drei Kilo davon gerettet habe, weiß ich wie man Tomatensuppe kocht.