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Berlinograd
Zehn „russische“ Orte in der deutschen Hauptstadt

Türme der Russisch-Orthodoxen Kirche in Berlin-Charlottenburg
© ebenart - Fotolia.com

Berlin ist wohl die „russischste“ aller deutschen Städte. Als beliebtes Refugium der russischen Intelligenz im 20. Jahrhundert und Hauptstadt der prosowjetischen DDR hat diese Stadt auch in der Folge nie aufgehört, Emigranten aus Russland anzuziehen. Diese bemühen sich weiter um die kleine „russische Welt“ Berlins, in der man einen „Bojarski“-Shot trinken und sibirische Pelmeni essen kann. Die Journalistin Warwara Morosowa stellt zehn Orte in der deutschen Hauptstadt vor, die uns in unsere Heimat zurückversetzen.

Von Warwara Morosowa

Charlottenburg
 
Auf Russland stößt man im direkten Sinne, wenn man aus der S-Bahn-Station Charlottenburg heraustritt: Gemeint ist ein gleichnamiger Supermarkt mit großem Trikolore-Schild. In seinen Regalen finden sich Buchweizen, gesüßte Kondensmilch, „Aljonka“-Schokolade … ein wahres Paradies für den gastronomischen Patrioten. Das Russische dieses Stadtteils beschränkt sich jedoch nicht nur darauf. Schon in den Zwanzigerjahren, als sich hier nach der Oktoberrevolution die russischen Emigranten niederließen, hatte er den Spitznamen „Charlottengrad“ bekommen. Seitdem hat sich der Bezirk grundlegend verändert, doch die Spuren des russischen Charlottengrads sind erhalten geblieben. Zum Beispiel mit der Pension Elisabeth Schmidt (Trautenaustraße 9), in der einmal Marina Zwetajewa, Andrej Bely und Vladimir Nabokov wohnten. Und nur fünf Minuten Fußweg vom Schloss Charlottenburg entfernt befindet sich das älteste russische Restaurant Berlins „Samowar“ (Luisenplatz 3), das seit 1979 in Betrieb ist. Wenn schon nicht für ein Festessen, so lohnt es sich doch zumindest für den Aperitif „Der Traum Romanows“ im Interieur des zaristischen Russlands hereinzuschauen.
© Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Marzahn

Hohe Plattenbauten aus DDR-Zeiten, breite Verkehrswege und Oberleitungen der Tram-Strecken – das ist Marzahn, ein weiteres „russisches“ Viertel, allerdings diesmal im Osten Berlins. Vom Alexanderplatz fährt man nur 25 Minuten bis hierher, doch man hat den Eindruck, als ob man in einen typischen verschlafenen Vorort am Rande einer russischen Stadt gekommen ist. Unter den Einwohnern Westberlins hat Marzahn einen schlechten Ruf, den es gar nicht verdient. Nach Angaben der Polizei ist es sogar einer der ungefährlichsten Bezirke der Hauptstadt. Und das Zuhause von 30.000 Russlanddeutschen. Deswegen ist es sehr leicht, hier einen russischsprachigen Kindergarten oder ein Putin-T-Shirt zu finden. © Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Kino Krokodil

Das einzige russischsprachige Kino Berlins befindet sich in der Greifenhagener Str. 32. Sein Betreiber Gabriel Hageni hat einmal mit Vorführungen sowjetischer Kinostreifen mit deutschen Untertiteln begonnen. Heute ergänzen alte und aktuelle Filme aus Osteuropa das Repertoire des „Krokodil“. Über dem Eingang hat es sich ein aus Rohren zusammengeschweißtes Panzerschiff Potemkin gemütlich gemacht, im Foyer hängen die Portraits sowjetischer Generalsekretäre, ein Schild mit der Aufschrift „Obed“ („Mittagessen“) und ein an die Decke geschnürtes Krokodil. Außer Filmvorführungen finden hier auch Animations-Workshops statt. © Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Panda-Theater

Das „Panda“ (Knaackstraße 97) ist „Nicht nur russisches Theater“, wie es in seinem Namenszug heißt, sondern ein solider Zusammenschluss kreativer Köpfe aus Ländern der ehemaligen UdSSR und Osteuropa. Der Moskauer Performance-Künstler Alexander Delfinow hatte das Theater 2009 gegründet. Heute ist es eine offene Plattform für Akteure der unterschiedlichsten Kunstformen. Und der Berliner „Panda“ teilt sich das Gebäude mit dem offenen Atelier des Künstlers Dmitri Wrubel von „БruderKunst“. Er ist der Urheber des Bildes „Mein Gott, hilf mir, diese tödliche Liebe zu überleben“ mit dem Bruderkuss zwischen Honecker und Breschnew an der East Side Gallery. Ein Blick ins Atelier lässt sich aber auch mit einem Gang ins Theater verbinden: Die Arbeiten des Künstlers dienen nämlich als perfekter Hintergrund für die dortigen Performances. © Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Kaffee Burger

Wenn ihr Lust habt, tanzen zu gehen (und das ist in Berlin einfach ein Muss), dann schaut unbedingt ins Kaffee Burger (Torstraße 60) hinein. Genau hier tobte Ende der 90er Jahre die legendäre Russendisko von Wladimir Kaminer. Die russischen Hits fanden Anklang bei den Berlinern und die Disko wurde so populär, dass sie kommerzielle Radiosender und das damalige MTV in ihre Schranken verwies. Das Interieur des Clubs erinnert an eine alte Chruschtschowka-Wohnung: ein paar enge Kellerräume, gelbe Tapeten an den Wänden und alte Möbel aus DDR-Zeiten. Wenn ihr also Sehnsucht nach der Ästhetik der sowjetischen Dekadenz habt, ist das hier etwas für euch. © kaffe burger © kaffe burger Treptower Park

Kriegsdenkmäler gibt es einige in Berlin, aber das Sowjetische Ehrenmal im Treptower Park verdient besondere Aufmerksamkeit. Es ist das größte dieser Art von Denkmälern außerhalb der ehemaligen Sowjetunion und die Begräbnisstätte von 7.000 sowjetischen Soldaten, die im Zuge der Befreiung der Stadt gefallen sind. Die Gedenkstätte besteht aus unterschiedlichen Teilen: der Statue eines Soldaten mit einem Kind auf dem Arm, einem Gräberfeld, einem Granitportal am Eingang und der bescheidenen Statue einer Frau. Die Figur des Befreiung bringenden Soldaten im Treptower Park ist einer von drei Teilen des Triptychons „Mutter Heimat ruft!“. Die anderen beiden befinden sich in Magnitogorsk und Wolgograd. © Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst

Das Deutsch-Russische Museum Berlin-Karlshorst (Zwieseler Str. 4) befindet sich an dem historischen Ort, an dem die Kapitulationserklärung der deutschen Streitkräfte unterzeichnet wurde. Man muss umsteigen, um hierher zu kommen, aber für Geschichtsfans ist dieser Ort ein absolutes Muss. Die Dauerausstellung beschäftigt sich mit den deutsch-sowjetischen Beziehungen von 1917 bis 1960, aber auch thematische Wechselausstellungen werden hier regelmäßig organisiert. Der Eintritt ins Museum ist kostenlos, doch bevor ihr hereingeht, solltet ihr die Villa einmal umrunden: Denn eine „Katjuscha“ und einen Т-34-Panzer werdet ihr wohl nirgendwo sonst in Berlin zu Gesicht bekommen.
© Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Kvartira 62

Die gemütliche Bar mit heimatlicher Wohlfühl-Atmosphäre (Lübbener Str. 18) erfreut sich wahnsinniger Beliebtheit – nicht nur bei den von Nostalgie übermannten Besuchern, die noch in der UdSSR geboren sind, sondern genauso auch bei Vertretern der Kreuzberger Bohème. Der Besitzer von „Kvartira“, Alexander Grüner, war schon 1998 nach Berlin gekommen. Damals verstand er zwar nichts von Unternehmertum und Gastronomie, doch sein Eifer und sein Charme trugen Früchte: Heute gilt das „Kvartira“ zu Recht als eine der erfolgreichsten russischen Bars in Berlin. Es heißt, dass es hier die leckersten Pelmeni in der ganzen Stadt gibt. Als Vorspeise empfiehlt sich ein Wodka mit Birkensaft. Und das alles zu sehr annehmbaren Preisen. © Warwara Morosowa © Warwara Morosowa Primitiv-Bar

Ungeachtet seines Namens ist das „Primitiv“ (Simon-Dach-Straße 28), das auf einer der belebtesten Straßen des Bezirks Friedrichshain liegt, überhaupt kein primitiver Ort. Neben einer stattlichen Auswahl anregender Getränke zu demokratischen Preisen verfügt diese Bar auch über ein interessantes Unterhaltungsprogramm – hier findet regelmäßig eine Burlesque-Show mit Tänzerinnen aus der ganzen Welt statt. Die offenen Tänze wirken vor dem Interieur im Stile Russlands der 20er-Jahre besonders interessant: ein Lampenschirm mit Fransen, Retro-Plakate mit russischen Aufschriften und die vertraute Stehaufmännchen-Puppe aus der sowjetischen Kindheit. Das russische Kolorit des „Primitiv“ ist das Verdienst der Miteigentümerin der Bar, Palina, deren Familie aus Kasachstan nach Deutschland gekommen ist.

Vater Bar

Inwiefern unterscheidet sich die „Vater Bar“ (Reuterstraße 27) von den vielen anderen Bars in Neukölln, werdet ihr fragen. Die Gründer dieses Ladens, unter ihnen der Russlanddeutsche Artjom Hein, haben sich darum bemüht, eine Atmosphäre zu schaffen, die jedem russischen Emigranten vertraut ist: Gardinen mit Druckmuster, Teppiche an den Wänden und sowjetische Möbel. Auch die Karte verdient hier eine besondere Aufmerksamkeit: Man wird wohl kaum an einem anderen Ort in Berlin Cocktails mit Namen wie „Fräulein Lena“ und „Bandit Zhenja“ trinken können. Und Besucher werden angenehm überrascht sein, hier den klassischen Piter-Shot „Bojarskij“ zum Preis von nur einem Euro vorzufinden.

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