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Ein seltsames Paar
Wie Harvard ein Zentrum des Bauhauses in den USA wurde

Objekte der Bauhaus-Sammlung des Busch-Reisinger-Museumsin der Ausstellung „The Bauhaus and Harvard“, Harvard Art Museums, Cambridge, Mass.
© President and Fellows of Harvard College

Von all den Orten, die die Künstlerinnen und Künstler des Bauhauses prägten, nachdem sie Deutschland verlassen hatten, ist die Harvard University wohl der ungewöhnlichste. Schließlich treffen hier zwei sehr verschiedene Schulen aufeinander: Das Bauhaus war eine experimentelle Kunstschule, die in derselben Stadt und im selben Jahr entstand wie die Verfassung der Weimarer Republik und von den Idealen der Novemberrevolution beeinflusst war. Harvard hingegen wurde1636 gegründet, zu einer Zeit, in der die Vereinigten Staaten noch eine britische Kolonie waren, und galt als Symbol für Tradition, Wohlstand und Macht.
 

Von Melissa Venator

Unter den amerikanischen Bildungseinrichtungen, die vom Bauhaus beeinflusst waren, scheinen es auf den ersten Blick eher fortschrittliche Einrichtungen wie das Black Mountain College, an dem Anni und Josef Albers unterrichteten, oder das László Moholy-Nagy’s Institute Of Design zu sein, die das Erbe des Bauhauses in den USA angetreten haben.
 
Tatsächlich hat Harvard das Bauhaus jedoch schon gefördert, bevor dessen erste Mitglieder in die USA ins Exil gingen. Die Harvard Society For Contemporary Art organisierte bereits 1930 die erste Bauhaus-Ausstellung, als die Designschule in Deutschland noch in Betrieb war. Die Mitglieder der Harvard Society, allesamt Studierende der Harvard University, liehen sich für diese Ausstellung Kunstwerke unter anderem bei Philip Johnson (der gerade seinen Harvard-Abschluss gemacht hatte und seine Sammlung bei Studienreisen mit seinem Kommilitonen Alfred H. Barr, Jr. zusammengestellt hatte), dem Gründungsmitglied und ersten Direktor des Museum Of Modern Art in New York. Harvard-Studenten wie Johnson, Barr und die Mitglieder der Harvard Society For Contemporary Art zählten zu den ersten Amerikanern, die die Bedeutung des Bauhauses erkannt hatten.

Der erste modernistische Architekt in Harvard

Im Jahr 1937 rückte das Bauhaus verstärkt ins Zentrum des Campus-Lebens, nachdem der Bauhaus-Begründer Walter Gropius als Leiter des Fachbereichs Architektur an die neu in Harvard errichtete Graduate School Of Design berufen wurde. Gropius war der erste modernistisch eingestellte Architekt in Harvard, und gleich zu Beginn seiner Amtszeit reformierte er hier Lehre und Praxis der Architektur.
 
Bevor Gropius kam, wurden Studierende in Harvard in Design unterrichtet, indem man diese Umrisse von Gipsabdrücken von Ornamenten historischer Gebäude abzeichnen ließ. Dieses Modell der Wissensvermittlung durch Kopieren der Vergangenheit, das er auch als „endloses Wiederbeleben des Widerbelebten“ bezeichnete, lehnte Gropius ab. Stattdessen sollten die Studierenden echte Lösungen für reale Standorte entwickeln, und zwar als Teil eines Teams verschiedener Fachleute wie Ingenieure, Stadtplaner und Kunden – sprich, sie sollten arbeiten wie ein richtiger Architekt. Viele, die bei Gropius studierten, zählten später zu den führenden modernistische Architekten Amerikas, darunter auch Philip Johnson, der anschließend noch die Graduiertenschule in Harvard besuchte, und I.M. Pei, der vor allem für seine Erweiterung des Louvres in Form einer Glaspyramide vor dem Museum bekannt geworden ist.

Nur der Anfang des Vordringens des Bauhauses in den Mainstream

Gropius hat sich aber nicht nur durch seine Dozententätigkeit für das Bauhaus eingesetzt. Er schrieb auch Bücher für den englischsprachigen Markt, entwarf Häuser nach Bauhaus-Prinzipien und unterstützte Ausstellungen in Amerika, die sich mit der Bauhaus-Kunst beschäftigten. Auch bei der Einrichtung der Bauhaus-Sammlung im Busch-Reisinger-Museum in Harvard war er behilflich. Diese beherbergt inzwischen 32.0000 Objekte und ist die größte Sammlung mit Bauhaus-Exponaten außerhalb Deutschlands. 1947 übergab Gropius dem Busch-Reisinger Museum (damals noch Germanic Museum) die Adressen sämtlicher in den USA lebender Künstler und Förderer des Bauhauses. Er schenkte dem Museum seine eigene Sammlung und rief andere dazu auf, es ihm gleich zu tun, damit kommende Generationen von Studierenden und Unterrichtenden diese Objekte als lehrreiches Anschauungsmaterial nutzen konnten.
 
Dank Gropius’ Wirken von 1937 bis 1952 ist Harvard ein Zentrum für das Bauhaus und dessen Rezeption in den USA geworden. Harvard ist jedoch nur der Anfang eines wahren Bauhaus-Booms in den 1940er und 1950er Jahren, einer Zeit, in der sich die Kunst und Pädagogik dieser Schule in vielen amerikanischen Mainstream-Universitäten ausbreitete. Die Busch-Reisinger-Sammlung beinhaltet Übungen von Studierenden, die an einem Bauhaus-Design-Seminar teilgenommen haben. Diese wurden von amerikanischen Dozenten geleitet, die keine Beziehung zum Bauhaus am Brooklyn College und dem Tulane University’s Newcomb College hatten; dennoch sehen die Zeichnungen genauso aus, als seien sie im Bauhaus in Deutschland angefertigt worden. Die Aussagekraft dieser in einem derartig großen Abstand zum Bauhaus entstandenen Übungen sind der beste Beweis dafür, dass das Bauhaus auch als Experimentierstätte für neue Ansätze in der Kunsterziehung eine enorme Bedeutung hatte.

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