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Stadtverkehr
Der moderne Straßenatlas

In der Stadt von A nach B zu kommen ist eigentlich kein Problem. Wären da nur nicht die anderen!
In der Stadt von A nach B zu kommen ist eigentlich kein Problem. Wären da nur nicht die anderen! | Foto (Detail): © Adobe/ konradbak

In der Stadt von A nach B zu kommen ist eigentlich kein Problem. Wären da nur nicht die anderen! Eine Würdigung der wichtigsten Verkehrsteilnehmer.

Von Max Scharnigg

Der Kampfradler

Gelbe Warnweste, roter Helm, die Hose zum Schutz vor Kettenschmutz bis knapp unter das Schlüsselbein aufgerollt und dazu ein leidgeprüftes Trekkingrad – alles am Kampfradler macht deutlich, dass er nicht zum Vergnügen unterwegs ist. Sein bester Freund im Kampf gegen die Freizeitradler und sonstige Hindernisse ist seine Klingel, die er gerne auch nur mal auf Verdacht benutzt. Gäbe es auf Fahrradwegen linke Spuren, dann wäre er da Stammgast. So aber muss er einen genervten Slalom um alle fahren – Kollateralschäden nimmt er dabei gerne in Kauf. Er ist immer in Eile und immer im Recht, schließlich verkörpert er seit etwa 1982 im Alleingang das Öko-Gewissen der Stadt, zumindest in seiner Deutung. Zu langsame Mitradler werden vom ihm genauso beschimpft wie rote Ampeln und Autofahrer, für die er ein ganzes Anwaltsbüro beschäftigt. Während andere beim Radeln entspannen, kommt er verschwitzt und mit hohem Blutdruck ins Büro, Fliegen kleben auf der Brille, aber hey: Erster!
Der Kampfradler Der Kampfradler | Foto (Detail): © Adobe/ konradbak

Der Car-Sharing-Typ

Sein Mantra: „Ha-llooo, wir haben 2019, niemand braucht ein eigenes Auto in der Stadt!“ Das weiß zwar jeder, aber er predigt es trotzdem immer noch so, als wäre es die eigene, bahnbrechende Erkenntnis. Der Car-Sharing-Typ musste stattdessen seine Kreditkarte bei zwölf verschiedenen Apps mit albernen Namen anmelden und Fotos von sich und seinem Führerschein durch die Welt schicken. Seitdem beherrscht er mit seinem Smartphone das gesammelte New-Mobilty-Angebot der Stadt. Ob E-Scooter, Motorroller oder Leihwagen – alles ganz easy! Vorausgesetzt, die Anbieter sind nicht schon wieder pleite und irgendwo in der Nähe wurde tatsächlich mal ein Fahrzeug abgestellt. Geschmeidig bewegt er sich dann zwischen den Gefährten und übersieht dabei geflissentlich, dass ihm eigentlich die Fahrpraxis für weite Teile seines Fuhrparks fehlt. Die Erinnerung an die Verkehrsregeln ist auch eher rudimentär. Macht nix, geübt wird eben im fließenden Verkehr! Ist ja nicht so schlimm, die Flotte gehört ihm ja nicht. Deswegen wird auch das Drive-Now-Auto kurzerhand in fremden Einfahrten abgestellt, werden mit dem Motorroller diverse Seitenspiegel gestreift und der Scooter versehentlich im Kanal versenkt. Ups! Orientierung, vorausschauendes Fahren, Rücksicht auf andere? Eher nicht, lieber Fun und Schlangenlinen! Eine andere moderne Erkenntnis hat ihm nämlich leider noch niemand mitgeteilt: Car-Sharer sind die neuen Sonntagsfahrer!
Der Car-Sharing-Typ Der Car-Sharing-Typ | Foto (Detail): © Adobe/ Syda Productions

Die SUV-Mama           

Ganze Kabarettprogramme wurden schon um sie herum gestrickt. Aber die SUV-Mama hat davon gar nichts mitbekommen, denn sie hat ja schon genug mit ihrem Chakra und dem Kind (bestätigte Hochintelligenz) zu tun. Sie interessiert sich auch eigentlich gar nicht für Autos, aber das große ist halt schon praktisch: Einmal drin, ist die ganze stressige Welt so angenehm gedämmt und sie schwebt hier endlich einmal über den Dingen. Automatik und Abstandassistenten regeln den Stadtverkehr für sie und sogar die Radfahrer winken noch freundlich, wenn sie ihnen die Vorfahrt nimmt. Super! Auch wenn kleine Hindernisse erfahrungsgemäß problemlos platt gemacht werden können – Einparken ist mit der Riesenkiste doch etwas lästig. Aber das ist ja zum Glück nicht nötig, denn vor dem Kindergarten und der Schule kann man einfach schnell in zweiter Reihe halten und vor dem Yoga-Studio auch. Ihr Trick dabei: Einfach Warnblinker an und so tun, als müsste man nur ganz schnell was abholen …
Die SUV-Mama            Die SUV-Mama | Foto (Detail): © Adobe/ ArtFamily

Der Lastenrad-Papa

Der Stolz fährt mit. Nicht nur in Form von Klein-Emma-Sophie vorne, sondern auch der Stolz über dieses stattliche Stück Ingenieurskunst, das er hier mit eigener Körperkraft und immerhin doch fast sieben Kilometern pro Stunde durchs Szeneviertel bugsiert. Weil er ständig ausrechnet, wie viel Kohlendioxid er dabei einspart, entgeht dem Lastenrad-Papa, dass sich hinter ihm auf dem Radweg schon ein ordentlicher Rückstau gebildet hat. Auch dass sein Familienschiff mit zweieinhalb Metern Länge den Hinterhof blockiert, sortiert er mal lieber unter Spießerbedenken ein. Auf seinem T-Shirt steht dafür „Ich ersetze ein Auto!“ – und um das wahr zu machen, liegen vorne neben den apathischen Kindern auch immer noch eine XXL-Packung Klopapier, ein Kasten Craft Beer und eine scheppernde Ladung Altglas. Bis er damit an der grünen Ampel in Schwung kommt, dauert es eben eine gewisse Zeit. Und zwar immer genau so lange, bis sein Hintermann wieder auf die nächste Grünphase warten muss.
Der Lastenrad-Papa Der Lastenrad-Papa | Foto (Detail): © Adobe/ kristall

Der Handwerker-Laster 

Frühmorgens auf der Autobahn trifft man ihn schon auf der linken Spur – mit 185 km/h, vier Mann Besatzung und einem Kleinbagger hinten drin, schließlich heißt das Ding ja Sprinter. In der Stadt dann geht es deutlich gemächlicher zur Sache – Blinker und sonstige Regeln des zivilen Gehorsams sind plötzlich vergessen, dafür wird überall in zweiter Reihe oder gleich direkt in der Haustür geparkt. Wer das beanstandet, bekommt in deftigem Dialekt mitgeteilt, dass man hier schließlich arbeiten müsse und basta. Radfahrern, Kinderwagen und sonstigen Metropolzutaten begegnen die Handwerker lieber mal mit Verachtung, weil sie derlei von daheim eben nicht kennen. Und um ihr Revier abzustecken, lassen sie an der Stelle, wo sie unentgeltlich geparkt haben, leere Farbeimer und 14 Meter Abdeckfolie zurück. Fällt doch gar nicht weiter auf in der Stadt, gell?
Der Handwerker-Laster Der Handwerker-Laster | Foto (Detail): © Adobe/ Stefan Körber

Der Rennrad-Hipster

Daran zu erkennen, dass er zweimal täglich sein Rad über der Schulter bis in den dritten Stock schleppt. Angeblich, um den raren Vintage-Stahlrahmen gegen Diebstahl zu schützen. In Wirklichkeit aber, weil er es schick findet, mit dem Fahrrad über seinem WG-Bett der nächsten Tinder-Eroberung zu imponieren. Durch die Straßen des von ihm eigenhändig gentrifizierten Viertels pedaliert er bei trockenem Wetter im lockeren Wiegeschritt bis vor die Agentur, in der er arbeitet (Entfernung: 700 Meter). Er erzählt dort gern von seiner Vergangenheit als rebellischer Fahrradkurier, was aber nur davon ablenken soll, dass er längere Wegstrecken lieber meidet. Schließlich ist er auch nicht mehr der Jüngste und Sitzhaltung, dünne Reifen und Sattel sind wirklich sehr unbequem. Das würde er aber nie zugeben. Genauso wie den Umstand, dass er das Rennrad in letzter Zeit immer häufiger über dem Bett hängen lässt und zu Fuß geht. Das wird nämlich das nächste hippe Ding. Vielleicht.
Der Rennrad-Hipster Der Rennrad-Hipster | Foto (Detail): © Adobe/ Peter Atkins

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