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Kafenio
Morgens Café, mittags Friseur

Eine Schachpartie vor einem türkischen Kaffeehaus und Barbierladen, 1845.
Eine Schachpartie vor einem türkischen Kaffeehaus und Barbierladen, 1845. | Foto (Ausschnitt): Martinus Rorbye © The Picture Art Collection/Alamy Stock Photo

Kaffeehäuser – da denkt man an Wien, an gedankenversunkene Stunden inmitten großer Denker. Doch in Griechenland waren Kaffeehäuser, die dort Kafenio heißen, nicht nur Ort der intellektuellen Begegnung, sondern auch Friseursalon, Postbüro und Gemüsehändler.

Von Yiouli Eptakoili

Verfolgt man die Spur der ersten Kaffeehäuser, wird man in Mekka und Kairo fündig: Dort werden Kaffeehäuser erstmals  um 1510 erwähnt. Bekannter wird die Institution des Kaffeehauses aber erst, als zwei Araber aus Aleppo und Damaskus im Jahre 1554 das erste Café in Konstantinopel eröffnen und den Osmanen den Kaffee nahebringen. Die nehmen ihn enthusiastisch auf. In kurzer Zeit verbreiten sich die Kaffeehäuser in der ganzen Stadt und daraufhin in den Kleinstädten und Dörfern Anatoliens. Gleichzeitig bringen Händler aus den Häfen von Marseille, Venedig und Amsterdam die Kaffeekultur nach ganz Europa. In Venedig öffnet das erste Café im Jahre 1615, in London 1652.
 
In Griechenland verbreiten sie sich schnell. Dem türkischen Chronisten und Erzähler Evliya Çelebi  zufolge gab es 1668 in Thessaloniki bereits 348 Cafés. „Dort treffen und unterhalten sich Musiker, Schauspieler, Sänger, Narren, Stutzer, Dichter und Literaten“, berichtet er.

  • Traditionelles Kafenio in Arkesini auf der Insel Amorgos Foto (Ausschnitt): Giorgos Pittas

    Traditionelles Kafenio in Arkesini auf der Insel Amorgos

  • Ein alter Mann spielt auf einer kretischen Leier. Sein Enkel beobachtet ihn begeistert in einem Café im Dorf Sykia, in der Region von Sitia auf Kreta. Viele Kafenia in der griechischen Provinz erhalten so die lokale Tradition. Foto (Ausschnitt): Dimitris Tiniakos

    Ein alter Mann spielt auf einer kretischen Leier. Sein Enkel beobachtet ihn begeistert in einem Café im Dorf Sykia, in der Region von Sitia auf Kreta. Viele Kafenia in der griechischen Provinz erhalten so die lokale Tradition.

  • Das Handwerkzeug des Kaffeehausbesitzers Foto (Ausschnitt): Giorgos Pittas

    Das Handwerkzeug des Kaffeehausbesitzers

  • Kafenio in Kefalo auf der Insel Kos Foto (Ausschnitt): Giorgos Pittas

    Kafenio in Kefalo auf der Insel Kos

  • In Griechenland verbreitete sich die Kaffee-Kultur schnell. 1868 gab es in Thessaloniki 348 Kaffeehäuser. Foto (Ausschnitt): Giorgos Pittas

    In Griechenland verbreitete sich die Kaffee-Kultur schnell. 1868 gab es in Thessaloniki 348 Kaffeehäuser.

  • Eine Schachpartie vor einem türkischen Kaffeehaus und Barbierladen, 1845. Foto (Ausschnitt): Martinus Rorbye © The Picture Art Collection/Alamy Stock Photo

    Eine Schachpartie vor einem türkischen Kaffeehaus und Barbierladen, 1845.

  • Kafenio, Weinhandlung und Postbüro auf der Kykladen-Insel Iraklia. Foto (Ausschnitt): Giorgos Pittas

    Kafenio, Weinhandlung und Postbüro auf der Kykladen-Insel Iraklia.

Die Kaffeehäuser hatten in den meisten Städten Europas dieselbe Funktion: Sie waren ein Ort der Kommunikation, des Meinungs- und Nachrichtenaustauschs, eine Stätte der Feste, Unterhaltung und Entspannung, Feld politischer Auseinandersetzung, ein Ort, wo sich Menschen verschiedener sozialer Klassen trafen – so wie auch bei der Wiener Kaffeehauskultur, die seit 2011 sogar zum immateriellen Kulturerbe der UNESCO zählt. Ein Kaffee und viel Zeit: Wer in Wien etwas zu trinken bestellte, konnte für Stunden an seinem Tisch sitzen, lesen oder schreiben. Viele bekannte Schriftsteller wie Arthur Schnitzler und Stefan Zweig waren große Verfechter dieser Kultur.
 
Doch die Kaffeehäuser veränderten sich mit der Zeit und den Bedürfnissen ihrer Besucher. Sie widmeten sich neuen Aufgaben – so wie in Griechenland. Das griechische Kafenio prägte als sozialer Treffpunkt die griechische Gesellschaft jahrzehntelang auf vielfältige Art und Weise und vereinte in sich zahlreiche Funktionen.

Kaffee und ein neuer Haarschnitt

In seinen zumeist engen und bescheidenen Räumen verbindet es in schwer zugänglichen Bergdörfern und auf den Inseln, wo die Transporte schwierig und das Straßennetz nur unvollkommen ausgebaut waren,  verschiedenste Tätigkeiten mit wichtigen Dienstleistungen. Außer Kaffeehaus war das Kafenio auch Garküche – wo den Gästen angeboten wurde, was immer die Frau des Besitzers für die Familie kochte – sowie Kurzwarenladen, Gemüsehändler, Postbüro und häufig auch Friseurstube.
 
„Viele Kafeneia sind gleichzeitig auch Friseurläden“, schreibt Demetrios Skarlatos Byzantios (1798-1878). Der bedeutende griechische Gelehrte des 19. Jahrhundert berichtet im dritten Band seines Werkes Konstantinopel, dass in dieser Stadt das „Café und Friseur“ ein weit verbreitetes Bild war, sich von dort im ganzen Hoheitsgebiet des Osmanischen Reiches ausbreitete und sich, von einer Generation zur nächsten übergehend, einige Jahrzehnte lang hielt. Dies alles ist heute verblichen oder scheint zumindest weit entfernt. Oft ist es sehr schwierig, auch nur Spuren zu finden – es sei denn, man forscht in alten Alben oder Bildbänden. Nur wenige dieser vielseitigen, griechischen Kafenia haben überlebt. Die meisten gibt es nur noch in den Büchern. Und in der Erinnerung derer, die sie erlebt haben.
Gesellschaft und Zusammenleben

Ein Beitrag aus Griechenland

mit Bezug zu Österreich,
Türkei

 

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