Podiumsdiskussion Provenienzforschung zur Kolonialen und Nationalsozialistischen Herrschaft

© Provenance Research Exchange Program (PREP) © PREP

Sa, 26.10.2019

10:30 Uhr

German Historical Institute Washington, DC

Provenance Research Exchange Program (PREP)

Provenienzforscher*innen stehen vor der Herausforderung, die komplizierte und oftmals jahrhundertealte Geschichte von Kunst und Kultur zu enthüllen. Öffentliche Aufmerksamkeit erlangte dieses Forschungsfeld dank der umfangreichen Berichterstattung über Objekte und insbesondere Gemälde, die während des Nationalsozialismus geraubt wurden. Aber die Provenienzforscher*innen befasst sich auch mit archäologischen Funden, menschlichen Überresten und ethnologischen Sammlungen auf der ganzen Welt. So gibt es immer mehr Stimmen in Deutschland und Frankreich, die sich kritisch mit der unbequemen Geschichte der kolonialen Herrschaft beschäftigen. Dabei steht der Umgang mit Museen besonders im Vordergrund. Die Entstehung des Humboldt Forums in Berlin hat erneut die Aufgabe und Verantwortung von Museen und kulturellen Gemeinschaften hervorgehoben, angemessene Lösungen für das Fehlverhalten in der Vergangenheit zu finden. Provenienzforschung ist deshalb ein wichtiger Schritt in diesem Prozess, an dessen Ende Entschädigungen an Einzelne, Gemeinschaften oder ganze Länder entrichtet werden.

Was können Expert*innen für Raubkunst im Nationalsozialismus und während der Kolonialzeit voneinander lernen? Inwiefern überschneiden sich die Herangehensweisen und Herausforderungen für Museumsexpert*innen in diesen verschiedenen Themenfeldern? Welche neuen Erkenntnisse können wir durch das Studieren der Provenienz verschiedener Gegenstände gewinnen? Wie beeinflussen diese den wissenschaftlichen Diskurs, öffentliche Debatten und Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Nationalsozialismus und der Kolonialherrschaft?

Diese Panel-Diskussion vereint bedeutende Historiker*innen, Archäolog*innen, Ethnolog*innen und Museumsexpert*innen, die gemeinsam ihre Perspektiven auf die herausfordernden historischen, rechtlichen, ethischen, philosophischen und praktischen Überlegungen in Bezug auf gestohlene Kunst und Objekte aus den verschiedenen Zeiten diskutieren.

Auf die Panel-Diskussion folgt ein gemeinsamer Lunch im GHI.

Moderatorin: Irene Bald Romano (University of Arizona; 2018 PREP-Teilnehmerin)

Teilnehmende:
Raphael Gross (Deutsches Historisches Museum, Berlin), H. Glenn Penny (University of Iowa), Hilke Thode-Arora (Museum der Fünf Kontinente, Munich; 2018 PREP Gastsprecherin), Mirjam Brusius (German Historical Institute London), Christine Kreamer (National Museum of African Art, Smithsonian Institution)
Zur Reservierung Diese Panel-Diskussion wurde organisiert in Verbindung mit dem 6. German/American Provenance Research Exchange Program (PREP), das Museumsexpert*innen mit dem Schwerpunkt auf den Zweiten Weltkrieg von beiden Seiten des Atlantiks vereint.

Eine Kooperation zwischen dem GHI Washington, Smithsonian Institution und dem Goethe-Institut Washington, DC.

Irene Bald Romano (Moderatorin)
Die Archäologin Irene Bald Romano ist Professorin der Kunstgeschichte an der School of Art und außerdem Professorin der Anthropologie an der University of Arizona. Zudem hat sie eine zusätzliche Berufung im Department of Religious Studies and Classics und ist die Kuratorin der mediterranen Archäologie im Arizona State Museum an der University of Arizona. Von 2012 bis 2015 gab sie als stellvertretende Direktorin des Arizona State Museums Kurse zu Kunstraub, kulturellem Erbe, Museumsstudien, antiker Kunst und Archäologie des mediterranen Raumes.

Dr. Romano promovierte in Klassischer Archäologie an der University of Pennsylvania. Sie hat mehr als 30 Jahre Lehr- und Museumserfahrung. Sie wechselte an die University of Arizona im Jahr 2012, nachdem sie zuvor für sechs Jahre stellvertretende Direktorin der American School of Classic Studies in Athen war.

Sie ist Co-Autorin von insgesamt sieben Büchern und diversen Artikeln über antike mediterrane Kunst, griechische und romanische Skulpturen und ähnliche Forschungsgebiete. Forschungserfahrung sammelte sie bei archäologischen Grabungen in Griechenland, Spanien, Italien und der Türkei. Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf geraubte Kunst im Nationalsozialismus in Zusammenarbeit mit dem German-American Provenance Research Exchange Program (PREP).

Mirjam Brusius ist Historikerin mit einem starken Interesse an materieller und visueller Kultur, der Geschichte der Fotografie, Museen, Sammlungen, Archäologie und des kulturellen Erbes. Im Hinblick auf den interkulturellen Transfer von Objekten und Bildern zwischen Europa und dem Nahen Osten beschäftigen sich ihre aktuellen Forschungsprojekte mit zwei miteinander verknüpften Themen: Zunächst untersucht sie, wie Artefakte aus der islamischen Welt in Museen der "westlichen Welt" vereinnahmt wurden. Das zweite Projekt befasst sich mit der Anwendung der Fotografie in der islamischen Welt. Mirjam nimmt als Diskussionsleiterin, Kommentatorin und Hauptrednerin an öffentlichen Debatten über das koloniale Erbe und Sammlungen teil. Sie hat einen MA in Kunstgeschichte, Kulturwissenschaften und Musikwissenschaft (Humboldt-Universität zu Berlin 2007) und eine Promotion in Geschichte und Wissenschaftsphilosophie (University of Cambridge 2011). Derzeit ist sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin am German Historical Institute London (GHIL) tätig, dem sie 2017 beitrat, nachdem sie Stipendien an der University of Oxford, der Harvard University, dem Kunsthistorischen Institut in Florenz und dem Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte erhalten hat. Twitter @Misabru

Raphael Gross ist seit April 2017 Präsident der Stiftung Deutsches Historisches Museum. Zuvor war er von 2015 bis 2017 Direktor des Simon-Dubnow-Instituts für jüdische Geschichte und Kultur und Inhaber des Lehrstuhls für Jüdische Geschichte und Kultur an der Universität Leipzig. Raphael Gross war zudem u.a. Direktor des Jüdischen Museums Frankfurt (2006-2015), Direktor des Leo Baeck Institute London (2001-2015) und Direktor des Fritz Bauer Instituts – Frankfurt am Main (2007-2015).

Raphael Gross studierte Allgemeine Geschichte, Philosophie und Literatur in Zürich, Berlin, Bielefeld und Cambridge (Trinity Hall). 1997 wurde er an der Universität Essen mit der Dissertation: Carl Schmitt und die Juden promoviert, die 2000 bei Suhrkamp publiziert und ins Englische, Französische und Japanische übersetzt wurde. Er arbeitet derzeit an einem Forschungsprojekt über den Jahrhundertjuristen Hans Kelsen und an der Kritischen Edition der Tagebücher von Anne Frank. 2013 erhielt Raphael Gross die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen für Verdienste um die demokratische Gesellschaft. Im selben Jahr durfte er den Ignatz-Bubis-Preis für Verständigung sowie die Buber-Rosenzweig-Medaille für das Fritz Bauer Institut entgegennehmen.

Er ist Mitglied der Beratenden Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter der Bundesrepublik Deutschland, insbesondere aus jüdischem Besitz. 2018 organisierte er im Deutschen Historischen Museum Berlin, ein öffentliches internationales Symposium. Zur Diskussion stand die Rückgabe der Cape Cross Säule aus der Sammlung des Deutschen Historischen Museums.

H. Glenn Penny ist Professor für Neuere Europäische Geschichte an der University of Iowa. Er ist der Autor von Im Schatten Humboldts: Eine tragische Geschichte der deutschen Ethnologie (C. H. Beck, 2019), Kindred by Choice: Germans and American Indians since 1880 (UNC Press, 2013), und Objects of Culture:  Ethnology and Ethnographic Museums in Imperial Germany (UNC Press, 2002). Er ist auch Herausgeber (zusammen mit Matti Bunzl) des Worldly Provincialism: German Anthropology in the Age of Empire (University of Michigan Press, 2003), und (mit Laura Graham) Performing Indigeneity: Global Histories and Contemporary Experiences (Nebraska University Press, 2014). Derzeit fertigt er ein Buchmanuskript mit dem Titel: Unwinding German History, 1760er-1960er Jahre für Cambridge University Press.

Die Anthropologin Dr. Hilke Thode-Arora ist Kuratorin für Ozeanien und gleichzeitig Referentin für Provenienzforschung im Museum Fünf Kontinente in München. Ihre Spezialisierung liegt auf der materiellen Kultur und der Geschichte von Museumssammlungen, der pazifischen Kolonialgeschichte, den interethnischen Beziehungen und ethnischen Identitäten, Bildern und Stereotypen. Sie war Honorary Fellow an der University of Auckland (2002-2005) und Affiliated Researcher an der Victoria University in Wellington, Neuseeland (2011-2013). Nachdem sie in der Vergangenheit im Auftrag diverser deutscher Volkskundemuseen artefaktbezogene Forschungsprojekte durchgeführt hat, umfasste ihre Arbeit langfristige Feldarbeiten in Niue, Samoa und Neuseeland in enger Zusammenarbeit mit den Gemeinden Niuean und Samoan. Sie kuratierte die Ausstellung From Samoa with Love? Samoanische Reisende in Deutschland, 1895-1911. Retracing the Footsteps, die die Geschichte der samoanischen Sammlung in München kontextualisierten und auf einer intensiven Kommunikation mit samoanischen Nachkommen basierten. Sie ist Mitautorin des vom Deutschen Museumsbund 2018 und 2019 herausgegebenen Leitfadens zum Umgang mit Sammlungen aus kolonialen Kontexten.

Christine Mullen Keamer ist stellvertretende Direktorin und Chefkuratorin des National Museum of African Art, Smithsonian Institution, in dem sie seit dem Jahr 2000 arbeitet. Ihre Ausstellungen und Veröffentlichungen thematisieren Kunst und Rituale, afrikanischen Wissenssysteme und Museumsarbeit. Dadurch schlägt sie eine Brücke zwischen Kunstgeschichte, Anthropologie und Museumswissenschaften. Neben ihren Recherchen in Togo hat sie außerdem in Ghana und Vietnam an Ausstellungen und Trainingsprogrammen gearbeitet. Sie promovierte an der Indiana University. Ihre gegenwärtigen Ausstellungen und Co-Veröffentlichungen prägt der Dialog: African and African American Artwork in Dialogue (2014); African Cosmos: Stellar Arts (2012); Lines, Marks, and Drawings: Through the Lens of Roger Ballen (2013); Inscribing Meaning: Writing and Graphic Systems in African Art (2007) und African Vision: The Walt Disney-Tishman African Art Collection (2007). Sie war beteiligt an Visionary: Viewpoints on Africa’s Arts (seit 2017). Außerdem ist sie Autorin eines Essays über Kennerschaft (2014); erschienen im Sammelband Visions from the Forest: The Art of Liberia and Sierra Leone. Als Anerkennung ihrer herausragenden Leistungen im Bereich der Kunstgeschichte und Museumsarbeit erhielt Christine Mullen Kreamer 2018 von der Smithsonian Institution eine Auszeichnung. 

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