Blogeintrag 1
Die ersten Gehversuche...
...waren nach einer schlaflosen Nacht im Flieger ganz schön wacklig. Aus dem chaotischen Mumbai ging es für mich ins wohlgeordnete Quanzhou im Südwesten Chinas. Schon der Provinzflughafen von Jinjian (JJN) war picobello sauber. Die Fluggäste stellten sich zudem brav in eine Reihe und drängelten nicht etwa, sondern warteten geduldig, bis die Reisepässe kontrolliert wurden. Während der Fahrt ins Stadtzentrum konnte ich weitere Eindrücke sammeln: Nirgendwo ist Plastikmüll zu sehen. Das war zu erwarten. Aber der Lärmpegel ist viel niedriger als erwartet und die Luft gar nicht so versmogt. Ich kann sogar den Himmel sehen. Bin ich hier wirklich in China gelandet? Die vielen Hochhäuser, die Omnipräsenz von Han-Schriftzeichen, die fast jede Fassade säumen, und die knallige Lichtreklame lassen aber keine Zweifel aufkommen. Genau so habe ich mir China vorgestellt.
Seide aus Zaytun
Für unsere favorisierten Einsatzorte konnten wir Präferenzen angeben. Von den fünfzehn Städten, in denen jeweils mindestens zwei Millionen Menschen wohnen, kannte ich tatsächlich nur drei. Nach einer ersten Recherche fiel mir die Entscheidung aber gar nicht so schwer: Quanzhou, das frei transliteriert [tchüändjo] ausgesprochen wird, sollte es sein. Warum? Einerseits spricht mich die geografische Lage an. Denn die 8-Mio.-Metropole Quanzhou liegt direkt am Meer und nur einen Katzensprung von Taiwan entfernt. Das Klima ist so angenehm, dass sich ganzjährig kurze Hosen tragen lassen. Quanzhou befindet sich in der Provinz Fujian, die in etwa ein Drittel der Fläche Deutschlands ausfüllt und neben ihrer ausgedehnten Küstenlinie auch über üppige Berg- und Waldlandschaften verfügt. Ich hoffte, dort Segel- und Kletterkontakte zu knüpfen, um an den Wochenenden Chinas Natur abseits der Menschenmassen kennenzulernen. Das war aber nur die eine Seite der Medaille. Quanzhou hat nämlich andererseits eine lange und bedeutende Geschichte zu erzählen, von der ich bis dato kaum etwas wusste.
Die Pagoden in Quanzhou sind imposant und verleihen dem modernen Flair der Millionenstadt ein gewisses Traditionsbewusstsein - um der Großstadthektik zu entkommen, lässt es sich hier auch ganz gut entspannen
| © Björn Karlsson
Als Deutsch- bzw. DaF- und Geschichtslehrer komme ich hier also mit Sicherheit auf meine Kosten: Im DaF-Unterricht kann ich chinesischen Schülern u.a. die deutsche Sprache näherbringen und zwischen der chinesischen und deutsch-europäischen Kultur Brücken bauen, um voneinander zu lernen. Außerhalb des Unterrichts kann ich mich dagegen auf die Spuren von Marco Polo und Ibn Battuta begeben. Letzterer nannte die Stadt übrigens nicht Quanzhou, sondern Zaytun. Im 13. Jahrhundert war Zaytun der Ausgangspunkt der maritimen Seidenstraße und entwickelte sich infolgedessen, so Battuta, zum größten Hafen der Welt. Sogar schaffte es Quanzhou über die französische in die deutsche Sprache: Seide aus Zaytun war von solch außergewöhnlicher Qualität, dass sie fortan Satin genannt wurde.