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Johannes Ebert im Februar 2015
Die Sprache ist immer Trägerin der Kultur

Interview mit Johannes Ebert in der Zeitschrift „bild der wissenschaft“ über die Bedeutung von Deutsch als Wissenschaftssprache.

Wenn ein ausländischer Naturwissenschaftler an eine deutsche Forschungseinrichtung wechselt, kommt er in der Regel ohne Deutschkenntnisse aus. Naturwissenschaftler verständigen sich in den Instituten seit Längerem auf Englisch. Auch in vielen größeren Unternehmen ist Englisch die Firmensprache. So weit, so gut, Herr Ebert?

Das trifft sicher zu. Wenn ein Ausländer zu einem deutschen Institut etwa für Rechts- oder Geisteswissenschaften wechselt, sind gute Deutschkenntnisse nach wie vor dringend erforderlich. Aber auch bei Naturwissenschaftlern sind gute Deutschkenntnisse hilfreich. Kann er nur Englisch, ist er gewissermaßen ans Labor gefesselt. Wer Deutschland wirklich erleben will, braucht die nötige Sprachfähigkeit, um sich unsere Kultur und Gesellschaft zu erschließen.

Der Präsident der TU München, Wolfgang A. Herrmann, will alle Lehrveranstaltungen der Masterstudiengänge bis 2020 auf Englisch umstellen. Gefällt Ihnen das?

Das Goethe-Institut vertritt die Auffassung, dass Menschen, die in Deutschland studieren, damit auch die Fähigkeit erlangen sollten, hierzulande arbeiten zu können. Das geht nur mit sehr guten Deutschkenntnissen. Wer als Ingenieur auf dem Bau oder im Werk arbeitet, muss sich verständigen können. Und die Wissenschaft muss auch von der großen Öffentlichkeit verstanden werden. Für die Akzeptanz der Wissenschaft wäre es verheerend, wenn sie sich in einer anderen Sprache weiterentwickelt als in jener, in der sich der Großteil der Bevölkerung unterhält. Wenn sich Wissenschaftler nicht verständlich machen können, schadet das den Wissenschaften. Interessant in diesem Zusammenhang ist das Statement des Autobauers Porsche: „Ingenieure haben die besten Einfälle, wenn sie sich bei deren Artikulation der Muttersprache bedienen.“ Sie sehen, wir beurteilen den Vorschlag der TU kritisch, weil er die Verankerung der Wissenschaften in der Gesellschaft gefährdet.

Gegen eine mehrsprachige Universitätsausbildung hätten Sie demnach nichts einzuwenden?

Meines Wissens werden an der TU München 60 Prozent der Studiengänge in Deutsch und Englisch unterrichtet. Gegen ein solches mehrsprachiges Konzept spricht überhaupt nichts. Im Gegenteil: Mehrsprachigkeit gehört heute zum Bildungskanon.

Seit fast zehn Jahren gibt es den Klaus Tschira Preis für verständliche Wissenschaft. Wer sich dafür bewirbt, muss seine Doktorarbeit kurz und knapp in verständlichem Deutsch vorstellen. Das würde künftigen Wissenschaftlern wohl kaum noch gelingen, wenn sie nach dem Bachelorexamen nur noch auf Englisch kommunizieren.

Wir sehen die Tendenz, dass es für wissenschaftliche Sachverhalte keine deutschen Begriffe gibt. Wenn Wissenschaftler nicht mehr auf Deutsch erklären können, an was sie etwa in der Krebs- oder Energieforschung arbeiten, ist das ein Problem in unserer Gesellschaft.

Die Globalisierung führt dazu, dass immer mehr Sprachen aussterben. Gilt das eines Tages auch für Deutsch, weil in Europa nur noch auf Englisch kommuniziert wird?

Das glaube ich nicht. Deutsch ist die meistgesprochene Muttersprache Europas und entwickelt sich lebendig weiter. Außerdem ist die Sprache immer auch Trägerin einer Kultur. Es geht also nicht um einzelne Wörter, sondern um die dahinter liegenden Denkkonzepte. Das Goethe-Institut unterstützt die Mehrsprachigkeit als politische Leitlinie der Europäischen Union. Das bedeutet, neben der Muttersprache zwei Fremdsprachen zu lernen.

Wie beurteilt der Generalsekretär des Goethe-Instituts die Aussage, Deutsch sei eine schwierig zu erlernende Sprache.

Deutsch zu lernen, ist schon anspruchsvoll. Doch wer die Sprache mit modernen Unterrichtsmethoden erlernt, vielleicht mit dem Ziel vor Augen, in Deutschland arbeiten zu wollen, für den ist es nur noch halb so schwierig, weil ja der Wille bekanntlich den Weg bahnt. Aktuelle Entwicklungen kommen uns da zupass: Weltweit übt die Hauptstadt Berlin auf junge Menschen inzwischen eine riesige Anziehungskraft aus. Und nach dem Gewinn der Fußballweltmeisterschaft haben unsere Goethe-Institute ein verstärktes Interesse an Deutschland und der deutschen Sprache realisiert. Faktoren wie diese fördern das Interesse an einer Sprache.

Junge Franzosen lernen in der Schule als zweite Fremdsprache nach Englisch eher Spanisch als Deutsch. Sehen Sie eine Chance, dass sich dieser Trend umkehrt?

In Frankreich haben wir immer noch eine halbe Million Menschen, die aktuell Deutsch lernen, was ich sehr beachtlich finde. Sicher gibt es einige Länder, in denen der Deutschunterricht zurückgeht. Doch weltweit betrachtet steht es um das Erlernen der deutschen Sprache nicht schlecht. Einmal gibt es 90 Millionen Muttersprachler. Und weltweit sieht es so aus, dass nach einem abnehmenden Trend um die Jahrtausendwende jetzt wieder vermehrt Deutsch erlernt wird.

Können Sie das spezifizieren?

In Russland hat die Zahl derer, die Deutsch lernen, abgenommen. In der Sowjetunion lag sie am Schluss bei fast vier Millionen. Jetzt ist man bei etwa der Hälfte angekommen. Das hat sicher viel mit der Zunahme des Englischen zu tun, das zu Zeiten der Sowjetunion nicht so sehr im Vordergrund stand. Auf der anderen Seite haben wir Länder wie China und Indien, wo ein großes Interesse an Fremdsprachen – und damit auch an Deutsch – entstanden ist. In Indien ist die Zahl der Deutschlerner von 18.550 im Jahr 2010 auf 100.000 gestiegen. Auch in Südeuropa verzeichnen wir bei unseren Kursen Zuwachs. Wir beurteilen die Gesamtsituation eher positiv. Dabei spielt natürlich Deutschlands Attraktivität als wirtschaftsstarkes Land eine Rolle und auch Deutschland als angesehener Studienstandort.

Wie würden Sie das Goethe-Institut kurz und bündig charakterisieren?

Wir unterhalten 160 Institute in 90 Ländern und haben weltweit etwa 3000 Mitarbeiter. Unsere wesentliche Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Deutschland mit der Welt in den Dialog tritt. Dabei ist uns wichtig, dass wir nicht nur Deutsch unterrichten und deutsche Kultur vermitteln, sondern in den nationalen Bildungssystemen den Deutschunterricht durch Stipendien, Lehrerfortbildung und Ähnliches stärken. Das Goethe-Institut ist ein eingetragener Verein, der durch einen Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt verbunden ist. Ähnlich wie das Goethe-Institut für Deutschland arbeiten der British Council für das Vereinigte Königreich oder das Institut français für Frankreich. Das größte Netzwerk zur Sprach- und Kulturvermittlung übrigens ist innerhalb von nur zehn Jahren entstanden: die Konfuzius-Institute der Volksrepublik China, inzwischen 450 an der Zahl. Das zeigt, dass die aufstrebenden Länder begriffen haben, wie wichtig solche kulturvermittelnden Institutionen sind.

Das Gespräch führte Wolfgang Hess.
 
Erschienen in bild der wissenschaft 2_2015
 

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