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Johannes Ebert am 15. Juni 2015
Deutsch in der EU

Rede von Johannes Ebert anlässlich der Veranstaltung „Die Rolle von Deutsch als Arbeits- und Verhandlungssprache in den Institutionen der EU – Chancen, Ziele, Perspektiven“

Sehr geehrte Damen und Herren,

eine der wichtigsten Aufgaben des Goethe-Instituts ist die Förderung der deutschen Sprache im Ausland. An unseren Instituten lernten im vergangenen Jahr weltweit ca. 229 000 Menschen Deutsch, Tendenz seit mehreren Jahren steigend.
 
Im April dieses Jahres haben wir gemeinsam mit dem Auswärtigen Amt, dem DAAD, der ZfA die neuen Zahlen der weltweiten Deutschlernererhebung veröffentlicht: ca. 15 Millionen Menschen lernen derzeit weltweit unsere Sprache, und die meisten tun dies in Europa. Am meisten wird nach wie vor in den Schulen Deutsch gelernt – von  ca. 13 Millionen Schülerinnen und Schülern. In 60% der Länder, in denen die Daten erhoben wurden, sind die Zahlen der Deutschlerner und Deutschlernerinnen in den letzten 5 Jahren gestiegen.
 
Eine sehr positive Bilanz – heißt das doch, dass der Rückgang, den wir seit dem Jahr 2000 beobachten konnten, gestoppt ist. Deutsch wird in der Regel als 2. Fremdsprache gelernt und die Gründe, weshalb es gewählt wird, sind recht pragmatisch. Bessere Chancen für die berufliche Karriere, die Attraktivität des Studien– und Wirtschaftsstandorts Deutschlands.
 
Aber nicht nur in den Schulen wird Deutsch gelernt. Hier im Publikum sind heute Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Sprachkursen des Europanetzwerks Deutsch. Mit diesem Stipendienprogramm setzt sich die Bundesregierung im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik für die Förderung eines mehrsprachigen Europas ein, in dem auch die deutsche Sprache aktiv für die Kommunikation in und mit Europa genutzt wird.
 
Damit sind Angehörige von wenigstens achtzehn verschiedenen Nationalitäten im Saal und Sie alle haben sich irgendwann entschieden Deutsch zu lernen. Vielleicht gibt es heute Abend noch Gelegenheit, über Ihre Motivation Deutsch zu lernen zu sprechen und auch über die Frage, wie häufig Sie es denn in Ihrem Berufsalltag in den Institutionen der EU sprechen?
 
Ich habe erst letzte Woche auf einer internen Arbeitstagung meiner Kollegen aus Brüssel ein Video vom diesjährigen WDR Forum in Brüssel gesehen, in dem Teilnehmer des Europanetzwerkes Deutsch zu Wort kamen. Interessant waren besonders zwei Aspekte, die angesprochen wurden: je mehr Kollegen und Kolleginnen aktiv durch das Europannetzwerk Deutsch miteinander in Verbindung  sind – umso mehr wird auch Deutsch gesprochen. Und: Deutschland spielt in der EU eine wichtige Rolle – Deutsch zu verstehen und zu sprechen heißt auch Deutschland zu verstehen.
 
Ich komme auf diese Aspekte nochmals zurück, denn Sie sind auch für unsere heutige Diskussion wichtig. Auf dem Podium soll es heute um die Fragen gehen: Wie steht es um die deutsche Sprache in den Institutionen der EU? Was sollte man künftig für die Förderung von Deutsch in den Institutionen der EU tun? Welche Erfahrungen wurden gemacht- Was war erfolgreich, was kann man ggfs. verbessern?
 
Wir knüpfen mit dieser Diskussion an die Veranstaltungsreihe „Deutsch 3.0“ vom vergangenen Jahr an – eine Initiative des Goethe-Instituts in Zusammenarbeit mit dem Institut für deutsche Sprache Mannheim, dem Duden und dem Stifterverband der deutschen Wissenschaft.
 
Wir haben uns und die deutsche Öffentlichkeit gefragt, welche Rolle dem Deutschen als Sprache zukommt und zukommen soll. In 40 Veranstaltungen, organisiert von 60 verschiedenen Organisationen standen die Themenkreise Deutsch in der Wissenschaft, Deutsch in der Wirtschaft, Deutsch und Mehrsprachigkeit und Deutsch und digitale Medien im Fokus leidenschaftlicher Diskussionen und Debatten.
 
Als Schirmherr für die Initiative konnten wir Bundestagspräsident Norbert Lammert gewinnen. Er unterstrich in seinem Grußwort, dass es nicht Politik sei, welche primär für die Sprache zuständig sei, sondern der Einzelne müsse sich seiner Verantwortung für seine Sprache vergegenwärtigen.
 
Dies griff dann auch Heinrich Detering, der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in seiner Eröffnungsrede auf: Die deutsche Sprache als Sprachsystem sei höchst lebendig und im besten Zustand, Sorgen müsse man sich um den  Gebrauch machen. Wenn sich z.B. Germanisten auf Germanistenkongressen verpflichten lassen, Englisch zu sprechen und Goethe nur auf Englisch zu zitieren.
 
Als ich in den 90er Jahren Institutsleiter am Goethe-Institut Kiew war, habe ich erlebt, wie ein hochrangiger Vertreter einer deutschen Bildungsinstitution das Publikum nahezu automatisch auf Englisch adressiert hat. Das waren Forscher aus der Ukraine, Belarus und Russland, die meist auch Deutsch sprachen. Sie reagierten mit Unverständnis auf die Situation.
 
Es war denn auch nicht verwunderlich, dass im Laufe der Veranstaltungsreihe Deutsch 3.0 das Thema Deutsch in den Wissenschaften am heftigsten diskutiert wurde und Handlungsbedarf insbesondere im Bereich der wissenschaftlichen Lehre gesehen wurde. Auch dem Thema Mehrsprachigkeit wurde viel Aufmerksamkeit zuteil.
 
Damit sind zwei Dinge angerissen, die auch für die Rolle von Deutsch in den Institutionen der EU bedeutsam sein dürften:
Schadet die fast sprichwörtliche deutsche Zurückhaltung beim Gebrauch der deutschen Sprache in internationalen Kontexten – das widerstandslose Umschalten auf die Sprache der Anderen oder aufs Englische, der Motivation Deutsch als Fremdsprache zu sprechen und damit auch der Stellung der deutschen Sprache in der Welt? Sind die Deutschen also selbst schuld, wenn in den Institutionen wenig von der Amtssprache Deutsch Gebrauch gemacht wird? Andrerseits ist die deutsche Zurückhaltung jedoch stets auch im Lichte der furchtbaren deutschen Geschichte zu bewerten und wenn Deutschland heute wieder ein anerkanntes Mitglied der Völkergemeinschaft ist, dann hat dies auch mit Augenmaß und Sensibilität bisheriger Politik in dieser Frage zu tun.
 
Hier – denke ich, können aber die Netzwerke eine Rolle spielen, von denen zu Beginn im genannten Video die Rede war: wenn es gelingt, ein Netzwerk zu schaffen, in dem Deutsch selbstverständlich gebraucht wird, gibt es auch immer weniger Anlass, ins Englische auszuweichen. Weder für die Deutschen noch für die, die Deutsch als Fremdsprache gelernt haben. Damit kann die Rolle von Deutsch als Arbeitssprache in allen Institutionen der EU  gestärkt werden.
 
Anderseits gibt es natürlich auch viele Stimmen, die sagen; aus Effizienzgründen sollte man eine einzige Sprache in den EU-Institutionen wählen: Englisch. Englisch hat gegenüber den anderen Sprachen den praktischen Vorteil, dass es in den meisten Regionen und Ländern schon von mehr Sprechern beherrscht wird als Deutsch oder Französisch. Aber Sprachen sind gerade nicht nur effiziente Kommunikationsmittel, sie sind stets auch Kultur- und Identitätsträger.
 
Und das Lernen einer Fremdsprache heißt immer auch Eintauchen in eine andere Kultur. Das gilt nun aber natürlich nicht nur für Deutsch, sondern eben für alle Sprachen und wir sind beim Thema Mehrsprachigkeit.
 
Die EU ist sich des Problems ja bewusst, dass ein vereintes Europa nur ein vereintes Europa der Bürger werden kann, wenn sich die Bürger auch transnational verständigen können. Deswegen fördert sie die Mehrsprachigkeit ihrer Bürger, deshalb gibt es die Forderung, dass jeder Bürger zwei Fremdsprachen sprechen kann. Dabei werden alle Sprachen Europas gleich behandelt und gleich gefördert. Studien bestätigen diesen Ansatz und zeigen, dass sich diejenigen, die mehrere Sprachen sprechen, auch in einem stärkeren Maße mit Europa verbunden fühlen.
 
Für den europäischen Binnenmarkt und die damit verbundene Mobilität auf dem Arbeitsmarkt nehmen Sprachen eine immer größere Rolle ein: wahlweise werden fehlende Sprachkenntnisse als Hürde beschrieben oder positiv formuliert werden Sprachkenntnisse zu Brücken.
 
Stichworte wie Globalisierung, Migration, Integration verweisen auf veränderte gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Zu den Landessprachen gesellen sich neben den Nachbarschaftssprachen und den Fremdsprachen längst auch die Herkunftssprachen der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund. Mehrsprachigkeit ist Voraussetzung – und dies gilt dann nicht nur für Deutschland, sondern für Europa – für gelebten kulturellen Austausch und liefert damit einen entscheidenden Mehrwert für Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft.
 
Und hier schließt sich der Kreis wieder, gilt dieses doch auch für den inneren Zirkel der Institutionen der EU.
Die EU unterhält aus gutem Grund eigene Sprachendienste mit Dolmetschern und Übersetzern. Nur eine Zahl: Rund 4.300 Übersetzer und Übersetzerinnen arbeiten in den EU-Institutionen. Die Generaldirektion Dolmetschen der EU-Kommission ist der größte Dolmetschdienst der Welt – wir werden heute Abend sicher noch mehr darüber von Frau Tarragona-Sáez erfahren.
 
Fakt ist, dass der operative Aufwand enorm hoch ist, den sich Europa in der Sprachenfrage leistet. Das ist auch gut so.
 
Ich bin der Überzeugung, dass wir gemeinsam kluge Modelle entwickeln sollten und können, wie wir unseren Sprachenreichtum für alle gewinnbringend einsetzen können – ohne Englisch als lingua franca zu verdammen.
 
„Sprachen sind für Europäer, die zusammenarbeiten wollen, von entscheidender Bedeutung. Sie sind das Herzstück dessen, was die Europäische Union mit ‚Einheit in Vielfalt‘ meint“, lautet die Einschätzung des ehemaligen EU-Kommissars für Mehrsprachigkeit, Leonard Orban.
 
Aber lassen wir die Podiumsteilnehmer nun selbst zu Wort kommen, und berichten wie sie die Dinge sehen und welche Empfehlungen sie uns mitgeben können, für die Förderung von Deutsch.
 
Gehalten am 15. Juni 2015 in Berlin.
 

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