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Johannes Ebert am 25. September 2015
25 Jahre Goethe-Institut Warschau

Rede von Johannes Ebert anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Goethe-Instituts Warschau

Sehr geehrter Herr Botschafter,

liebe Gäste,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

im Oktober 1997, also vor 18 Jahren, habe ich meine erste Stelle als Leiter des Goethe-Instituts Kiew angetreten. Im September machte ich mich mit dem Auto von München auf den Weg. An der polnischen Grenze hatte ich Formulare auszufüllen, diskutierte mit Zöllnern und wurde dann nach knapp zwei Stunden durchgewunken. Es war ziemlich aufwendig. Ich besuchte Warschau, wo das Institut damals noch in dem pompösen Kulturpalast untergebracht war, und war sehr beeindruckt. Den Beitritt Polens zur EU habe ich bei einer sehr schönen Feier im Garten des polnischen Botschafters in Kairo erlebt. 2012 kam ich nach 15 Jahren wieder von München nach Warschau. Das Flugzeug landete, es gab keine Kontrollen, wir gingen einfach durch. Das mag heute banal erscheinen, aber, zurückdenkend an meine erste Reise 1997, haben wir gemeinsam sehr viel erreicht. Wir haben trotz aller Schwierigkeiten und Herausforderungen, trotz Krisen und Kompromissen, das gemeinsame Europa ein großes Stück vorangebracht. Auch deshalb macht es mich besonders froh, heute hier in Warschau gemeinsam mit Ihnen das 25 jährige Jubiläum des Goethe-Instituts in der polnischen Hauptstadt zu feiern.

Vor kurzem landeten zwei dicke Ordner aus Warschau auf meinem Schreibtisch. Es war der Abschlussbericht des von der EU geförderten Tanz-Projekts IDENTITY.MOVE!, das zweieinhalb Jahre zuvor vom Goethe-Institut initiiert worden war und das mit der Hilfe des Kulturzentrum der Stadt Lublin und des Adam-Mickiewicz-Instituts im „Eastern Belt“ der Union durchgeführt wurde. „Eastern Belt“, das sind 14 Länder zwischen Lettland und Griechenland, Deutschland miteingeschlossen. Gerade solche Projekte machen deutlich, dass weit über die Wirtschaft hinaus, Europa ein Kulturraum ist, ein Raum gemeinsamer Werte, ein Raum gemeinsamer Debatten und Diskurse.

Heute feiern wir einen 25. Geburtstag auf einer Baustelle. Das ist vielleicht etwas ungewohnt, passt aber – bei genauerem Nachdenken – gut zum Goethe-Institut, zu unserem Selbstverständnis, unserer Arbeitsweise und vielleicht auch sehr gut in die aktuelle Zeit. Die Arbeit des Goethe-Instituts in Europa, gemeinsam mit unseren polnischen Partnern (aber auch den Franzosen, Griechen, Ungarn, etc.) Projekte durchzuführen, die ein Europa gemeinsamer und geteilter Werte fördern und Europa – mit den Möglichkeiten und Ausdrucksformen von Kunst, Kultur und Bildung – zu gestalten, ist heute wichtiger den je. Europa steht vor großen Herausforderungen. Flüchtlinge aus den syrischen und irakischen Kriegsgebieten suchen Schutz in unseren Ländern. Die Wirtschaftskrise ist noch nicht ausgestanden. Diese Herausforderungen können wir nur gemeinsam lösen. Wir sollten ihnen aktiv und offen begegnen und unsere kulturellen Ressourcen dazu nutzen: Kunst und Kultur entfalten eine ganz eigene Kraft und Herangehensweise, können Impulse in die Gesellschaften geben und Diskurse auf einer ganz anderen Ebene ermöglichen. Lassen Sie uns diesen Weg eines gemeinsamen europäischen Kulturraums weiter zusammen gehen.

Das Goethe-Institut begreift sich als lernende Institution. Vielleicht passt auch deshalb das Bild der „Baustelle“. Wir befinden wir uns in einem fortwährenden Veränderungsprozess, als Gesamtinstitution, aber auch jedes einzelne unserer 160 Institute auf allen Kontinenten. Wir begreifen dieses Jubiläum deshalb nicht nur als Anlass, das Erreichte zu feiern, sondern wollen den Blick in die Zukunft richten. Wo wir jetzt gerade sind, entsteht in den nächsten Monaten eine Bibliothek ganz neuen Typs, ein Ort der Begegnung, der Informationsvermittlung, des Austauschs. Hier treffen sich Menschen aus Deutschland, Polen und Europa, hier laufen in Zukunft auch die drei Arbeitsbereiche des Instituts zusammen. Hier wird die Sprache ihren Platz haben, hier werden Experten miteinander diskutieren, hier werden Künstler und Künstlerinnen Workshops abhalten, umgeben von Büchern, Zeitschriften,  digitalen Medien und Angeboten. Die Bibliothek wird vom frühen Morgen bis zum späten Abend geöffnet sein wird. Man kann sich allein mit einer Tasse Kaffee in die Tageszeitung vertiefen, sich mit dem Tablet in die Deutschlernercommunity „Deutsch für Dich“ einloggen, sich zu Arbeitsgruppen verabreden, eine Veranstaltung besuchen, oder sich bei der Onleihe anmelden, um sich vielleicht später einmal von zuhause aus Medien auszuleihen.

Reale und digitale Angebote werden sich auf fruchtbare Weise ergänzen und ineinander greifen.

So gibt es schon jetzt für das große neue Bildungsprojekt der Warschauer Kollegen „Deutsch hat Klasse“ einen Baukasten, mit den man spielerisch seinen Klassenraum gemeinsam neu gestalten kann. Aber es gibt auch ein Innenarchitektur-Programm auf der Webseite, mit dem man sich im Online-Verbund dem Thema widmen und dabei Deutsch lernen kann. Es gibt Workshops vor Ort, aber es gibt auch Online-Tutorien und Wettbewerbe im Netz.

Und wenn wir uns im nächsten Jahr dem Thema „Stadt und Garten“ zuwenden, werden wir die passenden Bücher ebenso hier in diesem Raum aufstellen wie wir in geeigneter Weise über das Netz von hier aus den Zugang zu Experten und Expertinnen schaffen, mit denen man sich austauschen kann. „Hybrides Lesen“ ist eines der vielen Stichworte, die dieses zukünftige Ineinandergreifen von virtueller und realer Erfahrung beschreiben.

Ein Vierteljahrhundert erfolgreicher Arbeit liegt hinter uns. Voller Erwartungen schreiten die Kollegen und Kolleginnen hier in Warschau voran in das zweite. Für beides sei ihnen herzlich gedankt, für die hervorragende Arbeit der letzten 25 Jahre ebenso wie für ihr Engagement, in den nächsten Jahren die Themen anzugehen, die für beide Länder Relevanz haben und uns als enge Nachbarn in Europa einander noch ein Stück näher bringen können. Danken darf ich an dieser Stelle all den polnischen Partnern, die hier heute Abend so zahlreich erschienen und dem Institut in vielfältiger Weise verbunden sind. Vielen Dank für Ihr Vertrauen und Ihre Zusammenarbeit. Ich freue mich darauf, Sie heute Abend hier auch persönlich kennenzulernen.

Ich wünsche uns nun allen eine schöne Feier, gute Begegnungen und weiterhin zahlreiche „Baustellen“, die wir gemeinsam gestalten können.

Vielen Dank!
 
Gehalten am 25. September 2015 in Warschau

 

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