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Johannes Ebert am 1. Juni 2016
Kultursymposium Weimar

Einführung von Johannes Ebert zur zentralen Vorlesung von Jeremy Rifkin „The Role of Sharing in the Third Industrial Revolution (and the Zero Marginal Cost Society)“ beim ersten Kultursymposium Weimar 2016

Sehr geehrter Herr Rifkin,

meine sehr geehrten Damen und Herren,

liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Freunde,

Jetzt geht`s los. Das erste Kultursymposium Weimar 2016 ist gestartet. Und ich möchte Sie nach der offiziellen Eröffnung heute Nachmittag zu der zentralen Vorlesung des ersten Tages „The Role of Sharing in the Third Industrial Revolution (and the Zero Marginal Cost Society)“ von Jeremy Rifkin, einem der bedeutendsten Gesellschaftstheoretiker unserer Zeit, begrüßen.

In der Vorbereitung auf das Kultursymposium Weimar in den letzten Tagen bin ich ganz zufällig in den Untiefen meiner Computer-Ablage auf ein Papier gestoßen. Es trägt den Titel „Kulturforum Weimar“ und ist datiert auf den 27. Juli 2013. Ich hatte damals – in der Überzeugung, dass die Debatte um große kulturelle Fragen global geführt werden muss und man dazu auch einen Rückzugsort zum Nachdenken abseits des Tagesgeschäfts braucht - die ersten Ideen zu unserem Kultursymposium zu Papier gebracht, – zu jener Zeit noch mit vielen Leerstellen und Fragezeichen versehen.

„Thematisierung globaler Fragen in Kultur und an der Schnittstelle von Kultur, Gesellschaft und Wirtschaft“, „Aufmerksamkeit für globale kulturelle Fragen wecken und Lösungen diskutieren“, „Aufmerksamkeit für Themen in den Medien und der Öffentlichkeit“ steht da. Zur Frage „Warum Weimar?“ heißt es in dem Papier „Mythos Weimar für Weltkultur“, „überschaubare Stadt mit großem Namen“, „interessante Partner und Kulturlandschaft“ – in diesem Zusammenhang gilt mein ausdrücklicher Dank allen Weimarer Programmpartnern, die uns hier unterstützt haben: der Klassik Stiftung Weimar, der Bauhaus-Universität Weimar, der Galerie Eigenheim, dem Lichthaus Kino, dem Deutschen Nationaltheater Staatskapelle Weimar, Weimar im Wandel und der Universität Erfurt.

Aber wir haben uns auch gefragt „Ist Weimar tatsächlich der richtige Ort? – Gedankenstrich: Anreise, Logistik. Wie bei allen großen Unternehmungen gab es auch Zweifel. In einer kleinen Arbeitsgruppe aus externen und internen Experten haben wir recherchiert, das Konzept entwickelt, einen Namen gefunden: Kultursymposium Weimar – und ein erstes Thema: Teilen und Tauschen. Wir haben ein Kuratorium aus wichtigen Persönlichkeiten gebildet und ein Projektteam eingesetzt, unter der Leitung von Andreas Ströhl, für die Vorbereitung des Kultursymposiums; einen Lenkungsausschuss mit Kollegen aus dem In- und Ausland und beiden Vorständen des Goethe-Instituts. Das Projekt Weimar war und ist uns wichtig. Es hat uns in den vergangenen drei Jahren intensiv und kontinuierlich beschäftigt.

Wir haben die Debatte um unser Thema in die Welt getragen: An zwölf runden Tischen im Ausland wurde – organisiert von den Goethe-Instituten vor Ort - über „Teilen und Tauschen“ diskutiert. Wir haben Weimar und Thüringen besucht, die Partner kontaktiert und das Interesse dort abgeklopft: Es war groß. Wir waren uns der Unterstützung unseres Präsidiums sicher und auch des Wirtschaftsbeirats des Goethe-Instituts, der vielleicht manchmal aus einem anderen Blickwinkel, aber ebenso an den globalen Fragen interessiert ist wie das Goethe-Institut. An dieser Stelle möchte ich nochmals unseren Unterstützern Merck, Siemens und Volkswagen danken. Ebenso bedanken möchte ich mich bei Roland Berger sowie unseren Medienpartnern 3sat, Deutschlandfunk, Brandeins und Le Monde Diplomatique.

Am Freitagabend werden wir wissen, ob unser Konzept aufgegangen ist. Ob wir neue Erkenntnisse gewonnen haben zum Thema, Teilen und Tauschen, ob sich kulturelle, politische und ökonomische Perspektiven gegenseitig bereichert haben, ob wir konkrete Ableitungen für unsere Arbeit gewinnen konnten, und ob Sie mit gestilltem Wissensdurst, neuen Kontakten und überwiegend zufrieden mit den Diskussionen nach Hause fahren werden. Wir werden wissen, ob unser Experiment „ERSTES KULTURSYMPOSIUM WEIMAR“ funktioniert hat. Wir brauchen dazu auch Ihre Beteiligung, Unterstützung und Offenheit.

Lange diskutiert haben wir unser Thema „Teilen und Tauschen“. Denn neben den vielen Veranstaltungen, die das Goethe-Institut auf der ganzen Welt veranstaltet zu aktuellen gesellschaftlichen Themen und kulturellen Debatten, war es uns wichtig ein Thema zu finden, das grundlegend ist für das Zusammenleben der Menschen, aus dem sich auch Erkenntnisse für viele aktuelle Themen und Herausforderungen ableiten lassen. Mit den Konferenzen zum Thema „Partizipation“ und „Dialog“ in den vergangenen drei Jahren in Berlin haben wir eine ähnliche Flughöhe angestrebt. Das Kultursymposium Weimar ist damit auch eine konsequente Weiterentwicklung dieses Ansatzes.

Wir haben das Thema vor zwei Jahren festgelegt und natürlich ist inzwischen viel passiert. Insbesondere die Frage der Flüchtlinge bestimmt seit einem guten Jahr unser gesellschaftliches Denken und Handeln. Das Goethe-Institut führt in den Nachbarländern Syriens und in Deutschland zahlreiche Maßnahmen durch, um Flüchtlingen eine Perspektive zu geben und die gesellschaftliche Teilhabe zu erleichtern; im Herbst planen wir mit einem „Goethe-Institut Damaskus im Exil“ in Berlin einen weiteren Fokus. Beim Kultursymposium Weimar kommt das Thema vor unter dem Brennglas der Thematik „Teilen und Tauschen“, als einer neben vielen anderen Aspekten, die auf unsere Gesellschaften einwirken. Ich nenne nur einige: Vertrauen, Sharing Economy, Allmende, Urheberrecht, Gastfreundschaft und so weiter.

Lieber Herr Rifkin: In Ihrem im Jahr 2000 erschienenen Buch „Access. Das Verschwinden des Eigentums“ schreiben Sie: „Vom Beginn der menschlichen Zivilisation bis heute ging das kulturelle Leben und Erleben den Märkten voraus. Menschen gründen Gemeinschaften, schaffen komplizierte Kodes sozialen Verhaltens, reproduzieren gemeinsame Bedeutungen und Werte und stellen – als „soziales Kapital“ – soziales Vertrauen her. Nur wenn dieses Vertrauen und der gesellschaftliche Austausch gut entwickelt sind, tätigen Gemeinschaften Handel. Bislang also war der Handel stets ein Derivat der kulturellen Sphäre und von ihr abhängig. Denn bislang war die Kultur die Quelle, aus der verbindliche Verhaltensnormen abgeleitet wurden.“ (S. 20) Auch wenn Sie dann ausführen, dass diese jahrtausendealte Balance heute in Gefahr ist, möchten wir doch für das Kultursymposium Weimar und das Thema „Teilen und Tauschen“ von dieser kulturellen Konnotation der Lebenswelten ausgehen.

Denn – auf unser Thema und das Thema Ihres heutigen Vortrags bezogen – ist die Wirtschaftsform des Kapitalismus nicht nur ein Ergebnis technischer Entwicklungen und politischer Verhältnisse, sondern auch Ausdruck eines kulturellen Selbstverständnisses, bei dem gesellschaftliche Konzepte wie Erwerbsarbeit, Privateigentum und Konsum eine Rolle spielen. Gegenwärtige wirtschaftliche Veränderungen und der „Trend zum Teilen“ können auch Ausdruck einer Neudefinition kultureller Werte sein.

Die Idee der Gemeingüter erfährt heute eine ungeahnte Renaissance. Triebkraft dieser Entwicklung ist eine kulturelle: Die Rückgewinnung einer geteilten gemeinschaftlichen Lebensform und die Neubestimmung wirtschaftlichen Wohlergehens. Das Goethe-Institut hat in den vergangenen Jahren zahlreiche internationale und deutsche Initiativen, die sich dieser These verschrieben haben in Projekten wie „WeTraders“, „Weltstadt. Wer macht die Stadt?“ oder „In-Transit“ vorgestellt und vernetzt. Auch in Weimar werden solche Ansätze ein Thema sein.

Der Austausch von Wissen und das Teilen von Informationen sind zentrale Herausforderungen des digitalen Zeitalters. Dies gilt nicht nur im Hinblick auf die Innovation und Produktion von Gütern, sondern auch für die soziale Praxis und den Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher kultureller Herkunft: Wie fördern wir Austausch und Dialog in einer Welt schrankenloser Kommunikation? Welche Möglichkeiten bieten digitale Medien für die Art, wie wir lernen und unser Wissen mit anderen teilen?

Spannend! Und vielleicht hatten wir genau diese Momente im Kopf, als wir vor drei Jahren mit der Idee des Kultursymposiums Weimar begannen: Die Vorrede ist beendet, die Ungeduld, die Spannung, die Begierde, Neues zu erfahren ist geweckt und ein wichtiger Gesellschaftskritiker und Intellektueller steht bereit, all das zu befriedigen und die zentralen Fragen zu diskutieren.

Damit: Vorhang auf für Jeremy Rifkin.

(es gilt das gesprochene Wort)

Gehalten am 1. Juni 2016 in Weimar.

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