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Johannes Ebert am 3. November 2016
Aktuelle Entwicklungen im internationalen Kulturaustausch

Impulsvortrag von Johannes Ebert anlässlich des KulturInvest-Kongresses

Sehr geehrte Damen und Herren,
lieber Herr Grandmontagne,

vielen Dank für die Einladung, heute zu Ihnen zu sprechen. Aktuelle Entwicklungen im internationalen Kulturaustausch, darüber soll es in meinem Vortrag gehen.

Etwa 3.500 km entfernt von hier liegt Damaskus. Sie wissen, was in Damaskus und in Syrien los ist. Es herrscht Krieg und Gewalt. In Damaskus gab es 50 Jahre lang ein Goethe-Institut. 2012 mussten wir entscheiden, dieses Goethe-Institut zu schließen. Es war ein Freiraum für Künstlerinnen und Künstler, ein Ort, wo man sich offen austauschen konnte. Ich selbst habe in den 80er Jahren ein Jahr in Syrien verbracht und dort auch das Goethe-Institut kennengelernt. Ich verbinde sehr viele Erinnerungen damit. Vier Kilometer von hier entfernt, in der Rosa-Luxemburg-Straße 16 in Mitte, gibt es im Moment das „Goethe-Institut Damaskus im Exil“, das wir für zwei Wochen geöffnet haben. Es befindet sich in einem leer stehenden Ladenlokal und ist ein so genanntes Pop-up-Institut, wo sich syrische Filmemacher und Künstlerinnen, Schriftstellerinnen und Verleger, Musiker und Kuratorinnen zu Ausstellungen, Konzerten, Lesungen, Workshops und einer Filmreihe treffen, wo diskutiert wird und wo syrische Künstler und Künstlerinnen, die im Exil leben, ihre Arbeit vorstellen können. Heute Abend diskutieren wir zum Beispiel, wie das Goethe-Institut mit der Situation in Syrien umgeht, beispielsweise durch Kultur- und Bildungsprogramme in den Nachbarländern. Die Aufmerksamkeit des Publikums und der Medien ist groß. Ich habe dieses Beispiel an den Anfang meines Vortrags gestellt, weil es sehr viele Aspekte verdeutlicht, denen wir uns im Moment im internationalen Kulturaustausch gegenüber sehen.

Sie alle kennen die unruhige Weltlage, die im Zusammenhang mit der Globalisierung natürlich auch auf die Kulturmittler und Institutionen, die sich mit dem internationalen Kulturaustausch beschäftigen, direkt einwirkt. Die Kategorien innen und außen passen nicht mehr angesichts der Komplexität der globalen Zusammenhänge, das haben wir auch ganz deutlich bei unserem „Goethe-Institut Damaskus im Exil“ gemerkt. Von den 100 Künstlern und Künstlerinnen, die dort auftreten, sind 45 aus Syrien geflohen. Wir sehen weltweit, dass die Bedeutung von Freiräumen, von Räumen, wo offen diskutiert werden kann, zunimmt - ob an unseren Instituten im Ausland oder in einem Projektraum wie dem „Goethe-Institut Damaskus im Exil“.

Eine weitere Entwicklung ist, dass wir neue und ungewöhnliche Formate und Netzwerke brauchen, dass wir schnell auf neue Situationen reagieren müssen, zum Beispiel mit Pop-up-Instituten. Gleichzeitig müssen wir die Strategien der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik langfristig im Auge behalten. Auch das ist für eine Institution eine große Herausforderung. Kulturpolitik lässt sich nicht mehr nur national oder regional denken. Der Kultursektor ist längst international orientiert. Das ist nicht neu, aber die Dynamik hat sich aus unserer Wahrnehmung nochmals sehr beschleunigt.

Die zunehmende Internationalisierung, sich wandelnde gesellschaftliche Strukturen sowie die globalen Herausforderungen stellen die Kulturpolitik im internationalen Kontext vor neue Herausforderungen. Die Deutungshoheit, die Europa und die USA viele Jahrzehnte für sich beansprucht hatten, ist verschwunden. Es gibt neue Narrative und es gibt neue Kraftzentren, die ihre eigenen Narrative konstruieren, wie der Neue Konfuzianismus in China, der türkische Nationalismus, die eurasische Gemeinschaft, die von Russland propagiert wurde, oder auch das Narrativ der neuen Seidenstraße in China. Diese Veränderung in den Gesellschaften erleben die Goethe-Institute weltweit hautnah mit. Es ist deshalb auch unsere Aufgabe, besser zu verstehen, warum oder wie Gesellschaften anders ticken, wie wir partnerschaftlich und dialogisch zusammenarbeiten können und wie wir Erkenntnisse, die wir aus dieser Arbeit gewinnen, in Deutschland sichtbar machen können.

Einzelne Akteure können diesen Anforderungen kaum noch begegnen. Hier komme ich auch noch mal auf den Vortrag von Frau Graber zurück, die die Bedeutung von Kooperation betonte. Ich glaube, das ist richtig und gilt auch für das Goethe-Institut. Wir müssen in Netzwerken arbeiten, wir müssen uns mit anderen verbünden. Da müssen wir auch als Institution zum Teil noch lernen, obwohl wir hier schon große Erfahrungen haben.

Ich möchte ganz konkret auf die großen Anforderungen im internationalen Kulturaustausch zu sprechen kommen, die mir im Moment begegnen. Ich möchte dies anhand von Reisen veranschaulichen, die ich im letzten halben Jahr unternommen habe.

Für das Bild Deutschlands im Ausland ist eine Eigenschaft sehr wichtig, die sich auch im Kulturaustausch, wie das Goethe-Institut ihn versteht, wiederspiegelt: das ist die Diskursfähigkeit, das ist der Versuch, Dinge aufzunehmen und zu verstehen und nicht a priori die eigene Kultur in den Vordergrund zu stellen, sondern sich im Dialog auseinanderzusetzen und gemeinsame Projekte zu entwickeln. Das ist eine Stärke, die man sich immer wieder erarbeiten muss.

Vor zwei Wochen haben wir in Kairo ein neues Gebäude des Goethe-Instituts eröffnet. Das Goethe Institut Kairo war vorher auf mehrere Orte in Kairo verteilt. Wir haben nun versucht, alle unsere Aktivitäten, also Sprachkurse, Bibliothek, Kulturprogramme, an einem Ort zusammenzufassen. Ich nehme dieses Beispiel, um zu verdeutlichen, wie die Arbeit des Goethe-Instituts in Gesellschaften des Umbruchs und der Krise funktioniert. Das Goethe Institut hat in der arabischen Revolution 2011/2012 eine wichtige Rolle gespielt. Es wurde die so genannte Tahir-Lounge gegründet, wo sich zivilgesellschaftliche Akteure, die in der Revolution aktiv waren, treffen, austauschen und fortbilden konnten. Diesen Gedanken wollen wir mit unserem neuen Institut weiterführen. Natürlich kooperieren wir auch mit staatlichen Stellen, sonst könnten wir im Bildungssektor nichts bewegen. Solche Freiräume, wie sie das Goethe-Institut bietet und auch zivilgesellschaftliche Initiativen sie bieten sollten, werden aber in solchen Gesellschaften des Umbruchs immer bedeutender. Ich habe mit einigen Künstlern und Künstlerinnen in Kairo gesprochen. Sie betonten wie wichtig es sei - gerade jetzt, wo die Situation in Ägypten mit der NGO-Gesetzgebung schwieriger werde und sie einen engeren Spielraum haben - dass das Goethe-Institut vor Ort bleibe, die Möglichkeit zu Austausch biete und weiter arbeite. Ich habe an einem Abend der Eröffnung mit Alaa al-Aswani, einem der berühmtesten ägyptischen Schriftsteller und ein großer Kritiker der ägyptischen Regierung, im Goethe-Institut diskutiert. Es ist für uns auch wichtig, diese kritischen Stimmen in unser neues Goethe-Institut einzuladen.

Ein anderes Thema ist Osteuropa, wo gerade sehr viele zivilgesellschaftliche Initiativen aktiv sind, die auch vom Auswärtigen Amt gefördert werden. Auch hier können Kunstprojekte Russen, Ukrainer und Künstler aus anderen Ländern dieser Region zusammenbringen, um gemeinsam künstlerisch zu arbeiten. Wir haben beispielsweise ein Projekt „Die Grenze“, wo Künstler aus Russland, der Ukraine und aus anderen Ländern in einem Laboratorium dieses Thema reflektieren. Diese Freiräume zu schaffen und zu erhalten, ist angesichts immer enger werdender Rahmenbedingungen im internationalen Kulturaustausch eine der wichtigsten Herausforderungen.

Das zweite Thema, das uns – und sicher auch Sie - sehr beschäftigt, ist das Thema Flucht und Migration. Ende des Jahres 2015 gab es weltweit rund 16,2 Millionen Flüchtlinge, etwa 4,4 Millionen aus und in Afrika. Das Goethe-Institut stellt sich natürlich die Frage, welche Rolle Kultur und Bildung für Menschen, die auf der Flucht sind, spielen. Was können wir als Kulturinstitution tun, um einen zumindest bescheidenen Beitrag dazu zu leisten, dass keine verlorene Generation entsteht? Das Goethe-Institut arbeitet im Moment sehr stark im Ausland in den Nachbarländern Syriens mit Kulturprogrammen für Kinder, wie Vorlese-, Fußball- und Theaterprojekte, um den Kindern, die in den städtischen Agglomerationen oder in Flüchtlingslagern leben, eine Perspektive zu bieten. Wir arbeiten mit Künstlern zusammen, die geflohen sind, damit sie weiterarbeiten können. Damit sie, wenn es in Syrien wieder einen funktionierenden Staat gibt, ihren kritischen Beitrag zum Aufbau der Gesellschaft leisten können. Mit den Angeboten im Ausland wollen wir Perspektiven vor Ort schaffen. Wichtig sind natürlich auch Angebote in Deutschland. Hier sind wir im Sprachunterricht tätig. Wir haben eine App „Ankommen“, die mehrmals ausgezeichnet wurde, in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, der Bundesagentur für Arbeit und dem Bayerischen Rundfunk entwickelt. Sie soll Flüchtlingen das Ankommen in den ersten acht Wochen erleichtern. Der Sprachkurs in der App kommt vom Goethe-Institut. Aber wir sind beispielsweise auch mit Filmen und Literatur für Kinder aktiv, die wir im Ausland, in der arabischen Welt, übersetzt haben. Diese können wir jetzt in Deutschland in Flüchtlingseinrichtungen zum Einsatz bringen. So können wir unsere Arbeit im Ausland für Deutschland nutzen.

Das dritte Thema, das uns intensiv beschäftigt, ist das Thema Europa. Welche Rolle spielt Kultur heute in Europa angesichts eines Referendums in Großbritannien, das vorsieht, dass Großbritannien aus der EU austritt, und angesichts von zunehmendem Populismus und Nationalismus? Hierzu ein kleines Beispiel aus Bratislava: die Ausstellung „Die Angst vor dem Unbekannten", die das dortige Goethe-Institut zusammen mit der Kunsthalle Bratislava organisiert hat. In der Slowakei, wo eine Regierung im Amt ist, die sehr kritisch gegenüber Fremden ist, haben wir eine Ausstellung gemacht, bei der sich Künstlerinnen und Künstler mit Flucht auseinandersetzen. Besonders gefreut haben wir uns, dass die Ausstellung von vielen Schulklassen und Lehrern besucht und dadurch eine Diskussion über das Thema begonnen wurde.
Die Goethe-Institute in Europe setzen sich in ihren Programmen für europäische Werte ein, sie stellen die kulturelle Verbundenheit und Zusammengehörigkeit in Europa in den Mittelpunkt. Wichtig ist für uns die Zusammenarbeit in europäischen Netzwerken, beispielsweise in der Vereinigung der nationalen europäischen Kulturinstitute (EUNIC), aber auch in vielen anderen Netzwerken in Europa.

Was wir noch lernen müssen, ist Kritik und andere Haltungen auszuhalten. Wir müssen über die Ängste diskutieren, die es in den europäischen Gesellschaften gibt. Die Frage ist auch, wie wir zum Beispiel Menschen, die beim Referendum in Großbritannien nicht zur Wahl gegangen sind, die für den Brexit gestimmt haben oder außerhalb der großen Städte leben, erreichen können. Hier ist auch die Frage, ob wir mit digitalen Angeboten mehr leisten können oder mit Schüler- und Jugendaustausch. Es gibt viele Instrumente, die wir im Moment diskutieren, um den Zusammenhalt Europas, über Kultur und über Austausch zu stärken. Es scheint, als ob jede Generation sich Europa neu erarbeiten muss. Das Narrativ des Friedens zieht nicht mehr so richtig und viele junge Menschen nehmen die Errungenschaften Europas, z.B. die Reisefreiheit, das Erasmus-Programm, usw. als selbstverständlich wahr. Das sind einige Themen, die uns im Moment intensiv beschäftigen.

Mit welchen Formaten arbeiten wir? Wie haben sich Formate verändert? Natürlich gibt es an den Goethe-Instituten noch Autorenlesungen, Konzerte und Diskussionen. Aber wir versuchen immer stärker, Themen zu setzen, die über ein Land oder über eine Stadt hinaus relevant sind. Künstliche Intelligenz, Fragen der Freiheit des Individuums, der Süd-Süd-Dialog - das sind Themen, die nicht mehr nur in einem Land verhandelt werden, sondern die uns alle betreffen. Unser Ziel ist es, dass wir diese globalen Fragestellungen über unser Netzwerk auch global diskutieren. Und da kommt auch Deutschland ins Spiel.
Die Erkenntnisse, die wir aus unserer Arbeit gewinnen, wollen wir auch nach Deutschland bringen. Das Goethe-Institut ist mit seinem Netzwerk ein Seismograph. Es kann Impulse und Experten aus dem Ausland nach Deutschland bringen. Eine so global aufgestellte Gesellschaft wie unsere, sollte auch die weltweiten Perspektiven wahrnehmen, sie verstehen und von ihnen lernen. Hier kann das Goethe-Institut einen Beitrag leisten.

Ein Beispiel, das mit dem Thema der Kulturförderung verbunden ist, ist das Kultursymposium in Weimar, das 2016 zum ersten Mal stattfand und bei dem wir mit über 800 Gästen über das Thema Teilen und Tauschen diskutiert haben. Im Vorfeld fanden an 12 Goethe-Instituten im Ausland Runde Tische zu diesem Thema statt. Viele der dortigen Experten haben wir dann wiederum nach Weimar eingeladen. „Teilen und Tauschen“ war ein Thema, das zwischen Kulturpolitik und Wirtschaft angesiedelt ist. Das Kultursymposium Weimar wurde auch von Unternehmen aus unserem Wirtschaftsbeirat - von Siemens, Merck und Volkswagen - gefördert. Wir haben uns sehr gefreut, dass so viele Menschen nach Weimar gekommen sind und ein intensiver Austausch stattfinden konnte. In zwei Jahren möchten wir das Kultursymposium Weimar – mit einem anderen Thema – wiederholen.

Ein zweites Format, das für uns immer wichtiger wird, hat damit zu tun, dass mangels Infrastruktur und begrenzen Fördermöglichkeiten in gewissen Teilen der Welt der Austausch innerhalb der Regionen, zwischen den Ländern, sehr schwierig ist. Hier versuchen wir, kulturelle Infrastruktur aufzubauen, Plattformen der Vernetzung und Zugänge zum Wissen zu schaffen. Ein Beispiel ist die Musikplattform „Music in Africa“, die wir zusammen mit der Siemens-Stiftung und unseren afrikanischen Partnern betreiben. Dies ist eine Plattform, wo Musiker, Produzenten, Veranstalter aus dem ganzen afrikanischen Kontinent sich austauschen, darstellen und kennenlernen können. Die Plattform ist natürlich auch ein wichtiges Instrument zur Förderung der Kreativwirtschaft in diesem Bereich. Eine ähnliche Plattform, MOKOLO, haben wir mit Hilfe von EU-Fördermitteln für den Film in Afrika aufgebaut. Das Goethe-Institut führt weltweit Kulturmanagementprogramme durch, die wir immer stärker auch als Netzwerke begreifen. Wir versuchen über Qualifizierung und Vernetzung einen besseren Zugang zum Wissen zu schaffen. Ein anderes Beispiel, das mir sehr am Herzen liegt, ist ein TV-Wissensmagazin für Kinder „I got it!“ in Südostasien, eine Art „Sendung mit der Maus“, eine Produktion, die das Goethe-Institut mit verschiedenen südosteuropäischen Sendern zusammen entwickelt hat.

Ein weiteres Instrument, das wir im Moment stärken, sind die Künstlerresidenzen. Diese sehen wir als wichtige Formate im internationalen Kulturaustausch, wo künstlerische Prozesse entstehen und wo Künstler und Künstlerinnen aus Deutschland die Möglichkeit haben, länger in einem Land zu leben und zu arbeiten, um sich dort mit der Szene vernetzen, neue Erkenntnisse zu gewinnen und vielleicht auch in der Diskussion über Grundfragen an Grenzen des gegenseitigen Verständnisses zu stoßen. Das Goethe-Institut hat mehrere Residenzhäuser, z.B. die Kulturakademie Tarabya in Istanbul - im Moment sehr spannend - , die Villa Kamogawa in Kyoto oder Ludlow 38 in New York, ein kleiner Ausstellungsraum, der von BMW/MINI gefördert wird, wo wir jedes Jahr einen Kuratoren bzw. eine Kuratorin einladen, der oder die diesen Raum bespielt. Ludlow 38 ist in der sehr kommerzialisierten Szene in New York ein wichtiger alternativer Kunstort geworden.

Residenzarbeit führt im besten Fall zur Koproduktion, wenn sich die Künstler vor Ort mit ihren Partnern vernetzen und neue Projekte entwickeln. Das ist ein weiterer Punkt, den das Goethe-Institut stark fördert. Wir haben einen neuen Koproduktionsfond mit insgesamt 1,3 Millionen Euro aufgelegt, mit dem wir Koproduktionen im Bereich Tanz, Theater, Musik und Performance fördern. Die Koproduktion hat den Vorteil, dass nicht nur präsentiert wird, sondern dass ein intensiver Austausch stattfindet, dass etwas Neues entsteht und Prozesse ablaufen, bei denen eine Annäherung über Werte, Arbeitsweisen und auch über Konflikte stattfindet. Bei Koproduktionen ist manchmal der Prozess ebenso wichtig wie das Ergebnis.
Ein weiteres Thema, das ich ansprechen möchte, ist die Digitalisierung. Digitalisierung, das hat Frau Graber auch gesagt, sei sehr wichtig und bestimme alles. Die Digitalisierung ist auch für das Goethe-Institut ein großes Thema. Das Goethe-Institut ist im Kulturaustausch darauf angewiesen, neue Zielgruppen zu erreichen und große Räume zu bespielen. Als ich in Russland als Regionalleiter in Moskau gearbeitet habe, war immer die Frage, wie man in diesem großen Land in der Fläche arbeiten kann. Wir haben dann verstärkt mit Livestreams gearbeitet und haben versucht, digitale Medien in allen Arbeitsbereichen zu fördern und einzusetzen. Das Goethe-Institut hat vor drei Jahren eine Digitalstrategie verabschiedet, um die digitalen Möglichkeiten für das Goethe-Institut in optimaler Form für den Kultur und Bildungsaustausch zu nutzen. Gerade mit den digitalen Medien können wie die Reichweite unserer Arbeit erhöhen und vor allem junge Menschen erreichen. Natürlich glauben wir auch an die persönliche Begegnung. Ich glaube, beides – die reale Begegnung und die digitalen Formate  - müssen sich im internationalen Kulturaustausch befruchten. In der täglichen Arbeit erleben wir, dass durch die Digitalisierung neue Netzwerke viel leichter agieren können und viel mobiler sind. Auch das ist eine Herausforderung für eine Institution wie die das Goethe-Institut, sich hier zu verbünden und auch neue Netzwerke zu schaffen zu fördern und zu beleben.

Vielleicht ein paar Beispiele, um das Spektrum aufzuzeigen. Sehr wichtig sind für uns die digitalen Sprachlernangebote. Wir haben beispielsweise einen Online-Sprachkurs, bei dem der Trainer in Bogotá sitzt, und Deutschlerner aus 10 spanischsprachigen Ländern teilnehmen. Oder die App „Ankommen“ für Geflüchtete, die von der Stiftung Warentest ausgezeichnet wurde. Das Thema Gaming ist für das Goethe-Institut ebenfalls spannend. Hier sehen Sie Bilder von einem Big Game „Being Faust – Enter Mephisto“, wo man mit dem Smartphone in einem Raum unterwegs ist, Goethe-Zitate sammelt und dafür z.B. Freunde verkaufen muss. Wenn Sie einmal Gelegenheit haben, es zu spielen, das ist sehr spannend. Wir haben außerdem einen MOOC zum Thema Kulturmarketing gemeinsam mit der Leuphana-Universität entwickelt, an dem 17.000 Menschen weltweit teilgenommen haben. Sie sehen also, das Thema Digitalisierung zieht sich sehr stark durch unsere Arbeit.

Vielleicht noch mal zum Fokus des KulturInvest-Kongresses: Welche Strukturen hat das Goethe-Institut zur Zusammenarbeit mit der Wirtschaft? Das Goethe-Institut hat 2008 einen Wirtschaftsbeirat gegründet, der aktuell 21 Mitglieder aus 20 Unternehmen – große Mittelständler oder DAX-notierte Unternehmen, die international aufgestellt sind – umfasst. Da geht es vor allem darum, voneinander zu lernen. Was beschäftigt die Wirtschaft in Russland, in China, in der arabischen Welt? Was sind die Themen für die Wirtschaftsunternehmen? Was sind unsere Themen? Wie können wir uns gegenseitig befruchten? Wir versuchen im Moment, diese Kooperation zu verstärken, in dem wir an etwa 10 Orten im Ausland Wirtschaftskreise gründen, die ebenfalls in diesem beratenden Kontext agieren sollen. Für uns hat sich diese Zusammenarbeit sehr bewährt, aber ich denke, wir müssen weiter lernen, mit der Wirtschaft zu arbeiten, synergetische Felder finden und diese noch intensiver bespielen.

Natürlich gibt es auch Förderung seitens der Wirtschaft. Das Kultursymposium Weimar wurde, wie gesagt, wurde von Merck, Volkswagen und Siemens gefördert. Das Thema „Teilen und Tauschen“ war auch für die Unternehmen wirtschaftlich sehr interessant, insbesondere der Aspekt der Sharing Economy. Sehr erfolgreich ist auch eine neue Beilage in der ZEIT, „das goethe“, die ebenfalls von Unternehmen aus dem Wirtschaftsbeirat gefördert wird. Die aktuelle Ausgabe hat das Thema „Wohin?“. Sie enthält Fragebögen von 40 Intellektuellen, die sich mit dem Thema Flucht auseinandersetzen. Es gibt dann natürlich auch die konkrete Zusammenarbeit in Bereichen, wo Themen und Projekte für die Wirtschaft und das Goethe Institut von gleich hoher Bedeutung sind.

Das waren meine Trends, die ich Ihnen aufzeigen wollte. Ich glaube, dass die Zusammenarbeit der unterschiedlichsten Partner aus Kultur, Wirtschaft und Gesellschaft für den internationalen Kulturaustausch ein vielfältiges Spektrum eröffnet, von dem wir alle profitieren.

Zum Abschluss habe ich noch einen Punkt, der mich immer wieder beschäftigt: das Bild Deutschlands im Ausland. Sie alle wissen, was am 3. Oktober in Dresden passiert ist. Da haben so ein paar wildgewordene Bürger Politiker und Gäste schwer beleidigt. Ich hab das als große Schande empfunden. Viele von Ihnen wahrscheinlich auch. Aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass solche Dinge auch international rezipiert werden. Ich glaube, dass wir die Ängste unserer Mitbürger ernst nehmen, berücksichtigen und darauf eingehen müssen. Aber ich glaube auch, dass wir als Kulturschaffende, als Kulturmanager, als Kulturorganisationen eine klare Haltung zeigen müssen. Lassen Sie mich das hier loswerden, weil hier das Forum dafür ist. Wir als Kulturmenschen müssen für eine Haltung, die mit den Begriffen Freiheit, Gerechtigkeit, Toleranz und Gastfreundschaft verbunden ist, einstehen.

Vielen Dank!

Es gilt das gesprochene Wort!

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