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Johannes Ebert am 25. September 2017
Rede in der Hanns-Seidel-Stiftung

Rede von Johannes Ebert beim „Verein zur Sicherung des Friedens“ in der Hanns-Seidel-Stiftung in München

Sehr geehrter Herr Haslinger, sehr geehrte Damen und Herren, vielen Dank für Einladung, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.
 
Ich glaube, wir alle haben einen spannenden gestrigen Abend hinter uns. Die gestrige Bundestagswahl – so zahlreiche Kommentatoren – hat das Parteiengefüge der Bundesrepublik grundlegend verändert. Was das jetzt alles für das Goethe-Institut und für mein Arbeitsfeld der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik bedeutet, ist für mich noch nicht klar erkennbar. Ich bin sehr gespannt.

Mein Name ist Johannes Ebert. Ich bin seit 2012 Generalsekretär des Goethe-Instituts, hier in München. Vorher war ich über fünfzehn Jahre für das Goethe-Institut im Ausland tätig. Ich habe am heute nicht mehr existierenden Goethe-Institut in Prien am Chiemsee Deutsch unterrichtet, am Goethe-Institut in Riga ein Jahr lang die Deutschkurse aufgebaut, habe dann das Goethe-Institut in Kiew geleitet von 1997 bis 2002, einer Zeit in der in der Ukraine eine unglaubliche Wissbegier in Bezug auf die deutsche Sprache, die deutsche Kultur und ein großes Interesse für unser Land geherrscht hat. Danach war ich – selbst Islamwissenschaftler und Politologe – für fünf Jahre in Kairo für das dortige Goethe-Institut und die Region des Nahen Ostens und Nordafrikas zuständig. Das war in der End-Mubarak Zeit, in der sich – wenn man es von heute aus betrachtet – die ersten Umwälzungen in der arabischen Zeit bereits ankündigten. Danach war ich mit meiner Familie für fünf Jahre am Goethe-Institut Moskau und war für einen großen Teil der Länder der ehemaligen Sowjetunion zuständig. Ich bin verheiratet und habe 3 Kinder im Alter von 11, 13 und 15 Jahren. Meine Frau ist Amerikanerin, stammt aber aus Laos, von wo sie als achtjähriges Kind in die USA geflüchtet ist.

Warum erzähle ich diese persönlichen Dinge zu Beginn meines Vortrags?

Vielleicht, weil ich deutlich machen will, dass ich mich als Person ganz unterschiedlichen Herausforderungen in der weltweiten Zusammenarbeit ausgesetzt habe. Und weil ich deutlich machen will, dass ich meine Institution, das Goethe-Institut, das in über 90 Ländern der Welt arbeitet, als wichtigen Akteur zur Erreichung des Zieles sehe, das Ihr Verein im Namen trägt: Der Sicherung des Friedens.
 
Den Frieden kann man natürlich auf unterschiedliche Weise zu sichern versuchen. Und wenn man die Liste der Vortragenden der letzten Jahre in Ihrem Kreise sieht, so waren das ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, die für ganz unterschiedliche Arbeitsfelder stehen. Sicherheitspolitik, Umweltfragen und vieles mehr. Meine Institution steht für den weltweiten Kulturaustausch, für die Förderung der deutschen Sprache als Schlüssel zu unserer Kultur und dafür, dass – gar nicht so einfach im Zeitalter von Fake News und alternativen Fakten – authentische Informationen über Deutschland in die Welt gelangen.
 
Sie haben sich mit Ihrem Verein nicht nur ein sehr ehrgeiziges und herausforderndes Ziel gesetzt, Sie haben sich als Jahresthema „Freiheit – wie viel davon dürfen wir opfern für Sicherheit und Frieden?“ gegeben – und damit eine brennend aktuelle und auch nicht einfache Fragestellung. Ich glaube, ich werde Ihnen heute Abend diese Frage nicht beantworten können. Aber ich werde neben einigen anderen Ausführungen zu den aktuellen Herausforderungen und Fragestellungen für unsere Institution beschreiben, wie wir uns als Goethe-Institut dieser Frage stellen. Denn – ganz grundsätzlich gesagt – die von Ihnen angesprochene Freiheit ist für uns ein ganz grundlegender Wert, der die Basis bietet für viele andere Wertvorstellungen unserer Gesellschaft, für Toleranz, für Rücksichtnahme, für Demokratie und für Vielfalt. Sie ist ein Wert, der weltweit unter Druck gerät. Ein Wert, für den wir auch in den unsicheren Zeiten der Globalisierung einstehen müssen.
 
Im Vorfeld der Bundestagswahl habe ich einen Witz gehört: Ein kleines Mädchen frage seinen Vater: „Papa, können auch Männer Bundeskanzler werden?“ Der Witz spielt natürlich auf die lange Amtszeit von Angela Merkel an. Und wenn man die sogenannte Elefantenrunde gestern Abend verfolgt hat, dann kam von ihrer Seite erwartbar nicht nur die Aussage „In der Ruhe liegt die Kraft“. Die Bundeskanzlerin hat gestern Abend immer wieder gesagt, dass wir – auch vor dem Hintergrund ihrer langjährigen Erfahrungen in besonders unruhigen, in unübersichtlichen Zeiten leben, dass wir uns großen Herausforderungen gegenüber sehen. Wir alle spüren das. Wenn man auf die letzten Wochen blickt, dann sorgen wir uns um einen nordkoreanischen Diktator, der völlig unbeeindruckt Raketen zündet, einen amerikanischen Präsidenten, der ihm mit Vernichtung droht. Wir haben einen islamistisch motivierten Anschlag in Barcelona erlebt, Hurricanes in den USA und ein Erdbeben in Mexiko. Schauen wir etwas tiefer hinein in das weltpolitische Gefüge, dann gibt es einige weltweite Trends, die diese Unruhe mit bedingen. Die uns alle betreffen und gerade auch uns als Goethe-Institut in hohem Maße beschäftigen, da sie teilweise auch kulturell grundiert sind:
 
Europa und die USA sind nicht mehr der Mittelpunkt der Welt. In den letzten Jahren sind neue und eigene globale Kraftzentren entstanden. Sie entwickeln eigene Narrative und Erzählungen, die unsere europäischen Werte – auch die Freiheit gehört dazu – nicht anerkennen oder zumindest anders gewichten als wir das tun. China mit seinem neuen Konfuzianismus und dem außenpolitisch motivierten Narrativ der neuen Seidenstraße gehört dazu. Die arabische Welt, die nach Identität und Selbstvergewisserung sucht. Die Türkei mit ihrem neuen türkischen Nationalismus oder auch Russland, das sich auf seine eigene nationale Identität zurückzieht und sich von Europa abzuwenden scheint.

In diesem Zusammenhang bemerken wir in vielen Ländern eine Einschränkung der Zivilgesellschaften. Meinungen, die von den offiziellen abweichen, werden eingeschränkt, Oppositionelle verfolgt.
Gleichzeitig steckt Europa in einer Vertrauenskrise, die auch durch den Wahlsieg des Proeuropäers Emmanuel Macron in Frankreich noch nicht überwunden scheint. Wir wissen nicht genau, wohin es gehen wird: Auf der einen Seite Macrons Forderungen nach eine Verstärkung der europäischen Integration. Auf der anderen Seite das Erstarken von populistischen Strömungen, die einfache Lösungen versprechen, die sich auf das Nationale zurückziehen und auf Ausgrenzung setzen. Das erleben wir auch in Amerika mit Trumps „America First“, das erleben wir in vielen europäischen Ländern und das erleben wir bei uns selbst hier in Deutschland, wie uns die gestrige Bundestagswahl gezeigt hat.

Ganz gegenläufig dazu, gibt es Fragen, die wir national gar nicht mehr beantworten können. Es gibt globale Herausforderungen und Chancen, die wir nur in der globalen Debatte und Auseinandersetzung lösen bzw. nutzen können. Das Thema Klima und Umwelt gehört dazu, die Chancen und Risiken der Digitalisierung, aber auch die Fragen, wie wir mit den großen Migrationsströmen umgehen werden, die wir heute erleben und die in Zukunft kaum nachlassen werden. Auch die grundlegende Frage nach einer gerechten Verteilung von Gütern in der Welt gehört dazu. Bei allen diesen Fragen sind wir auf weltweite Kommunikation und Kooperation angewiesen.

Die Globalisierung hat dazu geführt, dass wir alle enger aneinandergerückt sind. Die Kategorien innen und außen durchdringen sich angesichts der Komplexität der globalen Zusammenhänge in nicht gekannter Weise.

Die Welt ist unruhig und unsicherer geworden. Sie ist aber auch voller neue Chancen und Lösungsmöglichkeiten, die wir wahrnehmen müssen und wo Deutschland und Europa ihre Positionen einbringen und ihre Stimme hörbar machen sollen. 
 
Diese Veränderung in den Gesellschaften erleben die Goethe-Institute weltweit hautnah mit. Es ist deshalb auch unsere Aufgabe, besser zu verstehen, warum oder wie Gesellschaften anders ticken. Es ist unsere Aufgabe Menschen zusammenzubringen, einen Austausch über gemeinsame oder unterschiedliche Werte zu ermöglichen – auch dann, wenn die politischen oder wirtschaftlichen Kommunikationskanäle schlecht funktionieren. Es ist unsere Aufgabe, ein Verständnis herzustellen und vielleicht eine Verständigung zu erreichen.
 
Ich möchte gerne in diesem Zusammenhang einige Aspekte unserer Arbeit aufgreifen: Das Thema Europa, die Frage, welche Rolle das Goethe-Institut in schwierigen Ländern spielt, die Herausforderungen der Digitalisierung für unser Institut und auch die Rolle der deutschen Sprache.
 
Erlauben Sie mir aber an dieser Stelle zunächst einige generelle Worte zum Goethe-Institut und zu unserer Arbeit im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.
 
Das Goethe-Institut ist das weltweit tätige Kulturinstitut der Bundesrepublik Deutschland. Wir fördern die Kenntnis der deutschen Sprache im Ausland und pflegen die internationale kulturelle Zusammenarbeit. Darüber hinaus vermitteln wir umfassende und authentische Informationen über das kulturelle, gesellschaftliche und politische Leben in unserem Land. Wir setzen dabei weniger auf reine Repräsentation, sondern auf Dialog, auf Kooperation und Koproduktion von Wissen und Kultur. Das heißt vor allem, dass wir vor Ort mit unseren dortigen Partnern eng zusammenarbeiten und gemeinsam Projekte und Programme entwickeln, die auf die jeweilige Szene zugeschnitten sind und wo wir einen eigenen deutschen Beitrag leisten können – sei es direkt durch Kooperationen mit deutschen Partnern, sei es als Plattform, die wir lokalen Akteuren für ihre Arbeit anbieten. Zunehmend arbeiten wir auch länderübergreifend und multilateral und bringen Akteure ganz unterschiedlicher Länder und Regionen zusammen, um sich gemeinsam mit globalen Herausforderungen auseinanderzusetzen.
 
Wir stärken den Ausbau zivilgesellschaftlicher Strukturen und fördern die weltweite Mobilität.
 
Mit unserem Netzwerk aus Goethe-Instituten und vielen Einrichtungen lokalen Rechts, die wir betreuen – Goethe-Zentren, Kulturgesellschaften, Lesesäle, Sprachlernzentren oder Projekträume – sind wir seit über 60 Jahren für viele Menschen der erste Kontakt mit Deutschland. Ein paar Zahlen, um Ihnen eine Größenordnung zu geben: Wir betreiben weltweit 160 Goethe-Institute, davon 12 in Deutschland (die Institute in Deutschland haben die Besonderheit, dass sie keine staatlichen Zuschüsse erhalten, sondern sich ausschließlich aus eigenen Einnahmen finanzieren), wir haben rund 1000 Anlaufstellen für die kulturelle Kooperation und die deutsche Sprache im Ausland, und beschäftigen 3500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weltweit. Wir haben bei unseren Kulturveranstaltungen im Jahr 5 Millionen Besucher, an unseren Deutschkursen lernen 250 000 Teilnehmer. Der jährliche Gesamtetat liegt bei gut 400 Millionen Euro. Über ein Drittel davon sind Eigeneinnahmen vor allem über Sprachkurse. Die langjährige partnerschaftliche Zusammenarbeit mit führenden Institutionen und Persönlichkeiten in über 90 Ländern schafft nachhaltiges Vertrauen in unser Land. Das Goethe-Institut ist ein eingetragener Verein. Es hat als führende Kulturmittlerorganisation einen Rahmenvertrag mit dem Auswärtigen Amt und arbeitet eigenverantwortlich und parteipolitisch ungebunden.
 
Das Goethe-Institut ist das deutsche Kulturinstitut, aber gleichzeitig verstehen wir uns auch als europäische Institution. Was meine ich damit?
 
Die Ausstellung „Die Angst vor dem Unbekannten“ in Bratislava“ im Sommer letzten Jahres reagierte auf zunehmende Fremdenfeindlichkeit in der Slowakei. Im Zentrum standen dabei die Bewusstmachung und die Begegnung mit dem Fremden auf künstlerische Weise. Kunst kann hier einen eigenen Zugang und Nachdenken auslösen.

Im Dezember letzten Jahres fand in Brüssel die große Konferenz „European Angst“ statt. Nobelpreisträgerin Hertha Müller eröffnete die Konferenz mit einer fulminanten Rede für die Freiheit und äußerte Kritik an den politischen Strömungen in Ungarn und Polen. Wir lassen auch europakritische Stimmen beispielsweise aus Polen zu Wort kommen, denn wir müssen uns der Diskussion stellen. 40 junge Europäerinnen und Europäer verabschiedeten außerdem ein Manifest zur Zukunft Europas, das im Rahmen der Konferenz erarbeitet wurde.

Der Brexit war für mich persönlich ein Schock. Im Februar fand ein Festival mit dem Titel „Collecting Europe“ statt, bei dem gemeinsam mit dem British Council im Londoner Victoria & Albert Museum ein Bewusstsein für Europa geschaffen werden, und die Diskussion mitangeregt werden sollte: Was bleibt von Europa in 2.000 Jahren? Was macht Europa aus?

Im Sommer gab es die Internetaktion „My wish for Europe“ zur europaweiten Mobilisierung junger Menschen, sich etwas für Europa zu wünschen.

Im September 2017 wurde das europäische Netzwerk „Bildung und Beruf“ in Süditalien, ausgehend von den Regionen Apulien und Basilicata, gemeinsam mit der Stiftung Mercator gegründet. Das Netzwerk verbindet Schulen, Unternehmen, Institutionen und Jugendarbeit, um mehr Jugendliche auszubilden und ein Übergangsmanagement zwischen Schule und Betrieb aufzubauen.

2015 hat das Goethe-Institut die Arbeit in Europa in seine Satzung aufgenommen und engagiert sich für die Vision der europäischen Integration und für einen auf kultureller Vielfalt basierenden europäischen Kulturraum. In der Krise ist man froh, dass Überlegungen von Anfang des Jahrhunderts, Goethe-Institute in Europa zu schließen und damit Ressourcen für andere Weltregionen freizumachen, damals nicht umgesetzt wurden. Das Goethe-Institut tritt für den fundamentalen Wert der Freiheit als Kern des europäischen Gedankens ein, thematisiert aber auch explizit die Brüche, Krisen und Ambivalenzen. Denn wir müssen Ängste ernstnehmen, wir müssen ihnen jedoch eine Diskussion über die Chancen und Vorteile der europäischen Integration entgegensetzen. Wir verstehen Kultur als Schlüssel zum Dialog insbesondere mit denjenigen, die Zweifel und Befürchtungen hinsichtlich einer offenen Gesellschaft in Europa haben. Wir müssen verstärkt junge Menschen ansprechen, um mit ihnen über die Bedeutung und Verteidigung freiheitlicher Werte nachzudenken. Gleichzeitig sucht das Goethe-Institut den Kontakt zu solchen jungen Menschen, die nicht Teil der urbanen, bildungsaffinen Elite sind.
 
Dabei arbeiten wir zunehmend europäisch und üben konkret europäische Kulturzusammenarbeit ein. Wir streben gemeinsame Unterbringungen mit europäischen Partnern an, wie das deutsch-französische Kulturinstitut in Ramallah, die gemeinsame Unterbringung mit dem Instituto Cervantes in Stockholm oder dem British Council in Kiew. Das Netzwerk EUNIC ist ein Zusammenschluss aller europäischen Kulturinstitute mit über 90 sogenannten Clustern weltweit, die europäisch kooperieren. Das Netzwerk More Europe aus einigen Stiftungen und Kulturinstituten hat dazu beigetragen, dass Kultur in der EU als Politikbereich zunehmend an Bedeutung gewinnt. So haben die Europäische Kommission und die Hohe Vertreterin der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Federica Mogherini 2016 ein strategisches Papier veröffentlicht, um die kulturelle Zusammenarbeit mit internationalen Partnerländern der EU zu stärken und das völkerverbindenden Potenziale von Kultur anzuerkennen. Es zeichnet sich ein inhaltlicher Wandel ab, weg von der reinen Repräsentation, hin zu einer dialogischen und partnerorientierten Kulturarbeit. Seit 2013 suchen die EU-Institutionen in Brüssel immer öfter auch die kulturpolitische Expertise des Goethe-Instituts. Ich selbst konnte mit Federica Mogherini über den Beitrag sprechen, den unsere Arbeit auf Ebene der europäischen Außenpolitik leisten kann oder bereits leistet. Bei einem Treffen mit ihr Anfang des Jahres war spürbar, dass ihr das ein wichtiges Anliegen ist.
 
Deutschland hat aus meiner Sicht keine Alternative zu einer europäischen Kooperation und Integration, wenn wir unsere Stellung in der Welt halten wollen. Wie sieht es aber mit der Arbeit des Goethe-Instituts außerhalb Europas aus?
 
Bei dem Kulturfestival in Janadriyah in Saudi-Arabien, das über 1 Mio. Besucher zählte, hatte das Goethe-Institut einen Kulturauftritt.
Im „Arabischen Frühling“ hat das Goethe-Institut in Kairo in Ägypten die „Tahrir-Lounge“ eingerichtet, um Diskussion und Austausch zu ermöglichen.
Bei der Einweihung des neuen Institutsgebäudes im November 2016 in Ägypten waren Ministerialbeamte genau so zugegen, wie der regierungskritische Schriftsteller Alaa al-Aswani.

In der Türkei brauchen Kulturschaffende einen offenen Raum für Diskussion und Anlaufstellen für Austausch: Gemeinsam mit türkischen Stiftungen, europäischen Partnern und dem Auswärtigen Amt richtet das Goethe-Institut In Izmir, Gaziantep und Diyarbakir sogenannte „Orte der Kultur“ ein.
Weil der Druck auf Kulturschaffende steigt, wird die Arbeit des Goethe-Instituts immer schwieriger, beispielsweise müssen sich in Russland ausländische Nichtregierungsorganisationen, die Geld aus dem Ausland beziehen, als „ausländische Agenten“ registrieren lassen.

Im November 2016 wurde das Goethe-Institut Damaskus „im Exil“ für einen begrenzten Zeitraum in einer temporären Unterbringung in Berlin eröffnet, um Fäden der Arbeit am mittlerweile geschlossenen Institutsstandort Damaskus aufzunehmen und die Vernetzung von geflohenen Künstlerinnen und Künstlern zu ermöglichen.
 
Diese Beispiele beschreiben eine Funktion der Goethe-Institute, die in dem Maße wichtiger wird, in dem Druck auf Kulturakteure, auf zivilgesellschaftliche Organisationen, auf Blogger, Schriftsteller und Theatermacher ausgeübt wird Denn in vielen Ländern – in Russland, China oder Ägypten, werden die Gesetze für Nicht-Regierungsorganisationen verschärft, in Russland müssen Organisationen, die Geld aus dem Ausland erhalten, sich als ausländische Agenten registrieren. Das Goethe-Institut arbeitet im Bereich Kultur und Bildung, es arbeitet eng mit lokalen Partnern zusammen, seine Funktion wird in der Regel akzeptiert, auch wenn Themen verhandelt werden, die von Regierungen als kritisch gesehen werden. Denn auch dort profitiert man von den Bildungsaktivitäten des Goethe-Instituts. So bieten wir auch unter schwieriger werdenden Bedingungen unsere Institute als Freiraum für offenen Austausch an. Wir thematisieren in unseren Programmen und Kulturveranstaltungen auch Themen, die umstritten sind. Und Kunst vermittelt oftmals einen anderen Zugang zu den Dingen, kann auch subtile Weise auch Fragen ansprechen, die kritisch sind und neue Zugänge und Perspektiven öffnen. Bei meinen jüngsten Gesprächen mit Kulturschaffenden in Ägypten wurde die Arbeit der Goethe-Institute ausdrücklich begrüßt. Viele ausländische Organisationen seien angesichts des politischen Drucks weggegangen, doch das Goethe-Institut müsse gerade jetzt als Ansprechpartner und Anker für die Kulturszene bleiben, sagte mir eine Galeristin bei einem Aufenthalt vor einiger Zeit. Ähnliches berichten meine Kolleginnen und Kollegen aus der Türkei.
 
Eine andere Art von Plattform bietet das Goethe-Institut oft auch Akteuren, die auf andere Art keine Möglichkeit haben zusammenzukommen. 2015 organisierte das Goethe-Institut in Kiew beispielsweise in fünf ukrainischen Städten, darunter Odessa und Saporischija) runde Tische, wo sich Vertreter der staatlichen Kulturinstitutionen und der freien alternativen Szene begegneten, um gemeinsam Kulturstrategien für die Zukunft zu entwickeln. Unser Anliegen war es dort, gemeinsame Ansätze für eine intensivere Kulturarbeit in den Regionen der Ukraine zu entwickeln und den Partnern vor Ort eine Plattform zu bieten, um sich auszutauschen und zu vernetzen. Kunst und Kultur benötigen Strukturen, um sich zu professionalisieren und eine erhöhte Sichtbarkeit zu erreichen. Daher fördert das Goethe-Institut Plattformen im Bereich Musik, Film und Fotografie, insbesondere auch auf dem afrikanischen Kontinent, wo es häufig wenig Strukturen für Kommunikation und Vertrieb gibt. Im Frühjahr 2015 ging beispielsweise in Kooperation mit der Siemens-Stiftung das Internetportal „Music in Africa“ online, das der Information und dem Austausch über den afrikanischen Musiksektor dient. Mit über 13000 registrierten Musikern und Kulturinstitutionen ist sie ein wichtiges Mittel den Sektor der Kreativwirtschaft zu beleben und Perspektiven vor Ort zu schaffen. Eine ähnliche Plattform in Afrika ist Mokolo für Film und Fernsehen.
 
An diesem Beispiel wird auch deutlich, welche Chancen die Digitalisierung für den Internationalen Kulturaustausch bietet. Mit digitalen Medien können wir neue und junge Zielgruppen erreichen und über Institute hinaus in Flächenländern agieren. Gleichzeitig stehen wir hier auch in der Konkurrenz mit anderen Ländern um die Aufmerksamkeit im Netz. Das Goethe-Institut hat sich früh den digitalen Medien gewidmet. 1995 ging die Webseite www.goethe.de ans Netz, heute haben wir fast 40 Millionen Zugriffe im Jahr. Digitale Sprachlernprogramme, unsere Deutschlernerplattform „Deutsch Für Dich“ mit 300 000 registrierten Teilnehmern, die preisgekrönte App „Ankommen“ mit einem Minisprachkurs für Flüchtlinge, die wir mit dem BR, der BA und dem BAMF entwickelt haben, die Reihen Worldwide Work oder Mapping Democracy, in denen wir digital unterstützt globale Debatten in die Münchner Kammerspiele getragen haben – das alles zeigt das Potential digitaler Medien für die globale Kulturarbeit. Gleichzeitig ist es unsere Aufgabe, auch die gesellschaftlichen Folgen und Risiken der Digitalisierung in unserer Arbeit zu thematisieren. Die Digitalisierung ist eine Zukunftsherausforderung und ich glaube, es gehört zu einer unserer wichtigen Aufgaben in der neuen Legislaturperiode, die Politik davon zu überzeugen, die Mittel für den digitalen Sprung auch in der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik bereitzustellen.
 
Last but not least möchte ich zum Ende meines Vortrags auf die deutsche Sprache zu sprechen kommen. Denn die deutsche Sprache ist der Zugangscode zu unserem Land. Unser Land hat in den letzten Jahren an Attraktivität gewonnen als Bildungs- und Wirtschaftsstandort, als Ort spannender Kultur und attraktiver Großstädte – ich nenne Berlin, Hamburg und München. Angesichts zurückgehender Bevölkerungszahlen und angesichts des Fachkräftemangels braucht Deutschland Zuwanderung. Über 15 Millionen Menschen weltweit lernen Deutsch als Fremdsprache, über 13 Millionen lernen an etwa 95 000 Schulen. Das Goethe-Institut erreicht mit seinen Angeboten – mit Lehrerfortbildungen, Stipendienprogrammen, Werbeaktionen für Deutsch oder die Entwicklung von Unterrichtsmaterialien, über 90 Prozent dieser Schulen. Wir möchten damit zu einem qualitativ hochwertigen, lebendigen und professionellen Deutschunterricht beitragen. Denn jeder, der Deutsch lernt, verbindet sich mit unserer Kultur, wird zu einem Botschafter unseres Landes. Das tun auch die rund 250 000 Teilnehmer an den Deutschkursen des Goethe-Instituts im Erwachsenenbereich und die 330 000 Deutschlerner, die jedes Jahr eine Prüfung des Goethe-Instituts absolvieren.
 
Wie existenziell die Kenntnis der deutschen Sprache ist, ist uns gerade bei der Integration der Flüchtlinge in unserem Land deutlich geworden. Hier hat sich das Goethe-Institut mit digitalen Lernprogrammen und Fortbildungskursen für ehrenamtliche Deutsch-Begleiter, aber auch mit arabisch untertitelten deutschen Filmen und übersetzter Literatur, die den Zugang zu unserer Kultur und Gesellschaft erleichtern, engagiert. Wichtig ist uns in diesem Bereich auch die Flüchtlingsarbeit im Ausland, denn wir wollen in den Lagern und Auffangstellen in Jordanien, dem Libanon, in der Türkei und im Irak Perspektiven für ein Leben vor Ort geben – durch Kultur- und Bildungsprogramme für Kinder und Jugendliche, Fußballaktivitäten, die den Teamgeist stärken, Programme, die geflüchteten Kulturschaffenden das Weiterarbeiten auch im Exil erleichtern.
 
„Freiheit – wie viel dürfen wir davon opfern für Sicherheit und Frieden“, heißt Ihr Jahresmotto. Und das ist auch für uns ganz aktuell, aber vielleicht auf ganz andere Weise, als Sie sich vorstellen. Im März 2016 wurde eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts bei einem Terroranschlag in der Cote d´Ivoire getötet. Die Goethe-Institute in Ankara und Istanbul liegen jeweils in Fußweite der großen Anschläge des letzten Jahres. Die Mitarbeiter des Goethe-Instituts Stockholm konnten beim letzten Anschlag in der Innenstadt, in enger Nachbarschaft zum Goethe-Institut bis spätabends das Institut nicht verlassen. Beim letzten Anschlag auf die deutsche Botschaft in Kabul wurde auch das Goethe-Institut schwer in Mitleidenschaft gezogen. Das Institut wurde schwer beschädigt. Im Moment des Anschlags liefen die Kurse auf Hochbetrieb und wir sind heute noch glücklich, dass niemandem etwas passiert ist.
 
Goethe-Institute weltweit müssen Räume sein, die offen zugänglich sind, denn Kulturaustausch benötigt Offenheit. Gleichzeitig sind wir für die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unserer Besucherinnen und Besucher verantwortlich. Wieviel von dieser für den Kulturaustausch essentiellen Freiheit opfern wir also für die Sicherheit?
 
In diesem Zusammenhang wird auch noch einmal deutlich, welche Leistung unsere Mitarbeiter weltweit erbringen. Sie stehen im Dienste der weltweiten Kultur- und Bildungsarbeit, von deren Nutzen und Gewinn wir überzeugt sind. Gerade ein Land wie Deutschland, das global agiert, das wirtschaftlich und politisch einen wichtigen Platz im Weltgefüge innehat, profitiert von einem weltweit funktionierenden Netzwerk wie dem Goethe-Institut in hohem Maße. Denn die Arbeit der Goethe-Institut zeigt das weltweite Engagement Deutschlands, sie agiert und reagiert auf die brennenden Herausforderungen unserer Zeit, und schafft weltweit Vertrauen in unser Land.
 
Ich hoffe, ich konnte Ihnen in diesem Vortrag unsere Arbeit im Kontext der vielfältigen globalen Herausforderungen etwas nahebringen und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.
 
Es gilt das gesprochene Wort.

 

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