Johannes Ebert am 30.01.2025
Die Freiheit, frei zu sein – Kunst und Kultur zwischen Dialog und Spaltung
Grußwort von Johannes Ebert anlässlich der Veranstaltung „Die Freiheit, frei zu sein“ in den Sophiensälen Berlin
In meinem Spotify-Account habe ich mehrere Playlisten: Jazz, Klassik oder Tanz, weil ich gerne tanze. Eine Playlist heißt „Was mir sonst gefällt“. In dieser Playlist habe ich das Lied „Power in the Darkness“ der britischen Tom Robinson Band gespeichert. Es erschien 1978 und handelt von zwei Freiheitsbegriffen, die sich unversöhnlich gegenüberstehen: Auf der einen Seite stehen die reaktionären Kräfte einer Gesellschaft. Sie fordern „freedom from“. Freiheit von allem, wofür eine liberale und offene Gesellschaft steht. „Freedom from the long haired layabouts and students, freedom from the likes of you“, heißt es im Liedtext. Auf der anderen Seite stehen die liberalen Kräfte, die sich für eine „Freedom to“, eine „Freiheit zu“ all den Dingen bekennt, die eine offene und demokratische Gesellschaft ausmachen. „Freedom to live your own life“, heißt es im Lied. Der Widerstreit der Gegensätze aus diesem Lied, das fast 50 Jahre alt ist, hat seine Aktualität nie verloren. Die Entwicklungen in den USA, in vielen europäischen Ländern inklusive Deutschland und in anderen Teilen der Welt zeigen es.
Es ist deshalb nur folgerichtig, dass Gesche Joost, die neue Präsidentin des Goethe-Instituts, den Begriff der „Freiheit“ als Oberthema für ihre Einführung in Berlin – die offizielle Amtsübergabe zwischen Carola Lentz und Gesche Joost fand Ende November in München statt – gewählt hat.
Wenn Sie dann als Generalsekretär und CEO des Goethe-Instituts die Ehre haben, Sie alle heute zu begrüßen, dann geht Ihnen bei der Vorbereitung der Freiheitsbegriff nicht mehr aus dem Sinn: In den vergangenen Wochen flogen mich die Definitionen, Songs und Bücher zum Thema Freiheit gleichsam an. Grundlegende Werke aus dem Politikstudium von Alexis de Tocqueville oder John Stewart Mill. Timothy Snyder, der gerade sein großes Buch „Über die Freiheit“ geschrieben hat, oder die Diskussion über die individuelle Freiheit gegenüber der Meinungsmacht von Peer Groups, die auch in Jagoda Marinics Buch „Sanfte Radikalität“ eine wichtige Rolle spielt. Nicht zu vergessen, dass Angela Merkel für ihre Erinnerungen den Titel Freiheit wählt.
Zitate zum Thema Freiheit auf den Social Media Kanälen des Goethe-Instituts und von Gesche Joost, eine Playlist zum Thema Freiheit, die unser Musikbereich zusammengestellt hat, zeigen vielfältige Positionen auf und machen deutlich: Das Ringen um Freiheit ist eines der großen Themen unserer Gegenwart und hat enorme Bedeutung dafür, wie wir unsere Zukunft gestalten.
Liebe Gesche Joost, sehr geehrte Abgeordnete des deutschen Bundestags, liebe Staatssekretärin Baumann, lieber Ralf Beste, liebe Gäste und natürlich liebe Teilnehmerinnen und Teilnehmer an der Gestaltung des heutigen Abends,
In der Arbeit des Goethe-Instituts weltweit spielen freiheitliche Werte eine wichtige Rolle. Unser Institut ist ein Kind der demokratischen Bundesrepublik – im nächsten Jahr werden wir 75 Jahre alt – und das verkörpern auch unsere Projekte und Häuser im Ausland. Ohne den Zeigefinger des Besserwissers zu erheben, aber doch als Basis und Ausgangspunkt unserer erfolgreichen dialogischen Arbeit.
Das größte Projekt des Goethe-Instituts, das sich, beginnend 2017 und für mehrere Jahre, umfassend mit dem Thema Freiheit auseinandergesetzt hat, entstand als Reaktion auf den Brexit und die deutliche Zunahme populistischer Strömungen in Europa. „Freiraum“ brachte zivilgesellschaftliche kulturelle Organisationen aus allen Ländern der EU zusammen, die sich über Grenzen hinweg mit dem Zustand der Freiheit in den europäischen Gesellschaften auseinandersetzten und das Thema in der Öffentlichkeit behandelten. „Die Freiheit der Faust endet an der Nase des Gegenübers“ habe ich etwas basal bei der Eröffnungsveranstaltung im jüdischen Museum in Warschau formuliert. Wir sind auch deshalb ein wenig stolz auf Freiraum, weil sich viele in diesem Netzwerk in der europäischen Organisation „Freiraum“ zusammengeschlossen haben und versuchen, dem Thema weiter Gewicht zu geben.
Wie die Goethe-Institute ganz aktuell mit dem Thema Freiheit umgehen, wie wir auch in schwierigen und illiberalen Rahmenbedingungen in unseren Häusern und Projekten auf der ganzen Welt versuchen, Freiräume anzubieten, zeigen Interviews mit Institutsleiterinnen und Institutsleitern aus sechs Ländern auf den Social Media Kanälen des Goethe-Instituts, die im Umfeld des heutigen Abends entstanden sind.
Liebe Gesche Joost,
ich möchte Dir auch bei dieser nach München zweiten Einführungsveranstaltung in Berlin viel Glück und Erfolg und auch Spaß wünschen. Präsidentin des Goethe-Instituts ist das schönste Ehrenamt der Welt, hat Jutta Limbach, die erste Präsidentin des Goethe-Instituts, mit großer Überzeugung gesagt. Du hast in den letzten beiden Monaten seit Amtsantritt gezeigt, dass Du Dich mit großer Motivation, mit Engagement und Enthusiasmus dieser Aufgabe angenommen hast. Das Thema Freiheit für diesen Auftakt zu setzen, zeigt, dass Du dich gemeinsam mit der Mitgliederversammlung, dem Präsidium, dem Vorstand und der gesamten Organisation den großen Herausforderungen unserer Zeit widmen willst.
An dieser Stelle möchte ich auch den Teams danken vom Veranstaltungs- und Kulturbereich des Goethe-Instituts. Und mein ganz besonders Dank gilt den Künstlerinnen und Künstlern, den Diskutantinnen und Diskutanten, die wir heute erleben dürfen.
Ein letzter kleiner Gedanke zum Thema Freiheit: Sie werden sich vielleicht an „Jana aus Kassel“ erinnern, die sich im Widerstand gegen die Covid-Maßnahmen mit Sophie Scholl verglichen hat. Es gibt dieses Narrativ, das gerade auch von rechten und populistischen Kräften befeuert wird, man könne hier in Deutschland nicht mehr offen seine Meinung sagen. Ich habe in meiner Zeit für das Goethe-Institut in Ländern gearbeitet, wo offene Meinungsäußerung, Kritik und Widerspruch Gründe dafür waren, eingesperrt zu werden. Deshalb sollten wir uns immer dieses Privilegs bewusst sein, dass wir in Deutschland im Rahmen der Gesetze die Freiheit haben, uns frei zu äußern und uns auch in kritischen Diskussionen zu begegnen. Auch wenn man sich bisweilen wünscht, dass Argumente stärker zählen als vorgefertigte Meinungen oder gar als Hass und Hetze. Diese Freiheit, die wir genießen, ist aber – das sollten wir uns gerade am heutigen Jahrestag der nationalsozialistischen Machtübernahme 1933 ins Gedächtnis rufen – nicht selbstverständlich.
Es ist unser aller Verantwortung, dass wir uns für eine freiheitliche Gesellschaft einsetzen.
Es ist unser aller Verantwortung, uns anderen Meinungen zu stellen, auch wenn wir sie nicht teilen. Freiheit muss immer wieder eingeübt werden.
Es ist unser aller Verantwortung, dass wir die Freiheit in unserem Land stärken.
Dieser Abend „Die Freiheit, frei zu sein“ ist auch ein Beitrag hierzu.
Vielen Dank