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09. September 2025
Auf Tour mit dem Außenminister in Indien

Gesche Joost, Präsidentin des Goethe-Instituts, hat den Bundesaußenminister Johann Wadephul nach Indien begleitet, wo sich viele junge Menschen eine Karriere in Deutschland wünschen. Aber sie haben auch Zweifel.

Ein Gastbeitrag von Gesche Joost, erschienen im Tagesspiegel am 09.09.2025

Meeting im großen Saal des Goethe-Instituts in Bengaluru: Außenminister Johann Wadephul hat sich zu einem Austausch mit jungen indischen Fachkräften angekündigt, die nach Deutschland kommen wollen. Und nun kommt der Minister auch noch zehn Minuten zu früh. Wie er sich mit seiner Delegation mit zwanzig Autos durch den absurden Verkehr der Tech-Metropole gekämpft hat, weiß keiner. Deutsche Pünktlichkeit.

Die jungen Deutsch-Lernenden, die als Ingenieurin, Pfleger, Physiotherapeutin oder zum Studieren nach Deutschland kommen wollen, sitzen auf der Bühne. Und der Minister bringt gleich zur Begrüßung eine klare Botschaft mit: Wir brauchen Sie für unsere Wirtschaft und Gesellschaft, und wir wollen ihnen attraktive Angebote machen.

Eine Million junge Menschen absolvieren in Indien die Schule – jeden Monat. 30 Prozent davon studieren, doch liegt die Arbeitslosenquote bei den gut ausgebildeten Akademikern bei 17 Prozent. Deutschland kann hier Perspektiven für die berufliche Zukunft bieten.

Warum dauern Visa so lange?

Was sie an Deutschland reize, fragt der Minister. Die Lebensqualität, die Work-Life-Balance, der freie Zugang zum Studium und die gute schulische Bildung für Kinder, antworten die jungen Inderinnen und Inder. Sie lernen seit einem Jahr die Sprache beim Goethe-Institut und können sich fließend unterhalten, auch dank der deutschen Filmabende und der Bibliothek. Aber auch kritische Fragen werden gestellt: Geht es der deutschen Automobilindustrie bald wieder besser? Warum dauern die Visa-Anträge und die Anerkennung von Berufsausbildungen so lange? Und warum bezahlen die Deutschen eigentlich immer noch mit Bargeld?

Das positive Image Deutschlands ist nicht mehr selbstverständlich. So sagt der Minister zu, dass sich Deutschland bei den Verfahren für Fachkräfte verbessern muss. Aber auch die Digitalisierung und die Stärke der deutschen Unternehmen spiele eine entscheidende Rolle, denn Deutschland stehe in Konkurrenz zu anderen attraktiven Volkswirtschaften, die womöglich keine Sprachbarriere haben.

Deutschland ist nicht mehr selbstverständlich ein priorisierter Partner mit Überlegenheit in Wirtschaftskraft und Innovation. Indien mit seiner hindu-nationalistischen Regierung vertritt selbstbewusst die eigenen Interessen und wählt sich jeweils die Partner dazu aus, ohne sich einem Block wie dem sogenannten Westen anzuschließen.

Gemeinsame Kultur stiftet Freundschaft

Gerade liefen die Bilder vom SOZ-Gipfel, der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit, über den Bildschirm, mit dem symbolträchtigen Handschlag zwischen Xi Jinping und Modi, zum ersten Mal nach Jahren. Die Allianz mit Putin in diesem Netzwerk wirkte in den westlichen Demokratien befremdlich. Die SOZ repräsentiert einen erheblichen Anteil an der globalen Wirtschaftsleistung, zu den Mitgliedsstaaten zählen unter anderem China, Indien, Russland, Pakistan, Kasachstan und Usbekistan. Die Organisation positioniert sich als Gegengewicht zur empfundenen Dominanz des Westens und seines Verteidigungsbündnisses, der Nato.

Welche Rolle kann Deutschland vor dieser Kulisse spielen? Es bietet sich als Kooperationspartner an, der sich an seine Zusagen hält. Und es steht für Europa, das als Wirtschaftsraum gerade China überholt hat. Unser Land hat weiterhin Unternehmen wie Allianz, Bosch, Mercedes und SAP, die in Indien ihre Standorte ausbauen, nicht mehr als verlängerte Werkbank Deutschlands, wie es früher einmal war, sondern auch für Forschung, Entwicklung und Innovation.

Hier spielen auch deutsche Forschungsverbünde wie die Max-Planck-Institute eine Rolle, die einen guten Ruf genießen. Aber auch soziale Errungenschaften Deutschlands sind wichtig, wie das Bildungssystem, geregelte Arbeitszeiten und die Möglichkeiten, sich zu entfalten.

Die Kultur ist ein besonderer Faktor: Sie verkörpert die Vielfalt und Freiheit unserer demokratischen Gesellschaft und ist ein Wert an sich. Wenn zum Beispiel das Goethe-Institut in Indien auf dem Land eine Koproduktion mit dem Theater Jena vor einem Publikum zeigt, das noch nie ins Theater gegangen ist, schaffen wir Begeisterung. Wenn in Residenzprogrammen deutsche Künstler nach Indien kommen und umgekehrt, berühren sich die Kulturszenen.

Deutschland hat die Möglichkeit, diese neue Rolle im geopolitischen Gefüge erfolgreich zu spielen. Das ist jedoch kein Selbstläufer mehr, denn die Konkurrenz ist gewachsen. Daher müssen die Prioritäten klar gesetzt und mit Handlungen unterlegt werden: mit überzeugenden und schnellen Angeboten für Fachkräfte, mit wirtschaftlicher Zusammenarbeit, mit einer gemeinsamen Agenda für Handel und Sicherheitspolitik und mit gemeinsamer Kultur, die Freundschaft stiftet.

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